Kunstausstellung:Schöpfer einer virtuellen Antike

Kroener

In der Glyptothek werden Kroeners Studien in digitaler Version die Originale von hinten anleuchten.

(Foto: Günther Reger)

Der Kunstprofessor Werner Kroener zeigt in einer Ausstellung in der Münchner Glyptothek Projektionen der dort gezeigten Skulpturen. Es soll ein Dialog zwischen Geschichte und moderner Gesellschaft entstehen

Von Manfred Amann, Türkenfeld

Vom Atelier aus fällt der Blick auf eine weite Landschaft bis hinauf zu den Alpen. Bei schönem Wetter sieht man Bayerns heiligen Berg mit dem Kloster Andechs und den im Sonnenlicht glitzernden Wasserspiegel des Ammersees. Werner Kroener liebt diese "an manchen Tagen atemberaubende Aussicht", aber "als Fan der Unordnung" auch das scheinbare Chaos in seinem Garten, das sich in Form von Pflanzengruppen oder Bäumen mit knorrigen Ästen vor ihm auftut. Kroener ist Künstler, "genuin ein klassischer Essig-Öl-Maler", wie er bescheiden betont, und doch ist er in gewisser Weise ein Maler der Zukunft, ein risikobereiter Ausprobierer, der die Möglichkeiten ausreizt, die Computer und moderne Technik bieten - und so gewissermaßen ein modernes Genre fort entwickelt: die digitale Malerei.

Werner Kroener, der von 1987 an bis zu seiner Emeritierung vor einigen Jahren als Professor für Kunsttheorie und Kreativität in München arbeitete, lebt seit 2000 - nomen est omen - "Am Malerwinkel" im Türkenfelder Ortsteil Zankenhausen. "Hauptsächlich wegen der Natur", wie er sagt. In München, wo er mit seiner Frau und fünf Kindern vorher lebte und arbeitete, fehlten ihm die Weite, die abwechslungsreiche Landschaft sowie die Nachbarschaft zu Bäumen, Pflanzen und Tieren, die "im weiten Sinne auch Motivgeber" sind. Zuerst führt Kroener ins Atelier, in dem neben großflächigen, zimmerhohen Bildern viele kleinere Gemälde an den Wänden lehnen und wo eine breite Palette von Mal-Utensilien rumsteht, so als wollte der Künstler gleich loslegen. Doch der Maler, leger gekleidet und aufgeräumt wirkend, bittet ins Arbeitszimmer zum Kaffee. Zwischen Regalen mit unzähligen Büchern, Skulpturen und Gemälden, erzählt er von seinem Leben und vor allem von seinem neuesten Projekt, der Ausstellung "Time Codes -Die Macht der Schönheit", die von kommender Woche an in der Glyptothek in München zu sehen sein wird und die multimedial, generationen- und genreübergreifend konzipiert ist, mit Tanz, Film, Pädagogik, Musik, Literatur und Kunstgeschichte.

Kroener ist in Koblenz zur Welt gekommen. Er sei "ganz und gar" ein Rheinländer, sagt er von sich selbst: offen, tolerant und selbstbewusst. Drei Dinge hätten ihn in seiner Kindheit geprägt: Der nahe Wald, in dem die Natur und die Jahreszeiten stets präsent waren, die fordernde Art seines Vaters und die Diskussionskultur in der Familie, "wo man mithalten musste, egal worum es ging", und die künstlerischen Aktivitäten seiner Eltern und der Verwandtschaft. Nach dem Abitur studierte Kroener in Karlsruhe Germanistik und besuchte dort auch die Kunstakademie. "Da hatte ich wirklich Glück", sagt er und strahlt förmlich, als er von Kunstprofessor Horst Antes, als dem "Pop-Star der Malerei seiner Zeit" spricht, von dem er nicht nur viel für die Malerei, sondern auch einiges fürs Leben gelernt habe. Danach studierte Kroener Bildende Kunst in Heidelberg und München mit dem Schwerpunkt Kreativitätstheorie, promovierte, malte Theater- und Opernkulissen, experimentelle Serien wie "Boys" oder "Pop-Gärten" und Bilder, die zum Nachdenken anregen. Historische und politische Ereignisse nahm Kroener dabei meist als Motiv. Man könne ihn seiner Ansicht nach also auch als politischen Maler einordnen.

Insgesamt 1500 Werke dürften es mittlerweile sein, sie hängen in vielen Galerien und Museen und werden immer wieder in Ausstellungen gezeigt. "Mir geht es um den Dialog mit der Gesellschaft", sagt Kroener. Er sei weder Impressionist noch Expressionist, hebt der Künstler hervor, der mit seinen frühen großformatigen Bildern, Skulpturen und Objekten den "Neuen Wilden" zugerechnet wurde. Seine Werkserien thematisieren legendäre Bilder der Geschichte, des Krieges und Ikonen des modernen Zeitgeistes.

Seit Jahren widmet sich Kroener nun mit Herzblut der digitalen Malerei. Mit einem Stift, der in allen Farbmischungen eigentlich alles kann, vom feinen Zeichen- bis zum Pinselstrich, entwickelt er auf einem Tablet Malerei-Adaptionen von Bildern, Szenen, Figuren oder Köpfen, die zwar noch "das Skelett der Wiederkennung" des Motivs ermöglichen, ansonsten aber zur "Selbstdeutung" herausfordern. Da seine erste große Ausstellung "Time Codes - Die Macht der Bilder" in Koblenz, in der er Pressefotos der Süddeutschen Zeitung interpretierte, ein großer Erfolg war, zeigt der Künstler nun in der Glyptothek mit "Time Codes - Die Macht der Schönheit", Malerei-Adaptionen von 30 antiken Skulpturen, wie das Haupt der Medusa, die Knidische Aphrodite oder den Barberinischen Faun. Kroener leuchtet diese von hinten an und stellt so ein "Zwiegespräch von moderner Malerei, Geschichte und Gesellschaft" her. "Die Antike begegnet hier dem aktuellen Zeitgeist mit den ästhetischen Mitteln virtueller Bildsprache und digitaler Darstellungstechnik", erklärt Kroener, der die Ausstellung mit einem Begleitprogramm als modernes Kunstprojekt und als Antikenfest inszeniert.

Passend zu den Adaptionen präsentieren andere Kunstrichtungen an verschiedenen Tagen extra zum Thema kreierte Tanzinterpretationen, Gesänge von Liebe und Krieg und Sprachpassagen aus der Literatur, die ebenfalls zum Dialog einladen. Die Ideen, Gestalten, Ereignisse, Mythen und Kunst der griechischen und römischen Antike werden so auf virtuelle Weise in die Gegenwart gerückt. Über die Ausstellung wurde auch ein Film gedreht, Kroener hat selbst ein Buch verfasst und eine eigene App entwickeln lassen, ganz dem Zeitgeist entsprechend eben. Und seine nächste Ausstellung wird "Time Codes - Die Macht des Blicks" heißen und Selfie-Porträts gewidmet sein.

Die Ausstellung wird am 7. Dezember von Ministerialdirigent am Bayerischen Staatsministerium für Bildung, Kultur, Wissenschaft und Kunst, Toni Schmid, eröffnet und dauert bis 12. März. Öffnungszeiten und Begleitprogramm unter www.antike-am-koenigsplatz.mwn.de

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