Kunst:Ordentlich Holz in der Hütt'n

Seit mehr als 30 Jahren drechselt Volkmar Zimmer in seiner kleinen Werkstatt wunderbare Holzobjekte. Ihm geht es dabei weniger um Kunst als um eine Botschaft. Nun erhält er das Ehrenzeichen des Ministerpräsidenten

Von Florian J. Haamann, Germering

Drei staubige Quadratmeter im Keller eines Reihenhauses - das ist das Reich von Volkmar Zimmer. Dort steht er so gut wie jeden Tag und drechselt. Schier unaufhörlich müssen sich seine Maschinen da unten drehen, wenn man sieht, wie viele Holzobjekte - inzwischen sind es mehr als 1500 - überall in seinem Haus, arrangiert in Regalen und Vitrinen, wie in einem kleinen Museum präsentiert werden. Drei Quadratmeter voller Späne, Holzstücke und natürlich Werkzeug. Dazwischen stehen zwei Drechselmaschinen. 8000 Mark habe die eine gekostet, damals vor 20 Jahren, als er sie in England gekauft hat, erzählt Zimmer. "Es ist zwar ein wenig dreckig, aber nur hier fühle ich mich richtig wohl." Auf einem Holzblock liegt ein dicker Ast, aus ihm wird Zimmers nächstes Werk entstehen. Allerdings erst, wenn er den richtigen Feuchtigkeitsgrad erreicht hat. "Ich habe das Stück vor ein paar Tagen von draußen hier reingeholt, weil es gefroren war. Ich denke, am Montag ist es bereit", sagt Zimmer.

Aufgeregt wie ein kleiner Junge erzählt der 86-Jährige dann, warum das ein ganz besonderes Stück ist. Es ist eine Kreuzung - ein Hybrid - aus Mehlbeere und Elsbeere. Und Zimmer hat bereits einen dunklen Einschluss entdeckt, der vom Ursprungsbaum stammt. Auch wenn er noch nicht weiß, was genau aus dem Holz entsteht, es scheint sicher zu sein, dass dieser Einschluss eine große Rolle spielen wird.

Als Künstler will sich Zimmer nicht verstehen, obwohl viele seiner Objekte durchaus Kunst sind, der Rest ist feinstes Kunsthandwerk. "Ich bin viel zu sehr Handwerker für so eine Bezeichnung. Mir geht es darum, das Wesen der Hölzer herauszuarbeiten, ihre Geschichte zu erzählen. Kann schon sein, dass das, was dabei entsteht, etwas Künstlerisches hat". Vor allem versteht sich Zimmer als einer, der das Holz liebt, der auf dessen Wichtigkeit hinweisen will. "Nachhaltigkeit" ist ein Wort, das in vielen seiner Sätze fällt. Und Zimmer ist ein Sammler. Lange bevor er vor 30 Jahren als Autodidakt mit dem Drechseln angefangen hat, hatte er bereits alle möglichen Hölzer gesammelt. Mehr als 600 verschiedene Arten besitzt er heute, die Stücke in den Vitrinen sind feinsäuberlich mit ihren botanischen Namen beschriftet.

Und Zimmer ist ein Perfektionist. Als er sich beigebracht hatte, wie man das Holz drechselt, wollte er mehr. Er wollte alles über Holz erfahren, seine Anatomie lernen, verstehen was warum bei der Bearbeitung passiert. Also hat er als 60-Jähriger ein zweites Studium begonnen, als Gasthörer. Natürlich war es Forstwissenschaft. Zuvor hatte er nach einer Maschinenschlosser-Ausbildung und einem Maschinenbaustudium 35 Jahre in der nachrichtentechnischen Entwicklung gearbeitet. Geboren ist Zimmer in der Pfalz. "Ich war schon früh von der Baumvielfalt in den Pfälzer Wäldern beeindruckt. Schon damals wurde meine Leidenschaft für das Holz geweckt", sagt Zimmer. Gefördert wurde diese noch durch seinen Onkel, der eine Modellschreinerei hatte, in der Zimmer als Bub oft zugeschaut hat.

Aber Zimmer arbeitet nicht nur mit Holz, er gibt sein umfangreiches Wissen auch weiter. Seit 16 Jahren gibt er regelmäßig Führungen im Botanischen Garten in München. Damit die Menschen besser verstehen, wovon er spricht, hat er immer auch passende Objekte aus seiner Sammlung dabei, die er den Besuchern in die Hand gibt. Zudem engagiert er sich seit den Achtzigerjahren für den Germeringer Sozialdienst, bis heute überlässt er jenem jedes Jahr zum Weihnachtsbasar mehrere Objekte, die in einer Tombola verlost werden. In den Neunzigern hat Zimmer auch bei der "Agenda 21" in Germering mitgearbeitet, um dort auf das Thema Wald und Holz aufmerksam zu machen. Für sein ehrenamtliches Engagement wird Volkmar Zimmer nun am Montag vom Germeringer Oberbürgermeister Andreas Haas mit dem Ehrenzeichen des Bayerischen Ministerpräsidenten ausgezeichnet.

Aktuell bereitet sich Zimmer mit seinen Objekten bereits auf das kommende Jahr vor. Da wird die Fichte der "Baum des Jahres" sein. Schon seit vielen Jahren schafft der 86-Jährige jeweils mehrere Stücke zum jeweils gekürten Jahresbaum. Zwei Objekte hat er bereits fertig. Es sind Kegel, die im oberen Teil ganz glatt geschliffen sind, deren Basis aber unbehandelt ist. Denn nur so ist zu erkennen, worauf Zimmer hinweisen will: Fressspuren von Borkenkäfern, die den Baum letztendlich zerstört haben. Ein eingestecktes Stück Rinde zeigt die Beschädigung von der anderen Seite. Und so verbinden sich die Zerstörung durch den Borkenkäfer, den Zimmer als Drecksau bezeichnet, mit dem Handwerksgeschick des 86-Jährigen.

Freilich, man muss Zimmers Werke nicht als Kunst bezeichnen, aber alleine wenn man die Fichtenkegel vor sich sieht, fällt es schwer, einen passenderen Begriff zu finden.

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