Kulturrückblick:Kunst im Kleinen

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Das Jahr 2014 brachte eine Reihe von Prominenten in den Landkreis, zahlreiche Veranstaltungen waren ausverkauft. Eine besondere Stärke liegt jedoch im Hausgemachten: Vereine und Laien bieten Überraschendes

Von Viktoria Großmann, Fürstenfeldbruck

Wollte man dieses Kulturjahr in einem Bild zusammenfassen, dann am besten in dem des Schlangestehens. Schlange standen die Brucker und die Germeringer, um Karten für Monika Gruber zu bekommen. Ausverkauft waren zwei aufeinanderfolgende Vorstellungen von Martina Schwarzmann und das Konzert, das das britische Hilliard Ensemble auf seiner Abschiedstournee zusammen mit Jan Garbarek in der Klosterkirche Fürstenfeld gab. Vor vollem Haus fanden aber auch so ungewöhnliche Dinge statt wie die Aufführung eines Musicals über Johannes den Täufer, das Jugendliche an Ostern im Puchheimer Kulturzentrum Puc spielten. Überfüllt war das Adventskonzert des Vereins 11-11 im Olchinger Kom.

Das Kulturjahr 2014 hat viele Prominente gesehen: Chris Norman versetzte Hunderte Fans in ihre Jugend zurück, Kathy Kelly, bekannt aus der Kelly-Family, gab ein Konzert zusammen mit dem Emmeringer Männerchor, Max Raabe sang solo im Veranstaltungsforum. Die großen Veranstaltungsorte im Landkreis wollen und können mit München mithalten. Ihr Anspruch ist es, den Besuchern im Landkreis das zu bieten, was einer Metropolregion angemessen ist. Ohne dass man dafür ins Zentrum der Landeshauptstadt fahren muss. Das funktioniert oft sehr gut. Nur würde man sich manchmal eine etwas gleichmäßigere Verteilung der Besucher über alle Veranstaltungen wünschen.

Denn die Stärke der Kultur in den Landkreisen der Metropolregion liegt im Hausgemachten. Sie liegt bei Laien-Schauspielern, die gemessen an ihrer Erfahrung längst Fachleute sind. Bei Kirchenmusikern, die unermüdlich Kontakte pflegen und Konzerte planen, an denen oft niemand so richtig verdient. Sie liegt bei Kulturamtsleitern, die mit geringen Mitteln anspruchsvolle Programme zusammenstellen und immer wieder lokalen, jungen oder schlicht weniger bekannten Künstlern eine Bühne bieten. So etwas kann auch mal daneben gehen. Aber vor allem birgt es die Chance, nicht immer dasselbe zu sehen, sondern sich einfach überraschen zu lassen.

Zu diesen Überraschungs- und Überlebenskünstlern im Landkreis zählt sicherlich die Olchinger Kulturwerkstatt am Mühlbach, kurz Kom, unter der Leitung von Angelika Steer. In diesem Jahr wurde das Kom zehn Jahre alt. Beschränkte sich das Kulturleben früher im wesentlichen auf das Volksfest, zählen heute etwa 100 Veranstaltungen dazu. Darunter regelmäßige Jazz-Frühschoppen, Lesungen und Ausstellungen in der ehemaligen Mühle. Mit der Konzertreihe des Vereins 11-11 gibt es regelmäßige Glanzpunkte im Programm, an bis zu zwei Sonntagen im Monat, immer vormittags um 11.11 Uhr treten international anerkannte Musiker im Kom auf - bei freiem Eintritt.

Jazz-Musiker Jan Garbarek begleitet das Hilliard Ensemble auf dessen Abschiedstournee. Das Konzert in der Klosterkirche ist ausverkauft. (Foto: Johannes Simon)

Dahinter steht wie beim Großteil der Veranstaltungen ein unermüdliches freiwilliges Engagement. In diesem Fall ist es das Organisationstalent von Gabi und Günther Frank, dazu die Kenntnis und die vielen Kontakte des in Olching lebenden Opernsängers Michael Schopper. Vergleichbares leisten die Kirchenmusiker Christian Brembeck in Eichenau und Christoph Hauser in Fürstenfeldbruck. Während Brembeck im Landkreis schon eine Institution ist, gab Hauser in diesem Jahr sein Debüt. In seinem ersten Jahr hat Hauser vier Konzertreihen gemeistert, einen Kinderchor gegründet, Orgel-Führungen etabliert und eine Uraufführung an der Fux-Orgel gespielt. Eine gute Bilanz. In Germering hatte man ihn nicht gerne gehen lassen. Dort ließ er den Gospelchor Bosco Voices kopflos zurück. Die Sänger erhielten allerdings kollegiale Hilfe von der Stadtkapelle Germering, die ihnen zunächst einen neuen Probenraum verschaffte. Mittlerweile hat sich der Chor unter dem Namen "Sound Around" und dem neuen Leiter Arnim Wittich neu gegründet. Die Musiklandschaft mit ihren etwa 30 Chören, unzähligen Kapellen und Orchestern ist reich im Landkreis. Das Kulturleben ist entsprechend stark von Vereinen geprägt. Dem tragen immer öfter auch die großen Spielorte Rechnung, wenn sie sich für die Sommer- und Neujahrskonzerte der Vereine öffnen. Selbstbewusst stehen viele von ihnen zu ihrer Tradition. Der Musikverein Türkenfeld feierte aus Anlass seines 40-jährigen Bestehens im Mai vier Tage lang mit sehr viel Blasmusik. Dass sich Tradition mit Zeitgeist verbinden lässt, beweist der Verein jedoch mit seinen Percussion-Ensembles, die in diesem Jahr einige Preise errangen. Das bekannteste dürfte die Gruppe Hexagon sein, ohne die im Landkreis in diesem Jahr kaum eine Großveranstaltung auskam.

Eine besondere Stärke des Kulturlebens im Landkreis ist das Theater. Zwar bietet das Veranstaltungsforum mit Gastspielen des Hamburger Thalia-Theaters oder der Jungen Bühne Basel regelmäßig Prominenz, ehrliche Leidenschaft auf und vor der Bühne erlebt man jedoch am ehesten in den Produktionen der Laientruppen. So engagierte das Theater Tig in Gröbenzell erstmals einen professionellen Regisseur und meisterte bravourös das schwierige Stück "Krach im Hause Gott" von Felix Mitterer. Einen zweiten Mitterer gönnte sich Schauspieler und Regisseur Günter Mayr quasi zum 75. Geburtstag. Im Jexhof mimte er verstörend gut den verbitterten Alten im Ein-Mann-Stück "Sibirien". Die Taschenoper im Puchheimer Kulturzentrum Puc feierte ihren zehnten Geburtstag mit einem Opernwettbewerb. Drei 20-minütige Uraufführungen zum jeweils selben Libretto gab das Ensemble im März.

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(Foto: Günther Reger)

Kathy Kelly beehrt im November den Männerchor Emmering.

Günter Mayr feiert seinen 75. mit dem Ein-Mann-Stück "Sibirien".

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(Foto: Günther Reger)

Der Puchheimer Autor Volker Keidel pilgert im August zu Fuß zum Hamburger SV.

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(Foto: Johannes Simon)

"Der Wald im Brucker Land" heißt die Jahresausstellung im Jexhof.

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(Foto: Günther Reger)

Der Musikverein Türkenfeld wird 40 und feiert im Mai vier Tage lang.

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(Foto: Johannes Simon)

Erste Station auf dem Skulpturenweg: Dual II von Horst W. Twardzik wird im Juni am Kloster aufgestellt.

Die Puchheimer Taschenoper bringt im Oktober die Kurzversion von "Così fan tutte" ins Puc.

Das besondere an dieser Kultur im Kleinen ist, dass sie von Kulturbegeisterten gemacht wird, die für Kultur begeistern wollen. Diese Kultur nährt sich von Engagement, Optimismus und Spaß an der Sache. Und segelt immer im Schatten der Großen, die nicht selten das Minusgeschäft der Kleinen ausgleichen müssen. Denn auch das ist Kultur: ein Business. Die Veranstalter kalkulieren hart, Künstler teilen sich häufig das Geld aus dem Spendenkörbchen. Das Publikum im Landkreis ist ausgehfreudig und spendenfreudig. Wenn es allerdings für kein Geld der Welt mehr eine Karte für die Gruberin gibt, dann darf man getrost einen Ausflug zur nun 30-jährigen Laienbühne St. Max in Gröbenzell, ins Roßstall-Theater oder zur Neuen Bühne Bruck unternehmen. Dasselbe Eintrittsgeld würde man hier nie wagen, zu verlangen. Dabei wäre es höchst willkommen. Denn Kunst macht Arbeit. Erst recht die kleine.

© SZ vom 02.01.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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