Künstler bei der Arbeit:Raum für das große Format

Unter dem Motto "XXL-Painting" verwandelt sich das Haus 10 auf dem Brucker Klostergelände wieder in ein überdimensionales Atelier

Von Ekaterina Kel

Workshop

Hans-Jürgen Vogel in einen Moment der Kontemplation im Atelier.

(Foto: Günther Reger)

So groß hat Claudia Hassel ihre Leinwand noch nie gespannt. Die Holzstreben, die sie dafür benötigt hat, sind so dünn, dass das noch nicht fertige Bild darauf sich leicht bewegt, wenn sie ihren Pinsel ansetzt. "Andere habe ich nicht bekommen", sagt die Künstlerin. Das mache aber nichts. Die Lust, sich an einem großen Format auszuprobieren, war so groß, dass nun die dünneren Streben ausreichen müssen. Hassels Bild entsteht gerade in der Kulturwerksatt Haus 10. Die Räumlichkeiten auf dem Klostergelände verwandeln sich diese Woche unter dem Namen "XXL-Painting" wieder in ein überdimensionales Atelier, in dem Mitglieder der Künstlervereinigung große Formate malen können - und den künstlerischen Prozess, ihre Arbeit, vor Besuchern offen legen. Auf dem Gelände schauen sich an diesem Sonntag Hunderte von Gartenliebhabern die neusten Staudenpflanzen an. An der Eingangstür zum Haus 10 gehen die meisten von ihnen vorbei, ohne zu ahnen, was sich dahinter verbirgt.

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Künstler wie Claudia Hassel bewältigen derzeit im Brucker Haus 10 das große Format.

(Foto: Günther Reger)

Die Vorsitzende der Künstlervereinigung Hassel hat ihr 2 mal 2,80-Meter großes Bild direkt beim Eingang aufgehängt. Links steht ein Tisch, auf dem sich offene Farbtuben, Pinsel, Tücher und Gläser mit Lösungsmittel tummeln. Ihre Bilder sind abstrakte Farbteppiche. Mit einem Satz hat sie die Kernidee des provisorischen Ateliers bereits getroffen: "Hier gehe ich weit zurück und kann von der Ferne mein Bild betrachten." Denn hier im Haus 10 gibt es den ersehnten Platz, den man als Künstler oft nicht hat. Hassels Atelier im Kunsthaus Bella Martha in Grafrath hat 25 Quadratmeter, mehr als eineinhalb Meter Höhe oder Breite für ein Bild ist da kaum möglich. Denn ein wichtiges Detail, dass man schnell vergisst, wenn man nicht selbst malt, ist die Distanz: Der Künstler muss im Prozess des Malens sein Werk begutachten können, weiter weggehen, die Augen zusammenkneifen, das große Ganze sehen. Das Haus 10 mit seinen großen Räumen ist dafür ideal - und ein Luxus für viele Künstler.

Neben Hassel hat sich Christoph Kunzmann seinen Arbeitsplatz eingerichtet. An der Wand hängt ein Entwurf. Ein nackter Körper steht auf allen Vieren im Zentrum des Bildes. "Hier kommt der Panther hin und auf diese Seite setze ich den Kakadu", lässt Kunzmann wissen. Links davon hängt ein fertiges Exemplar: schwarzer Hintergrund, kräftige, leuchtende Farben, tropische Stimmung. "Ich lieb halt die Farben, es muss richtig krachen", sagt der Autodidakt. Die Arbeit an großen Formaten mache ihm großen Spaß, da könne er mit seinen Pinseln mit Schwung reingehen.

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Monique Marxreiter arbeitet an einem Panorama-Format.

(Foto: Günther Reger)

Ein paar Schritte weiter lassen sich jazzige Klaviertöne vernehmen. Sie kommen aus einem kleinen hellblauen CD-Spieler, der neben einer Kaffeekanne auf einem dreibeinigen Tischchen in der Ecke des nächsten Raumes steht. "Kaffee und Musik ist immer für alle da", sagt Hansjürgen Vogel, dessen Plastiken an öffentlichen Plätzen in Fürstenfeldbruck zu sehen sind. Hier malt er gerade an einem Bild. "Ich will Ikarus eine zweite Chance geben", sagt er und meint den jungen Mann aus der griechischen Mythologie. Nach Vogels Version stürzt Ikarus in eine Walfischgräte - "wer weiß?" - darin malt der Künstler den übermütigen Jüngling auch. Das Blau-Türkis des Wassers wird von schwarzen Strichen unterbrochen, dahinter scheint ein Mensch verzweifelt zu strampeln. An einer Ecke ist das Bild noch weiß. Vogel stellt sich einen Stuhl in etwa vier Meter Entfernung vor das Bild, setzt sich gemächlich hin, knetet sein Kinn mit den Fingern seiner rechten Hand und schweigt. "Ich bin jetzt dabei zu blicken", sagt er.

Als er Bildhauerei gelernt und seine Figuren gesägt hat, habe sein Meister zu ihm mal gesagt: "Ein Drittel gucken und zwei Drittel sägen" - Wenn man nicht in der Lage sei, sein Werk zu betrachten, könne man es gleich vergessen, so sieht Vogel das. Seine Raumkollegin Monique Marxreiter strichelt geschäftig an ihrem Werk. Sie und Vogel tauschen sich beim Arbeiten immer wieder aus, auch gern über den Jazz von der CD. Auf Marxreiters Tisch liegen gut 20 Pinsel ausgebreitet, alle in Benutzung und alle mit denselben Farben versehen, die auch das Bild an der Wand aufweist - ein pastelliges Violett, ein leichtes Mintgrün, ein unterschwelliges Hellblau mischt sich dazu, es sind Seerosenblätter mit Lilien, die Marxreiter mal auf einem Teich gesehen hat. Sie betrachtet ihre Pinselsammlung: "Aus irgendeinem Grund liegen bei mir so viele und beim Kollegen drüben nur drei." Ohne Vergleich kommt man auch in der Künstlervereinigung nicht aus. Es ist eher ein produktiver Austausch, keine Konkurrenz. Schüchternheit? Ach was, hier kenne man so etwas nicht. Alle seien sie doch noch im Prozess des Arbeitens, man störe sich nicht an den Blicken der anderen. Auch ganz fremde Blicke sind willkommen: Am Donnerstag, 24. Mai, laden die Künstler alle Neugierigen von 10 bis 16 Uhr ein, sie bei der Arbeit zu besuchen.

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