Kreisklinik Fürstenfeldbruck:Rouge gegen die Folgen der Krankheit

Im Klinikum gibt es ein Kosmetikseminar für Frauen, die an Krebs leiden. Die Teilnehmerinnen gewinnen ein Stück Lebensfreude zurück

Von Susanna Hartung

Als Margot Grübls Leben eine unerwartete Wendung nahm, war es mitten am Tag, und sie hatte schon ein ungutes Gefühl. Nicht nur das ernste Gesicht ihrer Hausärztin, als diese den Hörer auf die Gabel legte, auch das Datum verhieß nichts Gutes. Es war der Nachmittag des 11. September, als der Anruf des Radiologen kam. "Dieser Tag ist einfach verwunschen", sagt Grübl und versucht zu lächeln. Es misslingt ein wenig, ein bitterer Zug um den Mund bleibt. Seitdem steht dieses Datum neben Terror auch für ihre Diagnose: Mammakarzinom. Ein Tumor, so groß wie eine Walnuss, steckte in Grübls linker Brust. Der Schock war groß, doch für die 57-Jährige war schnell klar: "Ich lasse mich nicht unterkriegen." Seitdem gehe sie viel an die frische Luft, spiele mit ihren Enkeln - alles, um nicht an den Krebs in ihrem Körper denken zu müssen.

Aus diesem Grund sitzt Grübl zwei Monate nach der Diagnose auch im zweiten Stock des Klinikums Fürstenfeldbruck, im Tagungsraum, gleich links neben dem Aufzug. Grübl nimmt mit fünf anderen Frauen an einem Kosmetikseminar für Tumorpatientinnen der Deutschen Knochenmarkspenderdatei DKMS-Life teil. Denn es ist ja nicht nur die ständige Sorge um das eigene Leben, die Übelkeit und die Erschöpfung durch die Chemotherapie, wenn es heißt: Ich habe Krebs. Es sind auch vermeintliche Kleinigkeiten. Hautirritationen, Pigmentstörungen, der Verlust der Haare, Wimpern, Augenbrauen, die Krebspatienten zu schaffen machen. In dem Schminkseminar sollen die Frauen mit diesen äußerlichen Folgen ihrer Erkrankung umzugehen lernen, sollen neues Selbstbewusstsein erlangen und Lebensfreude.

Während Grübl von ihrer Krankheit erzählt, greift sie nach einem Pinsel, drückt ihn in ein Rouge-Tübchen und fährt sich damit sanft über die Wangenknochen. Sie trägt ein purpurfarbenes Oberteil, um ihrem Hals hängt eine silberne Kette mit passendem, violetten Stein. Wo bei anderen Frauen der Nacken von Haaren umspielt wird oder Strähnen auf die Schultern fallen, ist bei Grübl nichts. "Wenn man sich das erste Mal ohne Haare sieht, ist das schon ein Schock", sagt sie. Ihre Perücke hängt über einem Schminkspiegel, in einem zweiten, der direkt vor ihr steht, betrachtet sie ihr Gesicht. Denn an diesem Tag geht es nicht um den Tumor oder "den Stein" in ihrer Brust, wie sie ihn nennt. Es geht um ihr Gesicht, ihre Haut, ihr Wohlbefinden.

Darum geht es auch Yvonne Baumann. "Entweder entlang der Wangenknochen oder in C-Form die Schläfe hinauf", erklärt Baumann die Führung des Rouge-Pinsels. Und: "Mit Rouge sieht man gleich viel frischer aus, als wäre man gerade draußen gewesen." Yvonne Baumann ist eine zierliche Frau, die schlanken Beine stecken in einer grauen Nadelstreifenhose, sie trägt eine weiße Bluse, perfektes Make-up und ein ständiges Lächeln im Gesicht. Eine warme Stimme hat sie, was im Umgang mit den sechs Frauen, die vor ihr sitzen, nur von Vorteil ist. Baumann arbeitet für die DKMS. Sie ist Make-up-Expertin und so, wie sie mit den Frauen umgeht, könnte man meinen, auch Coach für schwierige Lebenssituationen. Baumann schwebt zwischen den sechs Frauen umher, bessert manchmal aus, lobt die besonders geschickte Pinselführung mancher Frauen, lächelt und macht Komplimente: "Das steht Ihnen besonders gut." Sie gibt Tipps: "Bei Ihrer trockenen Haut sollten Sie Creme-Make-up verwenden", oder spricht gut zu: "Genießen Sie, dass Sie sich pflegen!"

Vier Mal im Jahr findet das DKMS-Kosmetikseminar in Fürstenfeldbruck statt. Dass es überhaupt soweit kam, ist Yvonne Fojcik zu verdanken. Sie ist die Verbindungsstelle zwischen dem Klinikum und dem Verein Knochenmarkspende. "Ich spreche die Patientinnen an, ob sie Interesse haben und informiere Frauenärzte." Dass in Zukunft der Bedarf an Seminaren wie diesen noch steigen könnte, entspricht ihrer Erfahrung. "Es steigt an. Vor Jahren war nur jede 15. Frau betroffen, jetzt ist es schon jede dritte oder fünfte."

Wie sehr das Seminar anschlägt, merkt man zwei Stunden und vielen Tiegelchen, Puderquasten und Lippenstiften später. Die Stimmung, zu Beginn noch zurückhaltend und angespannt, ist nun herzlich und locker. "Gut sehen Sie aus", rufen sich die Frauen gegenseitig zu, lachen und unterhalten sich über Kinder und Enkel. Wo vorher etwas graue, müde Gesichter waren, blitzen den Frauen nun strahlende Augen aus dem Spiegel entgegen. Auch Margot Grübl sieht zufrieden aus, sie lächelt. Ein Jahr lang soll die Behandlung dauern: "Dann will ich den Stein vom Herzen haben."

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