Konzertreihe in der Klosterkirche Fürstenfeld:Mut zur Lücke

Die Fux-Orgel ist besonders, weil ihr in der tiefsten Oktave die Halbtöne fehlen. Das ist eine Herausforderung für die Musiker, die während der Fürstenfelder Orgelwoche spielen

Von Viktoria Großmann

Eine Fuge von Johann Sebastian Bach kann sich die Klosterkirche Fürstenfeld nicht leisten. Dazu fehlen ihrer Orgel ein paar Töne. Der Erbauer Johann Georg Fux hat in der tiefsten Oktave die Halbtöne Cis, Dis, Fis und Gis ausgelassen - das ersparte der Abtei die Anschaffung weiterer teurer Pfeifen. Bachs Sohn Carl Philipp Emanuel hingegen komponierte weniger verschwenderisch als sein Vater. Seine Werke lassen sich hervorragend auf der Orgel aus dem Jahr 1736 spielen. Auch deshalb ist ihm die Fürstenfelder Orgelwoche gewidmet, die am Pfingstsonntag, 8. Juni, mit einer Matinee um 12.10 Uhr beginnt. Zugleich wird damit des 300. Geburtstages des Bach-Sohnes gedacht, der am 8. März 1714 in Weimar zur Welt kam.

Dass zwei der Musiker, die während der Orgelwoche zu Gast sein werden, aus Italien kommen, ist dabei kein Zufall. Nicht nur im Süden Deutschlands, im ganzen Süden Europas sind barocke Orgeln wie jene in der Klosterkirche häufig zu finden. Die Komponisten des 18. Jahrhunderts stellten sich in diesem Gebiet entsprechend auf die Instrumente ein und verzichteten auf die tiefen Halbtöne. Die Organisten Nicolò Sari aus Venedig und Christian Tarabbia aus Arona werden daher am 15. beziehungsweise 22. Juni Sonaten ihrer Landsleute Giuseppe Antonio Paganelli, Baldassare Galuppi, Giovanni Battista Martini und Giovanni Battista Pescetti spielen. Zugleich beweisen die beiden Musiker, die27 und 33 Jahre alt sind, dass Alte Musik auf noch älteren Instrumenten auch bei sehr jungen Musikern Anklang findet.

Dabei war die Fux-Orgel eigentlich schon ein bisschen altmodisch, als sie eingeweiht wurde. So sagt es Christoph Hauser. Der 42-Jährige ist seit Jahresbeginn Organist von Sankt Magdalena und der Klosterkirche. Für ihn war die Orgel, nachdem er 17 Jahre lang in Germering auf einem modernen Instrument gespielt hatte, eine Herausforderung. Eine, die nicht nur er zu schätzen weiß, sondern die offenbar Musiker aus der ganzen Welt reizt. "Ich bekomme laufend Anfragen von Musikern, die gern einmal auf der Fux-Orgel spielen möchten", sagt Hauser. Das kommt ihm gelegen, denn als Kirchenmusiker organisiert er auch die Konzertreihen.

Außerdem hat er begonnen, regelmäßig Führungen zur Fux-Orgel anzubieten. Dabei erfahren die Besucher, dass das Altmodische natürlich das Besondere an der Orgel ist. Der Auftrag, den Johann Georg Fux 1734 erhielt, lautete nämlich, die Orgel aus der Vorgängerkirche des heutigen barocken Prachtpalasts neu zu verbauen. So blieben in dem Instrument Pfeifen aus dem Jahr 1629 bis heute erhalten.

Zu erkennen sind sie leicht, sie sind etwas fleckig. Das ist aber kein Materialschaden - die Pfeifen wurden damals wie heute aus einer Zinn-Blei-Legierung gemacht - sondern schlicht Vogelkot. Die Pfeifen waren von den Mönchen etwas unsachgemäß gelagert worden.

Für Fux bedeuteten die Pfeifen zunächst wohl eine Einschränkung. Außer ihnen musste er auch einen bereits 100 Jahre alten Windladen übernehmen. Heute wird die Windmaschine elektrisch betrieben. Früher waren mindestens zwei Männer mit der körperlich anstrengenden Arbeit beschäftigt. Die kirchlichen Auftraggeber wollten damals möglicherweise Materialkosten sparen. Am Baumeister aber sparten sie nicht. Fux war hoch angesehen. Er hatte auch die Orgeln in der Stiftskirche Altötting und in Sankt Michael in München gebaut. Sie wurden im Gegensatz zu jener in Fürstenfeld jedoch nicht erhalten. Zwei Jahre brauchte der Meister für sein Werk, das 280 Jahre später noch immer für seinen hervorragenden Klang geschätzt wird.

"Es ist eine Orgel für die leisen Töne", sagt Christoph Hauser. Eigentlich sei sie fast zu klein für die riesige Kirche. Zarte, barocke Werke in höheren Tonlagen sind für sie ideal. Neben ihr können auch weitere Instrumente gut bestehen. So wird die Orgel am Pfingstsonntag zusammen mit Flöten zu hören sein. Von ihren Spielern verlangt sie Einfallsreichtum und Anpassungsfähigkeit. Mit etwas Mut zur Lücke lassen sich auch grundsätzlich weniger geeignete Werke auf ihr spielen, der Organist muss dann allerdings mutig ein paar Töne auslassen, sagt Hauser.

Ausgerechnet für die Klänge aus den auffälligsten Pfeifen braucht es ein besonders feines Ohr. Die mit bärtigen Fratzen bemalten großen Holzpfeifen, welche die sichtbaren Metallpfeifen einrahmen, geben einen kaum hörbaren, extrem tiefen Ton von sich. Und den auch erst seit der Restaurierung 1978. Meister Fux hatte sich hier wohl in der Luftzufuhr verrechnet. Mit der Sanierung des Gebläses wurde das korrigiert. Nach 36 Jahren ist es eigentlich bald wieder Zeit für eine Überholung, findet Hauser. In den Pfeifen - von bleistiftdünn bis baumdick - setzt sich Staub ab, Kerzenruß verschmiert das Innenleben des Instruments.

Wie viele Menschen sich schon um seinen Erhalt verdient gemacht haben, zeigt die Orgelrückwand. Tischler, Zimmerleute, Maurer haben über Jahrhunderte hinweg mit Bleistift ihre Namen und Daten am Gehäuse hinterlassen. Der Orgelbauer selbst hat sich in einer Intarsienarbeit über den Tasten verewigt: dort wird eine Gans gejagt - natürlich vom Fuchs.

Weitere Matineen am Sonntag, 15., und Sonntag, 22. Juni, jeweils 12.10 Uhr. Am Samstag, 28. Juni, wird Christoph Hauser von 22 Uhr an Mozarts Kleine Nachtmusik spielen. Das gesamte Programm gibt es unter unter www.kloster-fuerstenfeld.de.

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