Kommentar:Zeichen gegen Wegwerfkultur

Eine vorbildhafte Aktion: Im AEZ in der Buchenau wandern Lebensmittel, die das Mindesthaltbarkeitsdatum erreicht haben, nicht mehr in den Müllcontainer. Sie werden verschenkt.

Produktlebenszyklen werden immer kürzer, das Kaufen und Wegwerfen von Einwegprodukten liegt im Trend, Reparaturen lohnen sich kaum mehr. In manche Handy-Fehlkonstruktion bauen umsatzgeile Konzerne Akkus ein, die sich nicht wechseln lassen - und Kunden kaufen diesen Schrott leider. So tickt unsere Ex-und-hopp-Gesellschaft. Besorgniserregendes Bild auch bei den Lebensmitteln. Hier wird der Produktlebenszyklus im übertragenen Sinn ebenfalls kürzer. Denn das Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) wird von vielen Herstellern, die jegliches Risiko scheuen, viel früher angesetzt als eigentlich erforderlich. Wird es erreicht, landen Waren im Müllcontainer der Supermärkte oder im Abfalleimer der Kunden. Vor allem geht es um Milchprodukte. Sicher ist sicher, könnte ja schlecht sein.

Diese Vollkaskomentalität bedeutet nichts anderes als Ressourcenverschwendung. Wird ein großer Teil der Frischware weggeworfen und dann neu gekauft, bedeutet das Raubbau an der Natur und Klimabelastung durch überflüssige Produktion, Verarbeitung und Transport. Befördert wird dies durch eine leider kontraproduktive Überregulierung auf EU-Ebene, die es Supermärkten fast unmöglich macht, Produkte bei Erreichen des MHD noch in den Verkehr zu bringen. Dabei sollte bekannt sein, dass der Aufdruck auf Deckeln und Etiketten von Joghurts, Milch oder Käse mitnichten bedeutet, dass sie am Stichtag verdorben und damit ungenießbar sind. Anders als etwa beim Hackfleisch, bei dem nach Ablauf des "Verbrauchsdatums" wegen gesundheitlicher Risiken in der Tat vom Verzehr abzuraten ist, gibt das MHD lediglich den Tag an, bis zu dem sicher keine Einbußen etwa bei Konsistenz oder Farbe zu erwarten sind. Auch bei abgelaufenem MHD sind solche Lebensmittel nicht selten noch viele Tage oder sogar Wochen gut verzehrbar.

Schade, dass dies von übervorsichtigen Verbrauchern ignoriert wird. Und gut, dass Supermärkte wie das AEZ nun zumindest den Spielraum, den sie haben, ausschöpfen. Am Tag des MHD werden die Waren sogar verschenkt. Ein Mehraufwand, müssen Gratis-Produkte doch einsortiert und teils gekühlt werden. Der Supermarkt in der Buchenau setzt damit der Ex-und-Hopp-Gesellschaft etwas entgegen. Kunden sollten das Angebot nutzen. Wer zu den preisreduzierten oder gänzlich kostenlosen Produkten greift, mag fürchten, als Billigheimer belächelt zu werden. Und doch handelt gerade er ökonomisch rational und im Sinne des reduzierten Ressourcenverbrauchs. Peinlich sein sollte das gewiss niemandem.

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