Kommentar:Vorurteile überwinden

Es gibt sicher Hindernisse auf dem Weg zum "Wohnen für Hilfe". Sie müssten nur weggeräumt werden

Von Julia Bergmann

Dass das Projekt "Wohnen für Hilfe" mit einer eigenen Vermittlungsstelle im Landkreis angeboten wird, ist nicht nur erfreulich, sondern längst überfällig. Wie groß die Resonanz letztlich sein wird, lässt sich zwar nicht mit Sicherheit vorhersagen. Fest steht aber, dass das Projekt großes Erfolgspotenzial mitbringt. Immer mehr Studenten sind auf günstigen Wohnraum angewiesen, immer mehr Ältere möchten so lange es geht in ihren Häusern, in ihrem Zuhause bleiben. Das gilt auch in Fürstenfeldbruck. Wenn nun also der Unterstützungsbedarf der Senioren nicht bereits in die Pflegebedürftigkeit übergegangen ist, kann Wohnen für Hilfe eine großartige Lösung sein.

Was dem Ganzen noch im Weg steht, scheinen aber Vorurteile zu sein. Das wird deutlich, wenn Menschen wie Veronika Linker, die dieses Projekt bereits seit 15 Jahren lebt, davon berichten. Wenn sie von den Reaktionen und Ängsten Außenstehender erzählt, die fürchten, dass junge Leute Dreck machen, laut sind und das Tafelsilber einstecken. Dass es Vorurteile bei Senioren gibt, wird auch deutlich, wenn Marion Schwarz, die bereits seit langer Zeit Wohnpartnerschaften vermittelt, davon berichtet, dass es viel mehr Anfragen von Studenten als von Senioren gibt.

Dabei würden viele ältere Menschen davon profitieren, diese Vorurteile zu überwinden und sich auf das Projekt einzulassen. Gelingen kann das, wenn sich Senioren ihrer Erwartungen bewusst sind, gleichzeitig aber auch realistisch einschätzen können, was sie einem jungen Menschen an Unterstützung abverlangen können. Dabei ist wichtig, dass das Projekt nicht als Dienstleistungsservice begriffen wird, sondern als Chance, sich gegenseitig zu bereichern. Außerdem ist ohnehin unwahrscheinlich, dass ein junger Mensch, der laute Musik und Parties liebt, sich für das Projekt Wohnen für Hilfe und letztlich das Zusammenleben mit Senioren entscheidet. Das berichtet auch Schwarz aus ihrer jahrelangen Erfahrung. Vorurteile zu überwinden, wäre auch im Sinne des Projekts, denn im Vordergrund steht hier nicht nur die gegenseitige Unterstützung sondern auch die Förderung der generationsübergreifenden Solidarität und des Verständnisses für einander. Das gelingt nur dann, wenn man einen Versuch wagt.

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