Berufsorientierungstage:Veraltete Rollenbilder

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Die Einteilung in Männer- und Frauenberufe ist längst nicht mehr zeitgemäß.

Von Heike A. Batzer

Mädchen spielen Barbie, werden Erzieherin oder Friseurin, ziehen die Kinder groß, werden Hausfrau oder arbeiten ein bisschen Teilzeit, verzichten auf Karriere und eine ordentliche Rente und landen schließlich in der Altersarmut. Was für eine Biografie! Dabei schreiben wir das Jahr 2015.

Noch immer konzentrieren sich Mädchen bei der Lehrstellensuche auf etwa zehn Berufe, meist aus dem sozialen Sektor oder Gesundheitsbereich, meist mit wenig Prestige und schlecht bezahlt. Deswegen bleibt ihr Verdienst dauerhaft schlechter als der der Männer, die sich gut dotierte Jobs in technisch-gewerblichen oder naturwissenschaftlichen Berufsfeldern suchen. Noch immer wirken dabei Rollenklischees, die den Frauen mehr Einfühlungsvermögen und mehr Bereitschaft zu sozialen Tätigkeiten zuschreiben. Auch die Tatsache, dass immer mehr Frauen arbeiten, hat die traditionellen Vorlieben noch nicht geändert.

Weil das so ist, sind Berufsorientierungstage wie Girls' Day und Boys' Day gar nicht genug zu würdigen. Das Projekt versucht nicht nur, jungen Menschen neue berufliche Perspektiven aufzuzeigen, sondern ihnen auch bislang dem anderen Geschlecht zugeordnete Berufe schmackhaft zu machen. Junge Männer als Erzieher? Dringend gesucht, weil der verstärkte Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen ohnehin mehr Personal verlangt und die Entwicklung junger Menschen beide Geschlechter braucht. Mädchen als Soldatinnen? Klar, weil sie dank guter Schulleistungen dafür qualifiziert sind und es keinen Grund gibt, warum sie bisher von Männern dominierte Berufe nicht ausüben sollten.

Dass der Berufsorientierungstag freilich jenen vorbehalten ist, die sich freiwillig dafür melden, ist ein Makel. Alle Schülerinnen und Schüler sollten in diesem Rahmen wenigstens einen Tag lang ein Praktikum in einem Unternehmen machen können, in dem überwiegend Mitarbeiter des jeweils anderen Geschlechts tätig sind. Denn die ganze Gesellschaft braucht hier ein neues Denken, das sich von den bisherigen Rollenvorstellungen distanziert. Einzelne Aktionen reichen nicht aus, um solche Veränderungen anzustoßen.

© SZ vom 24.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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