Kommentar:Prinzip Solidarität

Tafel-Betreiber sollten sich nur darum kümmern, dass die Lebensmittel für alle reichen, nicht aber darüber entscheiden, wer Essen bekommt

Von Ekaterina Kel

Die Leiter der Tafelläden im Landkreis lehnen eine Kategorisierung in Bedürftige mit deutschem Pass und solche ohne ab. Dass für sie diese Klassifizierung nicht akzeptabel ist, dürfte auch nicht anders sein. Ein Lob dafür, dass sie die Spenden an Deutsche und an Nichtdeutsche gleichermaßen verteilen, sollte überflüssig sein. Eigentlich. Doch die Entscheidung des Leiters der Essener Tafel hat diese Prämisse der Gleichbehandlung infrage gestellt. Jetzt sind alle Tafeln gefragt, wie sie ihre Spenden verteilen. Und die vier im Brucker Landkreis haben klar Stellung bezogen.

Es reicht nicht für alle? Kein Problem, Teilung ist nicht per se schlecht, wie man sieht. Es gibt außer dem Nachweis der offenbar richtigen Staatsbürgerschaft noch andere Lösungsansätze. In Germering hat man auf das Uraltprinzip des Alphabets gesetzt: Alle von A bis Z nach Nachnahmen auflisten und irgendwo mittig einen Strich ziehen. Eine Woche bekommen die über dem Strich, dann die anderen. Oder in Fürstenfeldbruck, wo man sich mit Farben behilft: Die einen erhalten blaue Kärtchen, die anderen rote und wiederum andere gelbe. Dann wird nach Uhrzeiten sortiert. Natürlich müssen dann alle Bedürftigen länger warten. Aber so funktioniert nun mal Solidarität. Das Wort, das bei der Tafel, wie bei allen Hilfsorganisationen, oberstes Prinzip ist - und eben auch sein sollte. Wenn die Essensspenden Geschenke sind und die Mitarbeiter, die sie austeilen, Ehrenamtliche, dann sollten sie keineswegs entscheiden dürfen, wer was bekommt, sondern bloß dafür sorgen, dass das Essen für alle, die bei ihnen registriert sind, ausreicht. Genau das tun die Mitarbeiter der Tafeln im Landkreis.

Zwar scheinen sie die steigenden Zahlen unter Kontrolle zu haben. Aber das sollte über eine wichtige Tatsache nicht hinwegtäuschen: Die Flüchtlinge machen einen immer größeren Teil der Bedürftigen aus. Die Kommunen, denen die Versorgung dieser Flüchtlinge obliegt, wälzen ihre Aufgaben an die Tafeln und an die Ehrenamtlichen ab. Der bürokratische Mehraufwand ihrer Lösungen zeigt, dass sie alle gleich behandeln wollen. Trotzdem: Die Tatsache, dass sie überhaupt gezwungen sind, sich Lösungen zu überlegen, verweist auf große Lücken an ganz anderer Stelle.

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