Kommentar:Klare Kante wäre angesagt

Von der allgemeinen Profillosigkeit in der Politik profitieren nur die Rechtspopulisten

Von Peter Bierl

Kaum flimmerte die erste Hochrechnung zur Bundestagswahl über die Schirme, da wusste die Führung der Landkreis-SPD, dass sich die Partei in der Opposition runderneuern müsste. Sonst verschwinde die SPD wie andere sozialdemokratischen Parteien in Europa in der Versenkung, unkte Michael Schrodi, der neue Bundestagsabgeordnete. Der Fraktionsvorsitzende im Kreistag, Peter Falk, forderte einen Neuaufbau, orientiert an Jeremy Corbyn und Bernie Sanders, den linken Hoffnungsträgern der Labour Party und der US-Demokraten. Jetzt steuern Schrodi und Falk in Richtung Groko.

Sie sind geschmeidig wie die anderen auch. So versucht der Germeringer Landtagsabgeordnete Sepp Dürr (Grüne) seit Jahr und Tag die CSU in Sachen Heimattümelei auszustechen. Davon abgesehen, dass es sinnvoller wäre, sich für konkrete Dinge wie den Ausbau der S 4 einzusetzen statt ideologische Spiegelfechtereien zu treiben: Jetzt kann er es kaum erwarten, in einer schwarz-grünen Koalition Steigbügelhalter für Markus Söder zu werden. Sein Gröbenzeller CSU-Kollege streicht die Segel, noch bevor die Freien Wähler eine einzige Unterschrift gegen die Straßenausbaubeiträge gesammelt haben. Im Prinzip findet Reinhold Bocklet zwar, dass Grundeigentümer ihren Beitrag leisten sollen, für seine Überzeugung kämpfen mag er aber nicht. Er könnte ja verlieren, so wie Schrodi sein Bundestagsmandat bei einer Neuwahl.

In einer pluralistischen Demokratie sollen die Interessen unterschiedlicher Gruppen durch verschiedene Parteien vertreten werden, die nach mehr oder weniger heftigen Konflikten Kompromisse schließen. Soweit die Theorie. Praktisch operieren alle mit unverbindlichen und austauschbaren Phrasen wie Gerechtigkeit oder Verantwortung. Interessengegensätze werden kaum formuliert, geschweige denn ausgetragen, schon soziologisch betrachtet, stammen all zu viele Politiker aus der Mittelschicht und bürokratischen Apparaten. Eigentlich könnte jeder mit jedem koalieren. Die Beliebigkeit aber führt zur Fragmentierung der Parteien. Am Ende profitiert von dieser Profillosigkeit die alte Neue Rechte.

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