Kommentar:Gedankenloser Umgang

Warum im Landkreis ein historisches Gebäude nach dem anderen aus dem Ortsbild verschwindet

Von Christian Hufnagel

Alte Häuser müssen oft viel aushalten. Irgendwann in deren Leben hat der Besitzer keine Lust mehr, Geld für sie auszugeben. Weil die Investition sich nicht amortisiert. Zugleich wird der Grund und Boden, auf dem sie stehen, immer wertvoller und das Baurecht darauf immer üppiger. Da müsste einer schon ein großer Idealist sein, will er der Verlockung nach einer gewaltigen Rendite widerstehen. So lässt er das Gebäude Jahr um Jahr vor sich hinrotten, menschenentleert und Wind und Wetter ausgesetzt. Bis dass ein jeder im Ort sich über den verwahrlosten Anblick aufregt und das einstige Schmuckstück als "Schandfleck" brandmarkt. Von dieser Grundstimmung an ist es nicht mehr weit, bis die Kommunalpolitiker den Abriss genehmigen.

Das Armenhaus in Schöngeising oder Bauernhäuser in Emmering und im westlichen Landkreis sind diesen Abstieg im Ansehen bis zum bitteren Ende gegangen. Andere werden folgen, wie die jüngsten Beispiele zeigen. Der Klosterwirt in Grafrath hat einen neuen Besitzer, der dort Wohnungen bauen will und damit kaum an der Sanierung des seit langem verwaisten Gasthauses interessiert sein dürfte. Und in Esting ist es bereits beschlossene Sache, dass die dortige ehemalige Traditionsgaststätte "Amperbad" dem Erdboden gleichgemacht wird. Hier wie dort flüchtet man sich in eine Art Gewissensberuhigung mit dem festen Vorsatz, die neuen Gebäude sollen stilistische Elemente der 100 und mehr Jahre alten Vorläufer enthalten. Das Original und damit Authentizität sind jedoch niemals zu ersetzen.

Dass selbst der Denkmalschutz keinen Schutz mehr darstellen muss, wenn das Gebäude nur lange genug, in diesem Fall mehr als 40 Jahre, sich selbst überlassen wird, offenbart ein vormaliges Gesindehaus in Mammendorf. Einstimmig segnete der Gemeinderat den Antrag des Besitzers ab, das seltene architektonische Relikt abreißen zu lassen. Auch in dieser Debatte fiel es wieder, das Schimpfwort vom "Schandfleck", das wie eine groteske Schuldzuweisung an ein hilfloses Mauerwerk daherkommt. Aber im Grunde lenken Eigentümer wie Kommunalpolitiker in Grafrath, Olching, Mammendorf und anderswo damit auch nur ab, von der eigentlichen Schande: dem gedankenlosen Umgang mit Zeugnissen vergangener Baukunst und Lebensweise.

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