Kommentar:Erfahren, aber unsensibel

Der Umgang mit der Informationspanne des Landratsamts zur Belgung von Puchheimer Turnhallen mit Flüchtlingen kommt denen zupass, die behaupten, die Bürger würden belogen und es drohe eine Überflutung mit Asylbewerbern

Von Peter Bierl

Bei aller Hilfsbereitschaft gegenüber Flüchtlingen hegt auch ein Teil der Bevölkerung im Landkreis Vorurteile bis hin zu offenem Rassismus. Darum ist es kein Streit um des Kaisers Bart, ob Landrat Thomas Karmasin (CSU) bei der Sonderbürgerversammlung in Puchheim schon wusste, dass Flüchtlinge in örtlichen Schulturnhallen untergebracht werden sollen. Einige Teilnehmer fragten an dem Abend ausdrücklich, ob weitere Flüchtlinge nach Puchheim kommen würden, mehr als jene 160 Menschen, die im Oktober in die Unterkunft im Gewerbegebiet einziehen sollen.

Einer schimpfte, die Bürger würden mit falschen Zahlen abgespeist. Solche Leute dürfen sich nun bestätigt fühlen. Das ist fatal. Der Bürgermeister verwies auf die Aufnahmequote, die Puchheim erfülle, der Landrat sprach allgemein von Turnhallen, die notfalls in Betracht kämen, aber niemand deutete auch nur an, dass der Notfall in Puchheim ein paar Tage später akut würde. Es soll nicht unterstellt werden, dass der Landrat gelogen hat, seine Argumentation ist nachvollziehbar. Dem kommunalpolitisch erfahrenen Fuchs Karmasin dürfte klar gewesen sein, dass er sich sonst selbst in die Bredouille bringt. So lange es sich um einen unausgegorenen, nicht abgestimmten Plan handelte, wäre es vielleicht auch vernünftiger gewesen, damit hinterm Berg zu halten, statt etwas auszuposaunen und dann zurückrudern zu müssen. Aber merkwürdig ist schon, dass der zuständige Abteilungsleiter, der Bescheid wusste, mit auf dem Podium saß und seinen Chef nicht informiert haben soll. Das wirft Fragen nach der internen Kommunikation auf.

Karmasin hat völlig Recht, dass sich an der Sachlage nichts ändern würde, wenn er früher informiert hätte. Für die Stimmungslage macht es indes einen gewaltigen Unterschied. Wenn er das nicht begreift, spricht das nicht für seine politische Sensibilität. Denn so eine verkorkste Kommunikation kommt denen zupass, die argwöhnen oder behaupten, die Bürger würden belogen und es drohe eine Überflutung oder Überfremdung durch Flüchtlinge. Das verstärkt Stimmungen, die zu Übergriffen führen können, ebenso wie die falsche Behauptung des Landrates, in Osteuropa einschließlich EU-Staaten würden Roma nicht verfolgt oder diskriminiert.

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