Kommentar:Der Wahlkreis hat Vorrang

Die Chefin der CSU-Landesgruppe und Brucker Wahlkreisabgeodnete ist eine erfahrene und geschickte politische Handwerkerin

Von Gerhard Eisenkolb

Gerda Hasselfeldt wird es verkraften, dass ihr jemand die Bekanntgabe des Abschieds von ihrem Wahlkreis vermiesen wollte. Wer seit fast 30 Jahren als Ministerin, Bundestagsvizepräsidentin und CSU-Landesgruppenchefin in der Verantwortung steht und zuletzt wie in einem Schraubstock eingepresst den Interessenkonflikt zwischen der CSU in München und der Bundeskanzlerin sowie der CDU aushält und ausgleicht, ist Schlimmeres gewohnt. Die Absicht, zuerst ihren Wahlkreis zu informieren und dann den Rest der Republik, steht für eine Grundhaltung: Die Wertschätzung Hasselfeldts für die Basis und damit für diejenigen, denen sie ihre Machtfülle verdankt. Wer das im Hinterkopf hat, hebt nicht ab, sondern bewahrt sich etwas Demut.

So steht Hasselfeldt in Bonn und Berlin zwar seit einer Ewigkeit in der ersten politischen Reihe. Da sie aber eine Handwerkerin der Politik blieb und keine Wichtigtuerin wurde, überlässt sie es anderen, täglich in Mikrofone zu sprechen und von einer Talkshow zur nächsten zu tingeln. Zur Selbstinszenierung nutzte sie ihre Ämter nie, hier ähnelt sie Merkel. Das mag erklären, warum sich beide gut verstehen und Merkel Hasselfeldt bei ihrer ersten Kanzlerkandidatur in ihr Kompetenzteam berief. Die Abgeordnete ist versiert genug, den richtigen Zeitpunkt für den Rückzug zu finden. Das ist die Zäsur, von der an es um ihre Nachfolge geht. Mit Rückzügen hat sie ja Erfahrung. Im Mai 1992 warf sie als Gesundheitsministerin hin wegen des Vorwurfs, ihr wichtigster Ratgeber arbeite als Agent für den polnischen Geheimdienst. Nun steht Hasselfeldt trotz der Probleme in Berlin im Zenit ihrer Laufbahn. Einen besseren Grund für den Rückzug ins Familienleben gibt es nicht, als dies dann zu tun, wenn es am schönsten ist. Dahinter steckt Weisheit. Zudem fordert ihr zweiter Ehemann, ihr ehemaliger Bundestagskollege Wolfgang Zeitl-mann, schon lange den Rückzug ins Private. Bis dahin hat Hasselfeldt noch eineinhalb Jahre Zeit, als verlässliche Vertreterin der Landkreisinteressen zu wirken. Schließlich verdankt sie ihre Wertschätzung im Landkreis auch diesem Einsatz.

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