Kommentar:Bedrohung der Wohlfühlzone

Der Protest gegen die Belegung von Turnhallen ist nur vorgeschoben. In Wahrheit geht es um etwas anderes

Von Florian J. Haamann

Liebe besorgte Bürger, die Ihr natürlich weder rechts und noch viel weniger fremdenfeindlich sein wollt, man wird doch wohl noch sagen dürfen, dass es einem bei Euren Argumentationen hochkommt, ohne gleich als Linksextremer oder Gutmensch abgestempelt zu werden. Wir haben ja nichts gegen Eure Aussagen, aber in unserer Nachbarschaft wollen wir so eine Gesinnung eben nicht haben. Sie ist uns irgendwie fremd, und wir haben Angst, dass wir bald auf der Straße nicht mehr sicher sind. Außerdem befürchten wir, dass Ihr mit Eurer Einstellung unsere liberale deutsche Kultur zerstört. Einige von uns haben mit eigenen Augen beobachtet, wie Ihr euch in sauberen Klamotten und mit Smartphones in der Hand vor Euren Reihenhäusern darüber auslasst, wie gut es diesen Ausländern hier doch gehe.

Nun also wendet Ihr euch mit Briefen an die Politik, weil Ihr um das Wohl Eurer Kinder besorgt seid, wenn sie ein paar Monate keinen Schulsport treiben können. Ist das Euer Ernst? Stellt Ihr dieses Luxusgut über die Unterbringung von Menschen, die zu uns kommen, weil es in ihrer Heimat nicht einmal mehr Schulen gibt, in die sie ihre Kinder schicken können, dafür aber mehr als genug Bomben und Munition, um sie alle zu töten? Wahrscheinlich meint Ihr das nicht wirklich ernst - und das ist noch schlimmer. Die Flüchtlinge haben Eure Wohlfühlzone erreicht und das stinkt Euch. Ihr behauptet, nichts gegen Ausländer zu haben, aber Ihr wollt sie nicht, weil Ihr dafür einen Bruchteil Eures gemütlichen Lebens umkrempeln müsstet. Einige von Euch mögen tatsächlich nicht fremdenfeindlich sein, mitleidslos seid Ihr allemal.

Darf man nun also keine Bedenken mehr haben? Doch, das darf man, wenn sie ehrlich sind und nicht als Deckmantel der Fremdenfeindlichkeit dienen. Aber in Zeiten, in denen Asylbewerberheime angezündet werden, Rechtsextreme vor Unterkünften pöbeln, die SPD von Faschisten bedroht und die Kanzlerin als Volksverräterin beschimpft wird, wäre es angebracht, dem braunen Mob, der sich wieder formiert, nicht den kleinsten Nährboden zu liefern. Denn auch viele einzelne Strohhalme können durch einen Funken zum Flächenbrand werden.

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