Klimawandel betrifft auch die Insekten:Das Bienensterben geht weiter

Temperaturschwankungen haben ein Drittel der Völker im Landkreis in diesem Winter vernichtet. Zudem setzenMonokulturen, Pflanzengifte, die Varroamilbe und Halbwissen der Hobbyimker den Insekten zu

Von Peter Bierl, Fürstenfeldbruck

Ein Drittel der Bienenvölker im Landkreis sind in diesem Winter eingegangen, schätzt Walter Dürl, der Vorsitzende des Imkervereins von Fürstenfeldbruck. Dazu trägt die Varroamilbe bei, von der die Bienenvölker befallen sind, vor allem aber starke Temperaturschwankungen, die die Bienen nicht in Ruhe überwintern lassen. Die Verluste dieses Winters können ausgeglichen werden. Allerdings befindet sich die Imkerei trotz des großen Zulaufs in einer Dauerkrise. Dafür gibt es mehrere Ursachen: Die Folgen des Klimawandels, die Abnahme der Pflanzenvielfalt durch Monokulturen und ein exzessiver Einsatz von Pflanzengiften. Dazu kommen Amateur-Imker ohne fundiertes Wissen und das Freizeitverhalten, das speziell im Winter die Bienenvölker belastet.

Zwischen Oktober und Februar überwintern Bienen, sie legen eine Ruhepause ein. Stattdessen stieg das Barometer im November, vor Weihnachten und Anfang Januar kurzfristig immer wieder und erreichte "Flugtemperaturen". Dann schwärmen Bienen aus, teils angelockt durch blühende sogenannte Greening-Flächen, auf denen Bauern Leindotter, Buchweizen oder Ölraps anbauen. Setzt dann wieder Kälte ein, nötigt das den Insekten eine extreme Heizleistung ab. Das führe zu frühzeitiger Alterung und einem Absterben der Bienen, sagt Dürl, der als Fachwart und Ausbildungsreferent des Bayerischen Bienenzüchterverbandes tätig ist.

Bienen

Bienen reichern süße Säfte mit körpereigenen Stoffen an. Gespeichert und gereift in Waben, wird daraus Honig.

(Foto: Günther Reger)

Bei der Kälte und dem Regen im April fanden die Bienen wiederum nicht genügend Futter. "Wer jetzt nicht laufend kontrolliert und zufüttert, kann seine Völker verlieren", warnt Dürl. Die Frühjahrsernte werde jedenfalls "mager" ausfallen.

In Gegenden mit vielfältigen Kulturen auf den Äckern und Obstplantagen, blühenden Wiesen und Sträuchern liegt der Ertrag etwa viel höher als im Landkreis Fürstenfeldbruck, schätzt Dürl. Die intensive Landnutzung durch häufigen Schnitt und großflächigen Maisanbau lasse als Haupteintrag der Bienen nur noch Raps übrig. Kräuter, Löwenzahn oder Wiesenblumen kämen fast gar nicht mehr vor.

Das führt zu der paradoxen Situation, dass Bienen in Städten und Dörfern, in Parks, Friedhöfen und Gärten, mehr Nahrung finden als auf dem Land. Allerdings tauchen in den Siedlungen andere Probleme auf: Hobbygärtner setzen im Durchschnitt die gleichen Mengen an Pflanzenschutzmitteln ein als Landwirte. Die Substanzen schädigen das Nervenzentrum der Bienen, sodass diese nicht in den Stock zurückfinden, oder die Brut. Ein weiteres Problem sind viele neue Hobby-Imker, die aufgeschreckt durch Berichte über das Bienensterben eigentlich helfen wollen. "Die suchen im Internet und schauen sich Filmchen auf Youtube an, aber das ist völlig ungenügend, oft richtig falsch", sagt Dürl. Etliche melden sich nicht einmal bei den Behörden an, wie es vorgeschrieben ist. Diese "schwarzen Schafe" fördern die Verbreitung von Krankheiten und Schädlingen und erschweren die Bekämpfung.

Bienen

Wie Honigbienen gepflegt werden müssen, zeigt der Türkenfelder Imker Walter Dürl auf dem Lehrbienenstand.

(Foto: Günther Reger)

Im Landkreis sind nach Angaben des Veterinäramtes derzeit 351 Imker registriert. Etwa 170 sind im Fürstenfeldbrucker Verein organisiert, andere gehören Verbänden in Nachbarlandkreisen an. Der Brucker Verein organisiert Anfängerkurse an der Landwirtschaftsschule in Puch und unterhält dort einen Lehrbienenstand für die praktische Ausbildung. Bienen haben einen Aktionsradius von bis zu fünf Kilometer, fehlt es an Nahrung, räubern sie auch fremde Stöcke aus. Dadurch können sich Krankheiten schnell ausbreiten. Gegenmaßnahmen müssen koordiniert sein und alle Stöcke in einem Gebiet abdecken. Doch daran hapert es. I

In Bayern sind die Bienenvölker flächendeckend mit der Varroamilbe befallen. Selbst eine fachgerechte Behandlung führe nicht zur Milbenfreiheit, verhindere aber, dass es zum klinisch manifesten Ausbruch der Varroatose kommt, sagt Hans Werner Merk, der Veterinärdirektor im Landratsamt. Die Kreisbehörde verpflichte alle Imker jährlich, ihre Völker zu behandeln. Letztmalig sei im Landkreis 2011 eine anzeigepflichtige Bienenseuche aufgetreten, die amerikanische Faulbrut.

Grundlage der Ernährung

Im Regelfall geht es um die Honigbiene, wenn von Bienen die Rede ist. Apis mellifera ernährt sich von Nektar und Pollen, dadurch bestäubt sie etwa 80 Prozent unserer Nutzpflanzen wie Äpfel oder Tomaten, aber auch Futterpflanzen für Tiere. Ohne ihre Tätigkeit wäre unsere Ernährung gefährdet oder wir müssten selbst Hand anlegen, wie es in Teilen Chinas schon der Fall ist. Der kommerzielle Wert der Honigbiene besteht heute in der Bestäubung der Massentrachten in der Landwirtschaft. Greenpeace bezifferte den Nutzen auf 265 Milliarden Euro weltweit. Neben der Honigbiene leben in Deutschland etwa 560 Wildbienenarten, überwiegend einzeln, von denen viele vom Aussterben bedroht sind. Domestizierte Honigbienen sind größer als ihre wild lebenden Verwandten und produzieren viel mehr Honig. Zugleich sind sie anfälliger gegenüber Witterung und Krankheiten. Bis zu 80 Prozent des Honigs, den wir hierzulande konsumieren, wird aus Lateinamerika, Spanien, Bulgarien oder China importiert, weil dort die Löhne niedrig sind. bip

Und schließlich haben die Imker ökonomische Sorgen. Ein Glas Honig müsste mindestens sieben Euro kosten, damit sich der Aufwand lohnt, sagt Dürl. Auch Hobbyimker haben einen gewissen Aufwand für Behandlungsmittel, Winterfutter oder Versicherungen. Wer mehr als 25 Völker hält, muss Beiträge an die Berufsgenossenschaft entrichten und einen Hygiene- und Schleuderraum einrichten, der einige tausend Euro kostet. Dazu kommt die Arbeit, die sie leisten.

Um den Bienen zu helfen, sei ein Umdenken notwendig, bei Politikern, Behörden und in der Bevölkerung. In Städten und Gemeinden sollten Grünflächen als Blühwiesen genutzt werden und in den Gärten bestimmte Pflanzengifte verboten werden. Die Landwirte könnten statt Mais andere Pflanzen anbauen, sagt der Bienenexperte Dürl, etwa Virginiamalve oder Silphie, ein mehrjähriges Gewächs, das bis zu drei Meter hoch wird und gelbe Blüten trägt. Was die Aufklärung betrifft, sind die Imker selber schon aktiv: In zwei Monaten werden sie einen öffentlichen Bienenlehrpfad in Puch eröffnen.

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