Klaus Sterba:Auf Abenteuerreise

Klaus Sterba, Brasilien

Mitten in einer völlig fremden Kultur: Klaus Sterba aus Fürstenfeldbruck (vorne) auf seiner Reise durch Brasilien

(Foto: oh)

Der Fürstenfeldbrucker Klaus Sterba, als Karatesportler bekannt, ist zu den südamerikanischen Ureinwohnern des Waura-Stammes gereist. Dort lernte er deren Rituale und Lebensweise kennen

Von Verena Niepel, Fürstenfeldbruck

Hunderte beinahe nackter Ureinwohner aus Südamerika tanzen im Kreis. Arme und Köpfe der Männer schmücken bunte Federn. Mit einem Fuß stampfen die Männer im Takt, so dass die Perlen an den Fußrasseln aufeinandertreffen. Dazu jaulen alle laut durcheinander. So zeigte eine Dokumentation von Roland Garve im Norddeutschen Rundfunk den Stamm der Waura. Als Klaus Sterba das sah, stand für ihn fest, das Spektakel einmal mit eigenen Augen sehen zu wollen. Der 69-jährige Fürstenfeldbrucker ist im Landkreis vor allem durch den Karateverein Budokan bekannt und interessiert sich schon seit seiner Jugend für indigene Völker. Anfang August reiste er dann zusammen mit Garve und Sepp Köpf, einem Hängemattenhersteller und Forscher aus Füssen, in den Park Indigena do Xingu im brasilianischen Bundesstaat Mato Grosso zu den Wauras. Es war kein Urlaub, sondern Abenteuer, denn: "So eine Reise kann man als normaler Tourist ja nicht machen."

Da der Stamm unter dem Schutz der brasilianischen Indigenen-Behörde Funai steht, bedarf es der richtigen Reisebegleiter oder des nötigen Kleingelds, um überhaupt in das Gebiet zu dürfen. Auf Sepp Köpf war Sterba bei seiner Recherche nach einer Brasilienreise mit seiner Frau gestoßen und hatte ihn kontaktiert. Die beiden konnten dann mit Hilfe von Roland Garve, der als Zahnethnologe und Filmemacher schon mehrere Male in dem Nationalpark gewesen war, ihre Reise in das geschützte Territorium beginnen. Nach der Ankunft in Brasilia ging es weiter, drei Tage lang mit Bus, Boot und einer aufregenden Fahrt bei 80 Stundenkilometern auf der Laderampe eines Lastwagens bis ins Dorf Wauja.

Das Dorf ist das größte im Xingu-Gebiet, wie das Areal um den Rio Xingu genannt wird. Dort wohnen 500 der 700 noch lebenden Nachkommen des Waura-Stammes. Die Zahl mag gering erscheinen, doch 1984 waren es sogar nur noch 200 Einwohner, die eine von hellhäutigen Eindringlingen eingeschleppte Grippewelle überlebt hatten. Der direkte Kontakt zu Menschen ist nur eine Gefahr, die den Bestand der Indigenen bedroht. Auch der Einfluss von Fernsehen und Internet ist laut Sterba für die Weitergabe von Tradition und Habitus störend. Am schlimmsten ist jedoch die landwirtschaftliche Nutzung, die sich angrenzend an den Nationalpark, in dem die Wauras wohnen, immer mehr ausdehnt. Riesige Sojafelder entstehen und brauchen Unmengen Wasser. Deswegen war ein 7,6 kilometerlanger Staudamm geplant, um die Bewässerung zu sichern. Dessen Bau konnte allerdings in letzter Minute verhindert werden. Nicht nur, dass dafür ein großer Teil Urwald hätte abgeholzt werden müssen, auch wäre dann das Wasser für die Ureinwohner knapp geworden. "Das Wasser ist die Lebensgrundlage der Einwohner des Dorfes", betont Klaus Sterba, denn die Xingu-Indigenen ernähren sich hauptsächlich von Maniok und Fisch.

Für ihre Versorgung wenden die Ureinwohner viel weniger Zeit auf als der Durchschnittsmensch aus der westlichen Welt. Gerade einmal ein bis vier Stunden am Tag gehen sie fischen, reparieren Dinge oder putzen. Den Rest des Tages nutzen sie ihre Freizeit für Sport und Spaß. "Das hat mir wirklich imponiert", so Sterba . Es sei keineswegs so, dass die Ureinwohner des Dorfes Wauja nicht über westliche Gewohnheiten Bescheid wüssten, doch sie haben keine Lust sich anzupassen. "Alle besitzen zwar Fernseher und Handys, aber nur um Dokumentationen und Nachrichten zu schauen. Sie verpönen Weiße, unsere Lebensweise widerspricht ihrer Kultur", erzählt der Brucker Abenteurer.

Was sich die Indigenen am Rio Xingu, der durch den Park fließt, beibehalten haben, sind vor allem die vielen Riten und traditionellen Feste, die sie feiern. Als Klaus Sterba und seine zwei Begleiter in dem Dorf ankamen, waren die Bewohner gerade mitten in den Vorbereitungen für das Totenfest "Kwarup". Jedes Jahr im August oder September werden verstorbene Häuptlinge oder ehrenhafte Personen drei Tage lang mit einem brausenden Fest verabschiedet. In der Vorbereitungszeit gibt es weniger Freizeit als sonst, denn dann brauchen die Einwohner jede Minute. Schließlich werden sechs Stämme aus der Umgebung zu Besuch kommen und es ist Tradition, dass sich der Gastgeber um Anreise und Verpflegung kümmert. Viele kommen mit Jeeps oder Motorrädern und die 40 Zentner Fisch, die für die Gäste gefangen wurden, werden mit Strom vom Generator gekocht. Da Diesel teuer ist, sind die Wauras ganz glücklich darüber, dass Weiße, die in das Dorf kommen, dafür viel Geld zahlen müssen und, wie die drei Deutschen, auch noch ein paar Fässer Kraftstoff dabei haben. Wohl auch deswegen wurde sie mit Tanz und Gesang begrüßt. Auf Einladung des Häuptlings, durften sie bei dessen Sohn in der Hütte schlafen.

Los geht es am ersten Tag mit der Geisteraustreibung. Bei trockenen 47 Grad tanzen jeweils zwei Flötenspieler mit zwei Begleiterinnen von Haus zu Haus. Die Instrumente sind aus Holz geschnitzt und erinnern mehr an Didgeridoos als an Blockflöten. Zu dem monotonen Singsang stampfen sie rhythmisch mit den Füßen auf den Boden. Anschließend folgt die Waschung. Danach dürfen die Feiernden ihre Kleidung komplett ablegen und es geht weiter mit der Beweinung der Toten. Die beginnt abends und dauert die ganze Nacht. Sicher tut in der Zeit niemand ein Auge zu, denn alle jaulen auf einmal durcheinander, zwar monoton, aber jeder in seiner Stimmlage. Erst wenn der Morgen graut, folgt der nächste Teil der Totenehrung. Um sechs Uhr beginnen die Männer mit dem Ringkampf "Huka Huka". Es geht dabei nicht darum, wer gewinnt oder verliert, der Hintergrund ist rein spirituell.

Es treten die zehn besten jedes geladenen Stammes gegeneinander an. Danach folgen die Jugendlichen und dann die Kinder. Zu Beginn hocken sie sich gegenüber und ahmen die Rufe des Jaguars nach: "Huka Huka". Nachdem einer den anderen zu Boden gebracht hat, erklärt ein Schiedsrichter den Kampf für beendet. "Die genauen Regeln habe ich aber bis zum Schluss nicht kapiert", erklärt der Karatesportler Sterba. Das Ende des Festes bedeutete auch Zeit für die Abreise. Klaus Sterba verteilte am Abend des dritten Festtages seine Gastgeschenke auf einer Decke inmitten des Dorfplatzes: T-Shirts, Sticker, Messer, Malbücher. Er konnte gar nicht so schnellschauen, wie die Kinder nach den Geschenken griffen. Seine Hose und der leere Koffer gingen an den Häuptling.

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