Kabarett:Zertrümmerte Weihnacht

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Altinger präsentiert sich wie gewohnt: Deftig, bayerisch, überzogen, respektlos, aber immer saukomisch. (Foto: Günther Reger)

Michael Altinger läuft in Gröbenzell zur Höchstform auf

Von Edith Schmied, Gröbenzell

Wenn Michael Altinger sich seine "Heilige Familie" und Weihnachten vornimmt, dann wissen Eingeweihte was sie erwartet. Wer nach diesem Abend im Gröbenzeller Stockwerk dem Fest der Liebe noch freudig entgegenfiebert, der ist selbst schuld, dem ist nicht mehr zu helfen. Denn da wird querbeet alles durch den Kakao gezogen, was nur annähernd mit zauberhafter Stimmung, liebevoll eingepackten Geschenken, Christkind und Engeln zu tun hat. Altinger macht das wie gewohnt: Deftig, bayerisch, überzogen, respektlos, aber immer saukomisch. Er feixt, muss oft genug über sich selbst lachen, über den Schmarrn den er da verzapft.

Neuerdings scheut sich der Comedian nicht, seine Abende mit Gesangseinlagen aufzupeppen. Eins steht fest: Ein begnadeter Sänger ist Altinger nicht, eher einer von der Sorte begnadigt. Er gleicht das mit vollem Körpereinsatz aus, gibt als Bauchtänzer die "lebende Acht", windet und verbiegt sich, und erfüllt so die schrägen Texte mit Leben. So eingängig und schmalzig können die Lieder gar nicht daherkommen, als dass sie nicht irgendwann punktgenau im Chaos und damit im richtigen Leben enden. Dort wo aus zuckersüßem Klingeling unterm Weihnachtsbaum der Streit um die Geschenke losgeht, Kind und Eltern um die Spielerlaubnis für die Parkgarage für Matchboxautos kämpfen.

Eines der vielen Puzzleteile, die Altinger an diesem Abend auspackt, ist zum Beispiel seine ganz spezielle Version der "Heiligen Geschichte". Sie ist modern und ziemlich handfest, Altinger eben. Da tummelt sich der "Globerl", der Erzengel Gabriel, dazu kommen der bremsige Heilige Geist und Josef - er war als erster Mann bei der Geburt seines Sohnes dabei - und natürlich Maria, die heute locker als Leihmutter abkassieren könnte: "Der Messias, des wär' ein ordentlicher Tarif", scherzt Altinger. Statt Ochs und Esel hätten wir heute Arzt und Hebamme, was nicht unbedingt von Nachteil sein müsse. Nazareth liegt sowieso ganz nah bei Altingers fiktivem Heimatdorf, Strunzenöd, erfährt das Publikum außerdem.

Für die Pausenansage und das heraufbeschworene kollektive Weihnachtsfeeling lässt sich der Comedian einen besonderen Gag einfallen. "Ziagt's euch nackert aus", fordert er, "wenn i in zwanzig Minuten wiederkomm' will ich was sehn". Keiner der Zuhörer lässt sich animieren. Familienzwangsharmonie, Besinnungsstunden, "des kann ganz schön fad sein", und in Fress- und Sauforgien enden, Erlebnisgutschein von Jochen Schweitzer statt gemeinschaftlichem Kirchgang, die Ergriffenheit am "Heiligen Abend", der sich weder die Silberfische im Bad, noch Hamster und Hund entziehen können. Altinger lässt nichts aus, was auch nur annähernd zum Thema passt. War da nicht noch was? Ach, ja, das große Fressen. Wer wie Altinger in seiner Jugend mit Weißwürsten und gelber Limo traktiert wurde, der entwickelt ein spezielles Verhältnis zum reichlich gedeckten Festtagstisch. Raclette, Fondue, heißer Stein - die totale Reizüberflutung, das fördere nur den Futterneid. Der Sättigungsgrad sei nicht das Kriterium, sondern der erste Platz das Ziel. Bei Altinger hört sich das so an: "Ich hab' mir's gut gehen lassen, i hab' hinterher gschbibn".

Eher im Hintergrund hält sich der Mann am Keyboard und der Gitarre, Julius Faber. Unauffällig untermalt er den ganzen Abend Altingers Wortkaskaden. Es reicht ja auch, wenn einer so richtig auf die Pauke haut.

© SZ vom 12.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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