Kabarett-Wettbewerb:Stand-Up-Comedy und Selbstironie

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Bei der zweiten Vorrunde des Paulaner Solo+ Wettbewerb haben die beiden Sieger mit klaren, aber unterschiedlichen Strategien Erfolg. Auch ein Lokalmatador überzeugt mit seinem Auftritt, kann sich aber nicht durchsetzen

Von Valentina Finger, Fürstenfeldbruck

Es waren zwei klare Strategien, die sich bei den Kandidaten der zweiten Runde des Kabarett-Wettbewerbs Paulaner Solo+ am vergangenen Freitag beobachten ließen: Die einen setzten in ihren Stand-up-Comedy-Nummern auf Selbstironie. Die anderen hielten sich an das Musik-Kabarett, mal improvisiert unter Einbeziehung des Publikums, mal mit ausgeklügelten Texten. Beide Konzepte wurden schlussendlich von Erfolg gekrönt: Als Sieger der zweiten Vorrunde ziehen die Solo-Komödiantin Ingrid Kühne alias "De Frau Kühne" und das Vokalensemble "Vocal Recall" in das Finale ein. Damit treten sie am 23. Oktober im Fürstenfeldbrucker Stadtsaal beim Finale des Wettbewerbs gegen Franziska Wanninger und Stefan Leonhardsberger an, die sich bei der ersten Vorrunde dafür qualifizieren konnten.

De Frau Kühne stellte sich nicht nur als Favoritin der Jury, bestehend aus der Künstler-Agentin Rosa Wagner, Sylvia Ottes vom Münchner Kulturreferat und dem Schauspieler Winfried Frey, sondern auch als Siegerin des Publikumvotums heraus. Zu Recht, denn bei der Nummer der Karnevalsrednerin aus Xanten am Niederrhein jagte ein verdienter Lacher den nächsten. Mit merklichen, aber nicht dominierenden Anklängen an Cindy aus Marzahn schwadroniert sie über die Tücken ihres Alltags. Allem voran jedoch steht das Offensichtliche: De Frau Kühne ist nicht schlank, vollschlank höchstens, und weil das nicht zu übersehen ist, macht sie sich selbst und dem Publikum in herrlich selbstironischer Manier einen Spaß daraus.

Ebenfalls mit Selbstironie punktete Simon Pearce: Der gebürtige Puchheimer ist der Sohn eines Nigerianers und einer Volksschauspielerin, eine Mischung, die er einzusetzen weiß. Sowie er mit urbairischem Dialekt zur dunklen Haut startet, hat er das Publikum gewonnen und so traurig es ist, dass Rassismus für Pearce zum Alltag gehört, so gelungen thematisiert er dies in seinem Programm. Aufs Köstlichste verdreht er das Klischee des Schwarzen, wenn er erzählt, wie er immer ein richtiger "Neger" sein wollte, für die typischen Gangster-Dinge aber zu gut erzogen sei: So malt er Graffiti mit Wasserfarben - leichter abwaschbar -, recycelt Zigaretten und betont auf liebenswerte Art, dass die Hautfarbe eben nicht ausreicht, um auf den Charakter eines Menschen zu schließen.

Dass Pearce am Ende nicht zu den Gewinnern gehört, ist verwunderlich. Schließlich trifft er mit seiner Person und seinen Themen genau den Nerv der Zeit. Mit Vocal Recall ist allerdings auch der musikalische Aspekt des Kabaretts im Finale vertreten: Die vier Berliner dichten bekannte Lieder treffsicher in deutsche Sprache um, wobei die phonetische Ähnlichkeit der Worte oft erhalten bleibt. Aus "Uptown Girl" wird mit "Abtauen, Girl" eine Gebrauchsanweisung für den nicht mehr funktionierenden Kühlschrank und der schnelle Wechsel zwischen klassischen Stücken, Pop-Ohrwürmern und Rap-Einlagen wird gepaart mitprofessionell ausgebildeten Stimmen.

Eine Profi-Ausbildung hat auch der vierte Kandidat des Abends vorzuweisen: Der Kölner Manuel Wolff hat Musikwissenschaft studiert, bevor er sich dann für das Musik-Kabarett entschied. Wolffs Darbietung am Klavier ist ein Impro-Theater der ganz besonderen Art: Um eine eigene Version des Eurovision Song Contests zu inszenieren, ruft er die Zuschauer auf, sich Herkunftsland, Namen, Songtitel und Musikstil der imaginierten Teilnehmer auszudenken. Dabei entstehen unter nicht mehr abklingendem Gelächter Kreationen wie der japanische Tango-Schlager-Star Tamagotchi mit seinem Hit "Sushi". Gewonnen haben weder Tamagotchi noch Wolff. Doch hätte es einen Preis für die beste Interaktion mit dem Publikum gegeben, Manuel Wolff hätte ihn absolut verdient.

© SZ vom 20.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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