Jesenwang:Gefährliches Schönwetterhobby

Immer wieder ist es am Sonderflugplatz Jesenwang in den vergangenen Jahrzehnten zu folgenschweren Unfällen gekommen. Mit dem tragischen Unglück vom vergangenen Samstag erhöht sich die Zahl der Todesopfer auf sechs. Die Ursache des jüngsten Absturzes ist noch ungeklärt

Von Gerhard Eisenkolb, Jesenwang

Es kann noch Wochen dauern, bis die Ursache für den tödlichen Flugzeugabsturz am Samstagabend kurz vor Sonnenuntergang in unmittelbarer Nähe des Sonderlandeplatzes bei Jesenwang geklärt ist. Laut einem Sprecher des Polizeipräsidiums Oberbayern wird es nämlich einen längeren Zeitraum in Anspruch nehmen, bis das entsprechende technische Unfallgutachten von Experten des Luftfahrtbundesamts vorliegt. Vorher wollen sich die Ermittler nicht zur Absturzursache äußern. Selbst wenn die Gutachter bei dem Ultraleichtflugzeug einen Motorschaden bestätigen sollten, wofür ein Funkspruch des Piloten über Motorprobleme spricht, bekräftigte der Augenzeuge des Unfalls und Flugplatzbetreiber Maximilian Walch am Montag seine Vermutung, dass zusätzlich zu einem technischen Defekt noch ein Pilotenfehler vorliegen müsse.

Laut Walch meldete der von einem Rundflug zurückkehrende Pilot nach einer Platzrunde einen Motorschaden. Er habe deshalb um Landeerlaubnis gebeten, was ihm sofort gestattet worden sei. Um den Flugplatz zu erreichen, musste der Flugzeugführer allerdings eine "Umkehrkurve" um 180 Grad fliegen. Für ein solches riskantes Manöver sei das Ultraleichtflugzeug jedoch schon zu langsam gewesen. Es sei deshalb zuerst ins Trudeln geraten und dann abgestürzt. Der Fehler des Piloten habe, so Beobachter Walch, darin bestanden, dass er mit sehr geringer Geschwindigkeit eine sehr enge Kurve in geringer Höhe fliegen wollte. Statt zu versuchen, noch die etwa 600 Meter entfernte Startbahn zu erreichen und dort zu landen, hätte der Pilot geradeaus weiterfliegen und im Gleitflug, für den keine Unterstützung durch einen Motor nötig sei, auf einer Wiese oder einem Acker aufsetzen sollen. Für eine solche Außenlandung hätte für das Flugzeug vom Typ "Breezer" eine hundert Meter lange Strecke genügt. Sich bei einem Triebwerksausfall so zu verhalten, werde jedem Flugschüler in der Ausbildung "eingetrichtert", sagt der Jesenwanger Walch. Der Unfall mit zwei Toten, neben dem 50 Jahre alten Piloten aus dem Raum Augsburg saß noch dessen Frau in der Maschine, hätte laut Walch also vermieden werden können.

Noch handelt es sich bei dieser Einschätzung des Flugplatzbetreibers zum Geschehens vom Samstagabend nur um eine Vermutung, die nicht durch Ermittlungen von Flugunfallexperten des Luftfahrtbundesamts oder Aussagen der Polizei gedeckt ist. Aber Maximilian Walch, der selbst Fluglehrer ist, sieht gewisse Parallelen zu einem ähnliche verlaufenen Absturz eines Ultraleichtflugzeugs im Anflug auf seinen Platz am 1. Mai des Jahres 2007. Damals hatte ein Pilot ebenfalls wegen eines technischen Defekts seinen Landeanflug unterbrochen. Als der Mann über dem westlich vom Sonderlandeplatz gelegenen Wald zu einer Notlandung im Außenbereich ansetzte, sei seine Maschine bei einer Flugkurve ebenfalls plötzlich abgeschmiert, in den Wald gestürzt und dort ausgebrannt. Die beiden Insassen, zwei Männer, verbrannten damals in der Maschine.

Ebenfalls an einem 1. Mai war ein weiteres Ultraleichtflugzeug vor 15 Jahren in der Nähe des Flugplatzes abgestürzt. Dabei erlitt einer der beiden Piloten in dem Doppeldecker lebensgefährliche Verletzungen. Die Maschine hatte nach dem Start nicht schnell genug an Höhe gewonnen und deshalb in dem westlich der Startbahn gelegenen Wald mehrere Baumwipfel gestreift. Im August 2011 verletzte sich der Pilot eines Ultraleichtflugzeugs bei einem Absturz ebenfalls lebensgefährlich. Der 38 Jahre alte Mann konnte jedoch noch rechtzeitig mit dem Fallschirm abspringen, bevor seine Maschine bei Jesenwang auf dem Gelände einer Kiesgrube zerschellte und ausbrannte. Da der Pilot zuvor per Funk Motorprobleme meldete, nahmen die Ermittler damals einen Motorschaden an.

Die Bürgervereinigung Fluglärm (BI) dokumentierte für die Zeit von der Eröffnung des Sonderlandeplatzes 1968 bis zum Jahr 2007 insgesamt 22 Flugunfälle mit vier Toten und zehn Verletzten im näheren Umfeld von Jesenwang, wobei es sich bei acht Unfällen um Abstürze handelte. Mit den zwei Toten vom Samstag sind es damit sechs. Der erste Unfall mit zwei Toten hatte sich in den Achtzigerjahren ereignet. In dieser inoffiziellen Statistik werden auch sieben Notlandungen aufgeführt.

Solche Statistiken führt die BI schon lange nicht mehr. Und sie hat auch die Bemühungen eingestellt, den vor allem wegen des Lärms unerwünschten Sonderlandeplatz zu bekämpfen. Weil sie nichts erreichen und vor allem das Luftamt der Regierung von Oberbayern nicht umstimmen konnte, hat sich die BI inzwiwchen mit dem Platzbetreiber arrangiert, sagt Vorsitzender Michael Acker. Einmal im Jahr trifft man sich mit dem Maximilian Walch zum Gedankenaustausch. Acker begrüßt Acker den Trend zu den leiseren Ultraleichtflugzeugen ausdrücklich. Laut Statistischem Bundesamt nahm 2014 die Zahl der Flugbewegungen in Jesenwang um zwölf Prozent auf insgesamt 35 980 Starts und Landungen zu. Davon waren 10 222 gewerblicher Art. In diese Kategorie fallen auch Rund- und Schulungsflüge. Aktuellere Zahlen liegen nicht vor. Der Platz erreicht laut Walch die Kapazitätsgrenze.

Letzte Klarheit über die Identität der beiden Insassen der Unglücksmaschine vom Samstag brachte am Montag die Obduktion der Leichen im rechtsmedizinischen Institut in München. Wie vermutet, handelte es sich bei den Toten und einen 50-jährigen Mann aus dem Raum Augsburg und dessen ein Jahr jüngere Ehefrau.

Wie zuvor am Sonntag ruhte auch noch am Montag, also am zweiten Tag nach dem schweren Unfall, der Flugbetrieb in Jesenwang fast noch ganz. Ließen am Sonntag viele Piloten bei idealem Flugwetter ihre Maschinen in den Hallen stehen, so war das ein Zeichen der Trauer und eine erste Reaktion auf den tödlichen Absturz. Auf dem Sonderlandeplatz, der nicht wie ein regulärer Flugplatz zu festgelegten Betriebszeiten geöffnet sein muss, sind zurzeit 120 Flugzeuge stationiert, von denen etwa 80 zur Kategorie der Ultraleichtflugzeuge gehören. Am Montag wurden laut Flugplatzbetreiber Walch dagegen fast alle Buchungungen wegen des Regenwetters kurzfristig abgesagt. Flugsport, wie er überwiegend in Jesenwang betrieben wird, ist eben ein Schönwetterhobby.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: