Jahrzehnte nach der NS-Herrschaft:Schöngeising würdigt KZ-Opfer

Ein Stolperstein wird an die Deportation der jüdischen Malerin Johanna Oppenheimer im Jahr 1942 erinnern

Von Manfred Amann

Johanna oppenheimer:

23 Jahre lebt Johanna Oppenheimer in Schöngeising. 1942 deportieren die Nazis die Jüdin ins KZ Theresienstadt, wo sie Ende Dezember stirbt.

(Foto: stadtmuseum ffb)

"Johanna Oppenheimer - Schicksal und Werk einer jüdischen Malerin": Unter dieser Überschrift hatte das Stadtmuseum Fürstenfeldbruck zum Ende 1998 die Lebensleistung der Künstlerin gewürdigt, die von 1919 bis 1942 in Schöngeising lebte und später im Konzentrationslager Theresienstadt ums Leben gekommen ist. Eher zufällig im Jahr, in dem die Ampergemeinde ihre erste urkundliche Erwähnung vor 1250 Jahren feiert, wird die damals einzige jüdische Bürgerin in Schöngeising erneut besonders geehrt: Vor ihrem letzten Wohnsitz, dem Scherrerhaus in der Ortsmitte neben dem Rathaus, wird am Dienstag, 10. September, um 16 Uhr vom Künstler Gunter Demnig ein so genannter Stolperstein in den Weg eingelassen. Darauf wird zu lesen sein: "Hier wohnte Johanna Oppenheimer, JG 1872, zwangsweise umgesiedelt. 1942 München Sammellager Milbertshofen, Deportiert 1942 Theresienstadt. Tot 23.12.1942." Verlegt wird der Stolperstein von dem Kölner Künstler Gunter Demnig, dessen Idee europaweit Anklang gefunden hat.

Den Antrag der SPD-Fraktion hatte der Gemeinderat im Dezember vergangenen Jahres einstimmig abgesegnet. "Ich finde das in Ordnung", erklärte CSU-Bürgermeisterin Marianne Hofmuth auf Anfrage. In mehreren Landkreisgemeinden sind Straßen nach der Malerin benannt, und im Schöngeisinger Rathaus hängt ein Bild von ihr. Laut SPD-Gemeinderat Gerhard Gauck kommt der Stolperstein-Vorschlag von der Kreisheimatpflegerin für Architektur, Susanne Poller, die in Schöngeising wohnt. Johanna Oppenheimer stammte aus einer großbürgerlichen, vermögenden Familie. Sie erblickte am 17. Juli 1872 in Frankfurt am Main das Licht der Welt. Drei Jahre später zog die Familie nach Würzburg, über Johannas Jugendzeit ist wenig bekannt. Im Jahre 1900 zog sie nach München und besuchte die Malschule des Künstlerinnenvereins. 1917 wurde ihr die bayerische Staatsangehörigkeit zuerkannt und 1919 ließ sie sich in Schöngeising nieder, dem Ort, der ihr aufgrund der schönen Lage im Ampertal zahlreiche Motive für ihre Malerei lieferte. "Sie war im Zeitalter der Industrialisierung der städtischen Hektik wohl überdrüssig", so eine Mutmaßung im Katalog des Stadtmuseums anlässlich der Ausstellung vor 14 Jahren.

Bis 1923 wohnte die zierliche Künstlerin mit ihrer Freundin Else Hoffmann, Konzertsängerin und Lautistin, in der Orlando-di-Lasso-Straße. Nach dem Tod von Heinrich Scherrer, dem Wiederentdecker des deutschen Volksliedes und dem Verfasser der Gitarrenbegleitung "Zupfgeigenhansl", zogen die beiden in dessen Haus, in dem heute die Gemeindeverwaltung untergebracht ist. Scherrer, Hoffmann und Oppenheimer verband zeitlebens eine innige Freundschaft. Ein Porträt von Scherrer entstand kurz vor dessen Tod 1937. Überlieferungen nach bildeten die drei Künstler bis zu Scherrers Tod eine Art Lebensgemeinschaft, die mit dem dörflichen Leben sehr verbunden war. Scherrer engagierte sich für die musikalische Bildung und die Malerin begeisterte die Dorfjugend fürs Malen und unterrichtete sie in Englisch und Französisch. Johanna Oppenheimer liebte die Menschen und die Schöngeisinger Amperlandschaft. Mit ihren Ölgemälden porträtierte sie ihre Neffen, Nichten, Nachbarskinder, Freunde und Schöngeisinger.

Zu ihrem Gesamtwerk gehören aber auch etliche Landschafsbilder und Ortsansichten. Gerne malte die Künstlerin auch Stillleben. Mit dem Terror der NS-Herrschaft ging Oppenheimers Schaffenszeit zu Ende. Als einzige Jüdin im Amperdorf musste sie den gelben Stern sichtbar tragen und wurde fortan von der Gemeinschaft ausgeschlossen. Sie durfte ihren Beruf nicht mehr ausüben, kein öffentliches Verkehrsmittel benutzen, keinen deutschen Arzt aufsuchen, nur noch eine Stunde am Tag das Haus verlassen und vor allem keinen Kontakt mit sogenannten Ariern aufnehmen. Am 29. März 1942 musste sich Johanna Oppenheimer im Sammellager Milbertshofen einfinden. Am 23. Dezember ist sie im Konzentrationslager Theresienstadt angeblich an einer Ruhrerkrankung gestorben. Der erst vor kurzem ins Leben gerufene Schöngeisinger Kulturverein lädt am Tag der Stolperstein-Verlegung um 19.30 Uhr zu einer Lesung "Schwarze Milch in der Frühe - Literatur aus dem Lager" ins Bürgerhaus ein.

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