500 Jahre Reformation:Verbindlich verbindend

Im Bürgerhaus stellen Künstler ihre Werke aus, die sich mit der Reformation beschäftigen. Vor der Tür wird buchstäblich ein ökumenischer Bogen geschlagen von der katholischen zur evangelischen Kirche

Von Valentina Finger, Gröbenzell

Dass verschiedene Glaubensrichtungen in einem ökumenischen Miteinander aufeinandertreffen, ist Pater Thomas Payappan nicht fremd. Seit Oktober ist der im indischen Kerala geborene Geistliche der neue Pfarrer der katholischen Gemeinde von Sankt Johann Baptist in Gröbenzell. In Indien, sagt er, existiere Ökumene im großen Stil: "Dort, wo ich herkomme, leben Hindus, Muslime, Buddhisten und Christen zusammen. Manchmal gibt es Reibungen, aber im Grunde ist alles friedlich."

Da passt es, dass das erste Projekt in seiner Amtszeit mit der Gröbenzeller Nachbargemeinde der evangelisch-lutherischen Zachäuskirche unter Pfarrerin Christine Drini die Zusammengehörigkeit aller Gläubigen zelebriert: "Divergenzen - Konvergenzen" heißt die Ausstellung des Gröbenzeller Arbeitskreises Ökumene, in der das aktuelle Jubiläum 500 Jahre Reformation künstlerisch aufgegriffen wird. Statt einer Spaltung der Kirche durch die Reformen Martin Luthers stellt jene die Gemeinsamkeiten von katholischen und evangelischen Christen in den Mittelpunkt. Das Kreuz als gemeinsames Symbol dominiert einen Teil der insgesamt 19 Kunstwerke im Bürgerhaus, die zehn Künstler aus Gröbenzell und Umgebung für die Ausstellung geschaffen haben. Bei Konstanze Funke manifestiert es sich in Speckstein, unauslöschlich eingemeißelt in die Ordnung der Welt als Erkennungszeichen des Christentums. Zwei Hälften, die eins werden, zeigt Hans J. Hönninger in einem violett-gelben Acrylkreuz. Zu jeder Seite gehören zahlreiche Ausläufer, die daran erinnern mögen, dass Kirche kein fertiges Konstrukt, sondern etwas von Individuen Gemachtes ist. Den Fokus auf Individualität legt auch Irene Nestler mit vielen kleinen Kreuzdarstellungen. Mal mädchenhaft rosa, mal nur als Umriss, mal collagiert und mal sogar als Comic stehen jene Kreuze für individuelle Gottes- und Glaubensvorstellungen.

Gröbenzell: 500 JAHRE REFORMATION / Ausstellung + Gottesdienst

Engelsgleiche Skulpturen von Irene Nestler.

(Foto: Johannes Simon)

Dass die Werke, so wie es auch das Anliegen der Ökumene ist, miteinander in Dialog treten, lässt sich exemplarisch an den so unterschiedlichen Kreuzen von Karin Piede und Agnieszka Jagodzinska-Kapfer veranschaulichen. Piede verwendet mitunter schrill-pinke Wolle und schafft eine Art Modernisierung des religiösen Symbols, das zu Offenheit für Außergewöhnliches aufzurufen scheint. Jagodzinska-Kapfers hängende Installation hingegen blickt mit befleckten Tüchern zurück auf die Leiden Jesu Christi als Ausgangspunkt des Christentums. Dort treffen Sinn für Tradition und Aufgeschlossenheit für Neues aufeinander, die in der Form des Kreuzes schließlich zu Einem werden.

Anhand eines weiteren christlichen Symbols, des Fischs, führt Markus Heller Katholiken und Protestanten zusammen. In einem Gemälde schwimmen alle miteinander, in einem anderen als wirrer Haufen gegeneinander. In einem dritten, betitelt "Reformation", gleiten verschieden gefärbte Fische gemeinsam in einem multireligiösen Schwarm. Außerdem stammt von Heller noch eines der eindrucksvollsten Exponate: In der Installation "Am Anfang war das Wort" erheben sich immer deutlicher als Tauben erkennbare Faltungen aus einem Papierstapel in die Lüfte. Luthers Bibelübersetzung und der zeitnah erfundene Buchdruck machten die Heilige Schrift allen Menschen zugänglich. Jene Verbreitung des Göttlichen vom Buch in die Welt visualisiert Hellers Werk auf effektvolle und handwerklich bemerkenswerte Art und Weise.

Gröbenzell: 500 JAHRE REFORMATION / Ausstellung + Gottesdienst

Das Tuchkreuz von Agnieszka Jagodzsinska-Kapfer.

(Foto: Johannes Simon)

Eine weitere Großinstallation stammt von Michaela Friedrich. Drei hölzerne Hochstühle stehen für Plätze, auf denen man Gott noch näher kommt. Ob sich die Idee auf tatsächlichen Gottesglauben oder auf die gottesgleiche Selbstüberhöhung des Menschen bezieht, bleibt ganz bewusst offen. Die Nähe der beiden christlichen Kirchen zueinander herauszuarbeiten ist den Künstlern in jedem Fall gelungen. "Was uns vereint, ist viel stärker als das, was uns trennt", sagt auch Payappan. Im Idealfall, so fügt er hinzu, werde es diese Trennung der Christen irgendwann nicht mehr geben.

Erste Schritte dahin können draußen vor dem Bürgerhaus gemacht werden: Dort verbindet ein schmaler, bunter Streifen auf dem Boden die Eingangstüren der katholischen und evangelischen Kirche, in denen weitere Kunstwerke ausgestellt sind. Die Gotteshäuser stehen zu beiden Seiten des Gröbenzeller Rathausplatzes, an dem mit der Ausstellung die Einheit gefeiert wird. Was physisch so nah beisammen ist, ist sich vielleicht auch geistig bald gar nicht mehr fern.

Die Ausstellung "500 Jahre Reformation: Divergenzen - Konvergenzen" im Gröbenzeller Bürgerhaus ist noch Montag, 9. Oktober, täglich von 11 bis 19 Uhr geöffnet.

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