Internationaler Frauentag:Der Traum von der Gleichberechtigung

Die Bilanz an diesem 8. März fällt eher ernüchternd aus. Immer noch machen Männer viel schneller Karriere und verdienen deutlich mehr Geld. Immerhin gibt es ein paar ermutigende Signale: So bedarf es im Germeringer Stadtrat keiner Quote mehr

Von Julia Bergmann, Fürstenfeldbruck

Alles wird gut. Aber erst im Jahr 2490. Dann nämlich werden Männer und Frauen gleichberechtigt miteinander leben. Ausgerechnet hat das eine Teilnehmerin der dritten Weltfrauenkonferenz 1985 in Nairobi auf Basis von UN-Statistiken. Und auch Renate Konrad, die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Germering, führt, angesprochen auf die Geschlechtergerechtigkeit im Landkreis, diese Jahreszahl ins Feld. Soll heißen, auch wenn Frauen 2016 wählen, arbeiten und Hosen tragen dürfen, ohne einen Skandal loszutreten, gibt es, was die Gleichberechtigung der Geschlechter angeht, noch einiges zu tun. Obwohl es fast so aussieht, als müsse Germering nicht mehr ganz bis 2490 warten.

"Über die Hälfte des Stadtrats besteht aus Frauen", sagt Konrad. Von den 44 Stadträten sind 23 weiblich. Und damit sorgt Germering auch auf bayernweiten Treffen von Gleichstellungsbeauftragten immer wieder für Aufsehen, erzählt Konrad. Zum Vergleich: In der Stadt Fürstenfeldbruck sind nur neun von 41 Stadträten Frauen. Im Kreistag sitzen 52 Kreisräte und 18 Kreisrätinnen. Im Landkreis gibt es lediglich zwei Bürgermeisterinnen. "Das wäre also schon ausbaufähig", meint auch Annemarie Fischer, Gleichstellungsbeauftragte des Landkreises. Warum es in Germering im Stadtrat mit den Frauen so gut läuft? Da kann Konrad auch nur mutmaßen. Gut vernetzt seien die Germeringerinnen wohl. Und viele hätten das Bedürfnis, in die Politik zu treten und ihre Erfahrungen schließlich in Mentoring-Programmen weiterzugeben. Dabei gibt es Frauen-Netzwerke landkreisweit. Sogar eine ganze Menge, sortiert nach den unterschiedlichsten Interessenslagen: Die Germeringer Fraueninitiative etwa, oder den Olchinger Frauentreff, die sich unabhängig von politischer oder religiöser Zugehörigkeit für die Rechte und Interessen von Frauen einsetzen. Dann gibt es die konfessionell gebundenen wie den Deutschen Katholischen Frauenbund. Und es gibt die nach Berufssparten sortierten, wie die Landfrauen oder aber die parteilich gebundenen wie die Frauenunion, die Liberalen Frauen oder die Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen. Nur die Grünen tanzen aus der Reihe. Sie verzichten bewusst auf einen Frauenverband. Männer und Frauen arbeiten gleichermaßen und gemeinsam am Themenbereich Geschlechterpolitik - und das nicht nur zum internationalen Frauentag oder zum Equal-Pay-Day hin, sondern auch den Rest des Jahres, wie der Homepage zu entnehmen ist.

One billion rising

Ausgelassene Stimmung: Beim Tanz-Event One Billion Rising, setzen auch in Germering Frauen einmal im Jahr öffentlich ein Zeichen gegen Gewalt setzen.

(Foto: Günther Reger)

"Emanzipation ist immer eine Sache beider Geschlechter", betont Ingrid Jaschke, Sprecherin des Grünenkreisverbands Fürstenfeldbruck. Obwohl das natürlich nicht alle Männer so sehen. "Als Frau in der Politik ist meine Erfahrung, dass die politische Arbeit in den Gremien testosterongesteuert ist", sagt sie. "Man wird als Frau nach wie vor nicht so wahrgenommen, ernst genommen und wertgeschätzt." Jaschke sitzt sowohl im Olchinger Stadtrat als auch im Kreistag. Emanzipation im Landkreis? Zumindest in der Politik scheint 2490 für Fürstenfeldbruck in noch weitere Ferne zu rücken. "Vielleicht liegt's aber auch an meiner politischen Einstellung, die nicht so mainstream ist", relativiert Jaschke und bricht in schallendes Gelächter aus. Grüne und Frau gleichzeitig. "Das kann sich gegenseitig verstärken."

Also alles ganz schlimm im Landkreis? Ganz so einfach lässt sich die Frage nicht beantworten. Wer Kreis-Gleichstellungsbeauftragte Annemarie Fischer danach fragt, ob die Fürstenfeldbrucker in einer gleichberechtigten Gesellschaft leben, bekommt einerseits zu hören, dass Fürstenfeldbruck bayernweit einer der ersten Landkreise war, der überhaupt eine Gleichstellungsbeauftragte eingestellt hat. Andererseits bekommt er auch zu hören: "Auf dem Papier haben wir die Gleichberechtigung allerweil, aber ob es in den Köpfen schon angekommen ist, das bezweifle ich." Angekommen sei das unter anderem erst dann, wenn Männer und Frauen für ihre Arbeit den gleichen Lohn bekommen oder dann, wenn es selbstverständlich geworden ist, dass auch Männer Erziehungs- und Pflegeaufgaben übernehmen. Es gebe immerhin nicht wenige Männer, die sich gerne stärker um Familie und Kinder kümmern wollen, betonen sowohl Fischer als auch Konrad. Gleichberechtigung ist keine Einbahnstraße. "Die Rechte der Männer sind auch die Rechte der Frauen und andersherum. Für mich gibt es da keine echte Trennung", sagt Fischer. "Wir müssen daran arbeiten, dass wirklich jeder die gleichen Rechte hat". Bei vielen Arbeitgebern stoßen Männer, die sich um die Kindererziehung kümmern möchten, allerdings immer noch auf Unverständnis. Und die, die länger als die momentan üblichen zwei Monate Erziehungsurlaub nehmen, müssen Angst haben, im Job abgesägt zu werden.

Blumen und Brezen am Tag der Frau

Mit zwei Aktionen wollen die Grünen sowie die Stadt Puchheim auf den Internationalen Frauentag im Landkreis Fürstenfeldbruck aufmerksam machen. Die Grünen gehen dazu auf die Straße, genauer gesagt an den Bahnhof. Die Germeringer Bundestagsabgeordnete Beate Walter-Rosenheimer wird an diesem Dienstag, 8. März, von 7 Uhr an am S-Bahnhof Olching Brezen verteilen, die in Form des Venussymbols gebacken worden sind. Am Fürstenfeldbrucker Bahnhof übernimmt das der junge grüne Bezirks-, Kreis- und Stadtrat Jan Halbauer.

Die Stadt Puchheim nutzt den Weltfrauentag, um auf den fairen Handel und die zumeist schlechten Arbeitsbedingungen auf Blumenfarmen aufmerksam zu machen und verteilt deshalb am Dienstagvormittag von 10 bis 12 Uhr in der Stadtbibliothek fair gehandelte Rosen. Etwa 80 Prozent der Schnittblumen würden in Deutschland importiert, weil die heimische Produktion die Nachfrage nicht decken kann, heißt es dazu in einer Pressemitteilung. Fairer Handel könnte hingegen die Rechte der Blumenpflückerinnen auf den Farmen stärken. baz

Die große Hoffnung, dass die Geschlechtergerechtigkeit irgendwann Selbstverständlichkeit wird, ruht für viele auf den Schultern der nächsten Generation. "Ich glaube, die Jüngeren gehen mit Gleichberechtigung anders um", meint etwa Jaschke. "Es hat sich auch seit meiner Jugend vieles getan". Heute müssen Frauen nicht mehr die Einverständniserklärung ihres Mannes vorlegen, wenn sie Waschmaschinen kaufen wollen. Heute hat sich dank der Feministinnen der ersten drei Wellen der Frauenbewegung vieles geändert. Bereits 1850 setzten sich die sogenannten Sufragetten für das Frauenwahlrecht und das Recht auf Erwerbsarbeit ein. Während der Sechziger- und Siebzigerjahre waren das Recht auf körperliche Unversehrtheit oder aber das Recht auf Abtreibung große Themen. In den Neunzigerjahren gab es eine dritte große Welle der Frauenbewegung, die sich an Themen der zweiten Welle orientiert. "In der dritten Welle befinden wir uns immer noch", sagt Konrad.

Den Eindruck, dass es um die Feministinnen in den vergangenen Jahren still geworden ist, kann Konrad nicht vollständig teilen. Natürlich habe sich die Form des Protests, der Aktionen verändert. Auch das Leben der Frauen habe sich verändert, räumt Konrad ein. Neben Beruf, Haushalt und Kindererziehung fehle gerade den jungen oft die Zeit für regelmäßige Zusammenkünfte, meint auch Heike Lotterschmid, Vorstandssprecherin des Olchinger Frauentreffs. Vorwerfen könne man ihnen das nicht, findet sie. Die Bewegung sei trotz allem aktiv, findet Konrad und verweist auf die Frauenrechtsaktivistinnen von Femen. Die Gruppe richtet regelmäßig Protestaktionen aus, unter anderem gegen Prostitution, Menschenhandel oder Genitalverstümmelungen. Neu daran: die Femen-Aktivistinnen fallen durch ihre nackten, mit Parolen beschriebenen Oberkörper auf. "Drastisch, aber vielleicht gerade deshalb so notwendig", meint Konrad und verweist auch auf den Skandal, den die Titelschlagzeile des Sterns 1971 auslöste. "Wir haben abgetrieben!", prangte auf dem Cover - und 374 Frauen bekannten sich öffentlich dazu, ihre Schwangerschaft abgebrochen zu haben. Damals verstieß das gegen geltendes Recht und die medizinischen Bedingungen waren deshalb teils katastrophal. Beispiele, die zeigen sollen, dass Zurückhaltung nicht geboten ist, wenn es darum geht, aufzurütteln und etwas anzustoßen. Trotzdem: blickt man in den Landkreis, sieht es nicht so aus, als würden sich viele junge Frauen in Initiativen oder Projekten für Gleichberechtigung engagieren. Beim Tanz-Event One Billion Rising, bei dem Frauen einmal im Jahr auch in Germering öffentlich tanzend ein Zeichen gegen Gewalt setzen, sind ganz junge Gesichter rar.

Auch die Altersstruktur und Teilnehmerzahl im Olchinger Frauentreff hat sich verändert, so Lotterschmid. Vielleicht, meint Konrad, habe sich auch einfach der Zeitpunkt verschoben, an dem Frauen bemerken, dass sie benachteiligt sind. Während des Studiums steht der Frau die Welt scheinbar offen. Im Beruf merkt man dann, dass der männliche Kollege mit gleicher Ausbildung, Erfahrung und Aufgabenbereich mehr verdient und man muss feststellen, dass prekäre Anstellungsverhältnisse spätestens dann zum Verhängnis werden, wenn es an die Familienplanung geht. Wenn der Groschen fällt, stehen die Frauen bereits mitten im Leben. Zudem mangele es gerade Frauen mittleren Alters heute oft an Selbstvertrauen. "Die Rollenbilder sind oft tief verankert. Es gibt Frauen, die sich aufgrund ihrer persönlichen Geschichte viel zu wenig zutrauen", sagt Fischer. Die, die mit Sprüchen wie "Das ist nichts für Mädchen" aufgewachsen sind. Was hilft? "Mütter müssen hinterfragen, wie sie ihre Kinder erziehen", findet Fischer. Und: "Wir haben vieles erreicht, aber wir müssen dranbleiben." Konrad appelliert an die Frauen: "Bitte habt Mut, sprecht die Dinge an und steht für eure Bedürfnisse ein." Viele Frauen blieben stumm, weil der Begriff Feministin negativ belegt sei. Aber "wer nicht kämpft, hat schon verloren." Wenn diese Appelle fruchten, muss bei der nächsten Weltfrauenkonferenz die Jahreszahl der erreichten Geschlechtergleichheit vielleicht nach vorne korrigiert werden.

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