Integration:Mittlerin zwischen Kulturen

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"Ich kann nicht nichts tun": Fereschteh Erschadi-Zimmermann. (Foto: Günther Reger)

Die Germeringerin Fereschteh Erschadi-Zimmermann engagiert sich für Migranten

Von Lena von Holt, Germering

Ihre Arbeit kann manchmal ganz schön anstrengend sein. Und doch kann sie nicht ohne. "Ich bin ein aktiver Mensch, ich kann nicht nichts tun", sagt Fereschteh Erschadi-Zimmermann. Seit über 20 Jahren lebt die Mutter von zwei Kindern gemeinsam mit ihrem Mann in Germering. Sie gehört zu den Gründerinnen des Frauen- und Mütterzentrums (Frau Mütze), trat der SPD bei und wurde Mitglied im Ausländerbeirat. "Ich wollte etwas bewegen", sagt die gebürtige Iranerin. Integration war für sie schon immer ein wichtiges Anliegen. Seit vielen Monaten hilft sie daher auch den Bewohnern der Flüchtlingsunterkunft Don Bosco, sich in Germering zurecht zu finden.

Als Erschadi mit 19 Jahren nach Deutschland kam, wollte sie nur für einen Urlaub bleiben. Das Urlaubsvisum tauschte sie dann gegen ein Studentenvisum ein. "Das hat sich einfach so ergeben", sagt die 60-Jährige heute. Ihr Abitur hatte sie noch im Persien des Schah gemacht. Bevor sie in München begann Spanisch, Geschichte und Deutsch als Fremdsprache am Sprachen- und Dolmetscher-Institut zu studieren, musste sie erst einmal die neue Sprache lernen und das deutsche Abitur nachmachen. Die Sprachkurse finanzierte sie sich selbst. Ihr Sprachlehrer habe damals immer gesagt, sie solle mit offenen Augen durch die Straßen laufen und versuchen, das, was sie sieht, zu benennen. Für sie war das in dieser Zeit die beste Methode, um Deutsch zu lernen, erinnert sich die Dolmetscherin, die auch Persisch, Italienisch und Englisch spricht. Wenn sie mit Bewohnern von Don Bosco unterwegs ist, fragt auch sie sie nach den Namen von Gegenständen und Gebäuden. Dann zeigt sie ihnen auch, wo der Arzt ist, oder wo sie die Stadtbibliothek finden. Vierzehn Stunden arbeitet Erschadi, die halbtags als Krankenschwester beschäftigt ist, bisweilen in einer Woche ehrenamtlich. Sie besucht Familien in der Unterkunft, begleitet eine schwangere Frau zum Arzt oder übersetzt als Dolmetscherin Gespräche.

Seit vielen Jahren organisiert Erschadi die interkulturellen Wochen in Germering. Seit im ehemaligen Altenheim Don Bosco Flüchtlinge wohnen, hilft sie als Mitglied im Asylhelferkreis Germering. Aber schon vorher hat sie sich für Integration stark gemacht. Jahrelang begleitete sie geflohene Familien, die mittlerweile in Germering Fuß gefasst haben. Sie alle seien heute gut integriert, haben einen guten Job und Kinder, die studieren. Kritik übt sie an dem Übermaß an Bürokratie. Das verhindere oft Gutes im Bereich des Ehrenamts. Während unbegleitete Flüchtlinge in Don Bosco gut betreut werden und zur Schule gehen dürfen, hätten Jugendliche, die mit ihren Eltern geflohen sind, oft keine Beschäftigung. Die 16- bis 21-Jährigen gingen vormittags nur in die Sprachschule, dürften aber nicht am anderen Unterricht teilnehmen. "Die wollen was machen, die sind wissbegierig", ärgert sich Erschadi.

Erschadi ist Stadträtin und Referentin für Integration. Sie hat sich dafür eingesetzt, dass es eine hauptamtliche Integrationsstelle gibt. Voraussetzung für eine gelingende Integration seien vor allem die vielen offenen Menschen in Germering. Sie ist dankbar für die gute Atmosphäre in der Stadt und dafür, dass die Menschen sich nicht von den "Fremden" distanzieren. Obwohl sie Muslima ist, setzt sie sich manchmal einfach in eine Kirche. "Haben Sie keine Berührungsängste?", fragte sie dort eine Frau mit skeptischen Tonfall. "Kommt darauf an, wo Sie mich anfassen", konterte Erschadi. "Ich will Menschen treffen, mit ihnen diskutieren, darum komme ich her."

© SZ vom 18.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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