Horst Seehofers Wahlkampfauftritt in Fürstenfeldbruck:Ganz der Staatsmann

Der bayerische Ministerpräsident malt auf dem Volksfest eine weiß-blaue Bilderbuchwelt. Verbale Attacken auf den politischen Widersacher haben darin keinen Platz. Seinen Kontrahenten Christian Ude erwähnt er nicht einmal

Christian Hufnagel

Auch wenn der Vergleich hinken mag, weil der eine ein angriffslustiger Herausforderer, der andere ein souveräner Amtsinhaber sein will, er drängt sich trotzdem unweigerlich auf, wenn binnen einer Woche die beiden Hauptprotagonisten der Landtagswahl am gleichen Ort auftreten. Dem Anschein nach sind Christian Ude und Horst Seehofer dabei gar nicht so weit auseinander. Zumindest was die Dramaturgie ihrer Wahlkampfveranstaltung auf dem Fürstenfeldbrucker Volksfest betrifft. Auch der bayerische Ministerpräsident marschiert an diesem Montageabend natürlich zu den Klängen des Defiliermarsches ein, vorbei an vollbesetzten Bänken, in der Gestik des Landesvaters Hände schüttelnd und in die Menge winkend, beklatscht und bejubelt von wiederum rund 1800 Menschen. Im Schlepptau gleichfalls die Gefolgschaft aus örtlichen Parteifunktionären, vor allem die Kandidaten für die anstehenden Wahlen, welchen zur Einführung und zum Abschluss reichlich Möglichkeit geboten wird, diese große Bühne zu nutzen.

Der äußere Rahmen gleicht dem der Vorwoche, mit dem kleinen Unterschied, dass die CSU das Zelt für sich alleine hat, weil das Volksfest schon beendet ist. Der SPD-Kontrahent musste hingegen auch die Aufmerksamkeit von jenen gewinnen, die ein zufälliger Besuch in seine Rede trieb. Das gelang dem Münchner Oberbürgermeister mit seiner Wortgewalt erstaunlich gut, während der Ministerpräsident bei diesem reinen Heimspiel mit seiner doch eher getragenen Vortragsart phasenweise Mühe hat, einen aufkeimenden Lärmpegel in den hinteren Reihe wieder einzudämmen. Dass ein wenig Unruhe aufkam, lag freilich in der unterschiedlichen Rollenverteilung begründet. Während Ude sich kämpferisch in Schwarz-Weiß-Malerei erging, bei der Zukunft des Freistaates buchstäblich schwarz sah, sollte es nicht zu einem Regierungswechsel kommen, und die Verantwortlichen deshalb ständig beim Namen nannte, nimmt die CSU-Veranstaltung für alle Sinne die Züge einer weiß-blauen Bilderbuchwelt an: die Tische eingedeckt mit Werbematerial, die Bühne eingerahmt von Bannern in den Landesfarben, frei von einem Slogan, allein die Farben und das Parteikürzel genügen - für die eine, wichtige Botschaft: Bayern ist schön. Bayern ist die CSU.

Und auf der Festzeltbühne steht und glänzt gewissermaßen der Repräsentant dieses Selbstbewusstseins, "unsere Galionsfigur", wie Landrat Thomas Karmesin den Gast ankündigte und zugleich das grundlegende Selbstverständnis eines CSU-Souveräns vorgab: "Wir brauchen keinen Wahlkampf. Wir scheuen ihn aber auch nicht." Eine Haltung, die sein Chef am Stehpult für gut eine Stunde sicher und ruhig vorlebt. Mit keinem Wort erwähnt er seinen Kontrahenten, gerade einmal einen Nebensatz gönnt er der SPD. Eher beiläufig fügt er an, dass deren Landtagsfraktion es abgelehnt hat, gegen den aus seiner Sicht ungerechten Länderfinanzausgleich zu klagen. Aber bewerten will der Ministerpräsident das nicht: "Das kann jeder selbst beurteilen, wenn er heute Nacht im Bett liegt."

Nein, wer auf eine fulminante Bierzeltrede, gespickt mit Angriffen und Spitzen auf den politischen Gegner, gehofft hat, kennt seinen Seehofer nicht. Der 64-Jährige entspricht vielmehr jenem Eindruck, den ein schwärmerischer Zuhörer während seines Auftritts formuliert: "Seehofer kann die Leute einfangen mit seiner Freundlichkeit und Sachlichkeit." Also lehnt der Ministerpräsident leger am Rednerpult und malt im landesväterlichen Ton das schönste Weiß-Blau-Bild, das sich ein Einwohner des Freistaates nur vorstellen kann. Die Wirtschaft floriere, was schließlich das Wichtigste sei, das ein Politiker abliefern könne. Weil der Parteichef natürlich nicht selbstgefällig wirken und diese "Vorstufe des Paradieses" als reine CSU-Errungenschaft ausgeben will, nimmt er eben die Menschen freundlich mit: "Ich danke dem bayerischen Volk für diese Leistung." Ein Lob, das selbstredend für all die anderen Merkmale gilt, die Bayern laut seinem obersten Repräsentanten und sogar der BBC zum beliebtesten Land der Welt machen. Als da etwa sind: Jugendarbeitslosigkeit - ein Fremdwort; Bildung - im Vergleich immer an der Spitze mit dabei; Solidarität - ganz groß, wie sich jüngst beim Hochwasser wieder einmal gezeigt hat. Über so viel Sonderstellung kann Seehofer dann auch nur ein Gefühl verspüren: "Darauf bin ich stolz als bayerischer Ministerpräsident."

Die blühende Bestandsaufnahme seiner Heimat würdigt das Publikum immer wieder mit frenetischem Applaus. Und erfährt zum Schluss auch doch noch ein paar konkrete Ziele: Seehofer spricht sich für eine gerechtere Mütterrente, "Pkw-Maut für Ausländer" und eine Volksabstimmung über einen EU-Beitritt der Türkei aus. Populäre Themen, die noch einmal Sympathiepunkte bringen und zu stehenden Ovationen im Zelt und dem Ruf nach Zugabe führen.

Diese kann der Spitzenpolitiker nicht geben, aber dafür intoniert er mit den Zuhörern ein identitätsstiftendes Liedgut: Die CSU-Familie findet in der Bayern-Hymne zusammen. So bleiben nach dem Ausmarsch von Seehofer und seiner Delegation kurz darauf beseelte Parteimitglieder an den Tischen zurück: "Das war keine typische Wahlkampfrede. Die hat er auch nicht nötig", analysiert einer glücklich. Und sein Banknachbar findet für die Grundstimmung im Zelt vermutlich die passenden Worte: "Das war staatsmännisch."

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