Historie:Die Wahrheit aus der Dose

Bei der Sanierung des Kriegerdenkmals in Wildenroth finden sich Unterlagen aus der Zeit der Errichtung vor knapp hundert Jahren. Aus ihnen geht hervor, dass die Ortsgeschichte korrigiert werden muss

Von Manfred Amann, Grafrath

Bei größeren, bedeutsamen kommunalen Bauwerken oder Kirchenbauten ist es durchaus Tradition, Dokumente, Fotos, Pläne oder Tageszeitungen ins Mauerwerk einzulassen, um den Nachfahren einen Eindruck von der Bauzeit und von den Umständen zu vermitteln, wie es zu einem Bau gekommen ist. Nun ist im Grafrather Ortsteil Wildenroth zwischen den Steinblöcken des Kriegerdenkmals im Zuge seiner Sanierung eine mit gräulicher Patina überzogene Dose mit Zeitzeugnissen gefunden worden. Sie zeugt vom Weitblick derer, die das fast hundert Jahre alte Denkmal einst errichten ließen. Zumal aus dem Inhalt der Dose deutlich wird, dass die bislang erzählte Denkmalgeschichte nicht ganz den Tatsachen entspricht.

Krautner und Kennerknecht mit Dose, Kriegerdenkmahl Grafrath

Fund im Kriegerdenkmal: Anton Krautner (links) und Bürgermeister Markus Kennerknecht mit der historischen Dose.

(Foto: privat)

"Dass zwischen den Steinblöcken ein für Grafrath durchaus historisch bedeutsames Geheimnis verborgen liegt, davon hatte niemand eine Ahnung", versichert Anton Krautner, Vorsitzender der Krieger-und Soldatenkameradschaft. Der Verein hatte die Sanierung des Denkmals angeregt und die in diesem Zusammenhang von der Gemeinde durchgeführte Neugestaltung des Platzes mit vielen ehrenamtlich geleisteten Arbeitsstunden unterstützt. Gefunden wurde eine Tageszeitung vom 14. November 1918, in der drei Tage nach der Unterzeichnung des Waffenstillstandes von Compiègne am Ende des Ersten Weltkrieges die neue deutsche Regierung mit dem Sozialdemokraten Friedrich Ebert an der Spitze vorgestellt wurde. Des Weiteren ein Schriftstück mit den Namen derer, die sich damals für die Errichtung stark gemacht hatten, drei Fotos von der Familie Leonhard Hartl und vom Standort des Denkmals mit Erläuterungen auf den Rückseiten sowie Verpflegungsmarken: eine Fleischmarke, die noch vom "Königreich Bayern" ausgegeben worden war und die ihre Gültigkeit im Juni 1916 verloren hatte, eine Reise-Brotmarke, herausgegeben vom Deutschen Reich, eine für Mehl und Brot sowie eine Zusatzmarke für eine "Schwerarbeiterration".

Dose im Sockelstein versenkt, Kriegerdenkmal Grafrath

Die Dose findet ihren Platz im sanierten Denkmal.

(Foto: privat)

Die Zeitdokumente wurden kopiert und werden fortan im Ortsarchiv verwahrt. Die Originale indes wurden nach Rücksprache mit Bürgermeister Markus Kennerknecht zusammen mit aktuellen Dokumenten von der jetzigen Sanierung wieder in die Dose gesteckt. Und die "Blechurne" hat wieder ihren Platz in der Aussparung im Sockelstein eingenommen, um mit ihrem Inhalt nachfolgenden Generationen Zeugnis von der Denkmalgeschichte zu geben. Wie Anton Krautner erzählt, ist man in Grafrath bislang davon ausgegangen, dass der Mühlenbesitzer Leonhard Hartl das im Jahre 1920 errichtete Denkmal in vollen Umfang finanzierte. Durch die Kommentierung eines Fotos aus der Dose sei nun aber klar ersichtlich, dass dem nicht so war, denn es steht dort geschrieben: "Den Baugrund zur Errichtung des Kriegerdenkmals hat der Mühl- und Ökonombesitzer Leonhard Hartl Gb No. 9 Wildenroth unentgeltlich abgetreten. Die Herstellungskosten des Denkmals wurden durch Sammlungen aufgebracht". Den Text hat Hartl eigenhändig unterschrieben.

"Das Denkmal wurde also von der Wildenrother Bürgerschaft bezahlt", sagt Krautner. In dem beigelegten Schriftstück ist nachzulesen, dass neben Hartl Ferdinand Förg, der damalige Bürgermeister von Wildenroth, Georg Dellinger, letzter Flößermeister von Wildenroth, Schreinermeister Hermann Schmolt, Baumeister Xaver Völk und Feuerwehrkommandant Stefan Friedinger an der Setzung des Mahnmals mitwirkten. Der Standort war ursprünglich jedoch ein anderer. Damals habe es noch zwei Amperbrücken gegeben, und auf dem Hartl-Grundstück dazwischen sei das Denkmal errichtet worden, erklärt Krautner. Als man die beiden Brücken zusammengelegt und die neue zum Schutz vor Hochwasser angehoben habe, sei 1976 das Denkmal an den jetzigen Platz an der Hauptstraße, Einmündung Bachweg, versetzt worden. Da man damals das Denkmal am Stück an den neuen Standort gebracht und die Steinblöcke nicht wie jetzt für die Sanierung getrennt habe, sei die Dose damals nicht zum Vorschein gekommen.

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