Hattenhofen:Älter als gedacht

Vor 34 Jahren feierte Hattenhofen sein 900-jähriges Bestehen. Dann tauchten neue Dokumente auf. Jetzt weiß man, dass der Ort bereits vor 950 Jahren erstmals erwähnt wurde

Von Manfred Amann, Hattenhofen

Vor 34 Jahren hat die Gemeinde Hattenhofen ihrer ersten urkundlichen Erwähnung vor damals 900 Jahren gedacht. Heuer wird nun das ganze Jahr über die Erstnennung vor 950 Jahren gefeiert. Das passt nicht zusammen. War das Festjahr 1981 vielleicht ein Irrtum? "Keinesfalls", betont Bürgermeister Franz Robeller. Es handle sich um eine Korrektur, aber nicht wegen eines Versehens, sondern weil mittlerweile eine ältere Schenkungsurkunde vorliegt, in der die Siedlung benannt ist.

Entdeckt und ausgewertet wurde das Dokument von Kreisheimatpfleger Toni Drexler. Während er an den Beiträgen zum 1992 aufgelegten Brucker Landkreisbuch feilte, das 1992 aufgelegt wurde, war der Heimatforscher aus Hörbach auf eine Traditionsnotiz des einstigen Hochstifts Brixen in Österreich gestoßen, die zeitlich zwischen 1060 und 1070 einzuordnen ist. Damals, bis 1342, gehörte Brixen zu Bayern. Da die Urkunde nicht genau datiert ist, einigten sich die Hattenhofener Ortspolitiker schließlich darauf, den Mittelwert 1065 als Jahr der Unterzeichnung anzunehmen, so dass das Jubiläum auf 2015 fällt. In der Urkunde ist festgehalten, dass der Edle Helampreht von seinem Besitz in "loco Hattanhouan" eine Hube (Hof) an Georgenberg im Inntal schenkte. Sein übriger Besitz war für eine Angehörige des Brixener Hochstifts namens Wazila bestimmt. Auch wenn die Urkunde kein konkretes Datum trägt, lässt sich ihr Ausstellungsdatum annähernd feststellen. Da Zeugen genannt werden, wie zum Beispiel Meginhart II. der dem Geschlecht der Grafen von Gilching entstammte und 1066 starb, lässt sich der Zeitraum deutlich eingrenzen. Ein Beleg sei auch die Unterschrift von Bischof Altwin, der in dieser Zeit in Brixen regierte, erklärt Drexler, der seine Forschungsergebnisse in der Heimatzeitschrift Amperland, Ausgabe II/2014, umfassend erläuterte.

Urkunde Brixen

Das historische Hattenhofen: die Urkunde aus Brixen, die das Alter des Ortes dokumentiert.

(Foto: oh)

Da die in der Urkunde genannten Zeugen auch an anderen Rechtsgeschäften in der Region beteiligt waren, lässt der frühere Leiter des Bauernhofmuseums Jexhof auch keine Zweifel aufkommen, dass ein anderes Hattenhofen gemeint sein könnte. Gleichnamige Orte im Nachbarlandkreis Landsberg am Lech oder bei Göppingen in Baden-Württemberg kämen wegen ihrer Entstehungsgeschichte nicht in Betracht. Drexler erklärt auch, dass das Hochstift Brixen damals auch Besitzungen in Eching am Ammersee, in Schöngeising, in dem nicht mehr vorhandenen Ruprechtsried bei Bruck und in Berg am Ammersee hatte, von denen ein Teil später in das Eigentum des 1263 gründeten Klosters Fürstenfeld überging.

Die Siedlung Hattenhofen ist natürlich viel älter als 950 Jahre. Vor etwa 20 Jahren fand Drexler am Rande des angrenzenden Haspelmoores prähistorische menschliche Siedlungsspuren. Mittlerweile wurden über 12 500 Funde geborgen, die belegen, dass sich hier schon in der frühen Mittelsteinzeit, also vor etwa 11 500 Jahren, Jäger und Sammler zumindest zeitweilig aufhielten. Bodenfunde aus der Bronze-, Hallstadt-, Latene- und Römerzeit lassen überdies den Schluss zu, dass die Region von der Sesshaftwerdung der Menschen an begehrtes Siedlungsgebiet war. Richtig greifbar wird der Ort erst durch seinen Namen, der sich von "Höfe des Hatto" ableiten lässt. Um 1080 ist ein "Ozzi von Hattanhoven" urkundlich erwähnt, der auf dem heutigen Kirchhügel seine Burg hatte. Anfang des 13. Jahrhunderts bildete sich Hattenhofen als vom Grundherrn unabhängige Ortschaft heraus, die zum Landgericht Dachau gehörte, bevor sie im 19. Jahrhundert dem Gerichtsbezirk Bruck zugschlagen wurde. Durch die Unbilden des Dreißigjährigen Krieges und infolge der Pest reduzierte sich die Anzahl der damals 49 Haushalte in Hattenhofen auf nur noch 19.

Linolschnitt mit Kirche und "Alter Schmiede". Schmiede - 1962 abgebrochen.

Ein Linolschnitt, der die Kirche und die inzwischen abgerissene alte Schmiede zeigt.

(Foto: privat)

Historisch bedeutsam für den Ort war die Entwicklung der Siedlung Haspelmoor, die mit dem Bau der Eisenbahnlinie Augsburg-München um 1840 einsetzte. 1853 wurde der Bahnhof Haspelmoor gebaut, um den das Dorf entstand. Von 1846 bis 1875 wurde großflächig Torf gestochen, um Heizkessel von Dampfloks zu füttern. Zeitweise arbeiteten hier 1600 Torfarbeiter unter widrigsten Bedingungen. Von 1888 bis 1931 belieferte das "Torfstreu- und Mullewerk Haspelmoor" ganz Europa mit Torf als Stallstreu und Isoliermaterial für Eiskeller. Parallel zur Torfnutzung begann 1910 die Kultivierung der abgetorften Flächen. Seit 1990 wird versucht, das nördlichste Hochmoorrelikt des Bayerischen Alpenvorlandes wieder zu vernässen. Wenige Tage vor Ende des Zweiten Weltkrieges, am 25. April 1945, wurden bei einem Fliegerabgriff auf einen Lazarettzug am Bahnhof mehrere Menschen getötet und Häuser zerstört. Am 29. April war auch Hattenhofen Ziel eines Fliegerangriffs, bei dem der ganze Ortskern in Flammen aufging und Häuser und Stallungen zerstört wurden.

Christlicher Mittelpunkt der Gemeinde, zu der seit 1818 auch die Siedlung Loiterhofen gehört, ist die katholische Kirche Sankt Johann Baptist, die im 14. Jahrhundert errichtet wurde. Der Ortschronik zufolge gab es auf dem Kirchhügel auch davor schon ein Gotteshaus. Sehenswert sind die Barockausstattung und der Rokokoaltar. Nahe der Kirche haben die Hattenhofener dem berühmtesten Sohn ihres Dorfes einen Gedenkstein gesetzt. Am 28. April 1735 wurde Johann Evangelist Walleshauser geboren. Dem Opernsänger wurde unter dem Künstlernamen "Giovanni Valesi" auf allen großen Bühnen Europas applaudiert. 1756 war der Sohn des Mesners Melchior Walleshauser zum Kurfürstlich Bayerischen Hof- und Kammersänger aufgestiegen. Gefördert von Kurfürst Maximilian III. setzte er seine Ausbildung zum Opernsänger international fort und wurde Gesangspädagoge. 1781 verkörperte er bei der Uraufführung von Mozarts Idomeneo in München den Gran Sacerdote (Hoher Priester).

zeigt den Bahnhof Haspelmoor um 1900.

Der Bahnhof Haspelmoor um das Jahr 1900.

(Foto: privat)

Das Feierjahr 2015 hat bereits am Silvestertag des Vorjahres mit einem Fackelzug und gemeinsamem Feuerwerk in der Ortsmitte begonnen. Das Hauptfest mit Festakt, historischer Ausstellung und Präsentation eines Heimatbuches findet dann Mitte Juni statt. Teil des Jahresprogramms, das fast in jedem Monat eine Veranstaltung anbietet, ist auch die "Lange Nacht der Musik" an diesem Samstag.

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