Gröbenzell:Wie ein Hund Schüler motiviert

Gröbenzell: Streicheleinheit im Unterricht: Schulhund Limon mit Schülern der Ganztagsklasse 4a der Ährenfeldschule in Gröbenzell und seiner Besitzerin, Schulleiterin Gudrun Beck (hinten Mitte).

Streicheleinheit im Unterricht: Schulhund Limon mit Schülern der Ganztagsklasse 4a der Ährenfeldschule in Gröbenzell und seiner Besitzerin, Schulleiterin Gudrun Beck (hinten Mitte).

(Foto: Carmen Voxbrunner)

Lange hat die Rektorin der Gröbenzeller Grundschule an ihrem Konzept gearbeitet. Dann wurde Limon der zweite Pädagoge im Raum.

Von Heike A. Batzer

Limon macht nicht viel. Er ist einfach da. Und das tut gut. Limon ist ein Hund. Der vier Jahre alte English Setter mit dem weiß-braunen Fell geht jeden Tag zur Schule. Sein Frauchen, das ist Gudrun Beck. Sie leitet die Ährenfeldschule in Gröbenzell und nimmt Limon jeden Tag mit. Die Schüler haben ihre Freunde an dem Tier und Limon kann immer dabei sein. Hunde mögen so was. Kinder auch.

Limon stammt aus Mallorca, im Alter von acht Monaten kam er zu den Becks. Im Büro der Rektorin hat er seinen Platz und seinen Wassernapf. Dort kann er chillen, dösen - ganz wie es ihm gefällt. Freitags geht er mit in die 4a, wenn Beck in der Ganztagsklasse eine Doppelstunde "Förderung intensiv" abhält und die Viertklässler üben, was sie in Mathe und Deutsch gelernt haben. Dann ist Limon Schulhund. Gudrun Beck leint ihn an - nur so darf er durch das Schulhaus gehen - und kommt mit ihr ins Klassenzimmer. Dort darf er von der Leine, die Kinder begrüßen ihren vierbeinigen Pädagogen. Dann sucht Limon sich einen Platz im Klassenzimmer, aus den Augenwinkeln beobachtet er, was um ihn herum geschieht.

Limon strahlt Ruhe und Gelassenheit aus. Das ist seine Aufgabe. Er soll die Lehrkraft bei der Erziehung unterstützen, so sieht es die "tiergestützte Pädagogik" vor. Der Kontakt zum Hund soll die Kinder in der Entwicklung ihrer sozialen und emotionalen Kompetenz, der psychischen und physischen Gesundheit sowie ihrer Kommunikationsfähigkeit fördern. "Die Gegenwart eines Hundes kann die Atmosphäre im Schulalltag positiv beeinflussen", weiß Gudrun Beck. Sie hatte Limon auch schon an der Grundschule in Alling dabei, wo sie bis vor einem Jahr Rektorin war. Dass sie die Schulleiterin ist, verschafft ihr die Möglichkeit, selbst darüber zu entscheiden, ob ein Hund mit an den Arbeitsplatz darf oder nicht. Dass Limon als Schulhund im Einsatz sein darf, dafür hat Beck eigens eine Fortbildung gemacht und ein Konzept beim Brucker Schulamt vorgelegt.

Ein für diese Rolle geeigneter Hund muss freilich ein paar spezielle Charaktereigenschaften besitzen, damit die tägliche Interaktion an der Schule auch funktionieren kann: Er sollte ein ruhiges, verträgliches Wesen haben und fremden Kindern und Erwachsenen gegenüber grundsätzlich freundlich gestimmt sein. Er muss gehorsam sein und Berührungen anderer zulassen, muss stillhalten können, wenn es gewünscht wird. Er sollte keinen Hüteinstinkt haben und sein Begrüßungsverhalten sollte "unaufdringlich" sein, so steht es in Becks Konzept. Das bedeutet: Er darf niemanden anspringen, auch nicht, wenn er sich freut. Limon ist so einer. "Er hält es aus, dass viele Kinder an ihm rummachen," sagt seine Besitzerin. Wenn er der Gesellschaft überdrüssig ist, signalisiert er das, zieht sich zurück. Die Schüler wissen, dass sie ihn dann in Ruhe lassen müssen.

Manchmal tröstet Hund Limon auch

Freilich dürfen ihn die Schüler auch während des Unterricht streicheln - wenn sie das Bedürfnis verspüren "und die unterrichtliche Arbeit nicht leidet", sagt Beck. Allerdings muss sie um Erlaubnis gefragt werden. Dann muss Limon bisweilen auch den Tröster geben, etwa, "wenn es in der Pause zuvor zu einem Streit gekommen ist", erläutert die 60-Jährige. Man spüre, wie die Kinder durch den Hund "runterfahren" würden. Manchmal würden die Schüler Limon auch etwas vorlesen.

"Es ist witzig, wenn man so einen Hund streicheln kann", sagt Philipp, streicht Limon dabei ein wenig über den Rücken und wendet sich dann wieder dem Blatt Papier zu, das auf seinem Schreibtisch liegt. An der Wand hat die Klasse die Regeln aufgehängt, die im Umgang mit Limon gelten. "Wir müssen zum Beispiel leiser sein, damit man ihn nicht erschreckt. Oder wir dürfen ihn nicht allein füttern", sagt Max, der selbst einen Hund zu Hause hat und derjenige in der Klasse ist, der Limon wieder in Gudrun Becks Büro bringen darf - fünf Minuten vor dem Ende der Stunde, damit der Hund nicht in den allgemeinen Trubel im Treppenhaus gerät. "Das würde ihn sonst stressen", sagt Beck.

Mittags darf Limon eine Runde am Gröbenbach entlang gehen, privat ist er gerne richtig flott neben dem Fahrrad unterwegs. Bevor er in den Unterricht durfte, musste Gudrun Beck so manche Vorbehalte von Eltern ausräumen. Beim Elternabend zu Schuljahresbeginn hat sie sich, ihren Hund und das, was sie zusammen vorhaben, vorgestellt. Die Einverständniserklärungen aller Eltern waren notwendig, sonst wäre das Konzept geplatzt. "Viele Leute haben Angst vor Hunden", weiß auch Hundebesitzerin Beck. Die Sorgen versuchte sie auch in Einzelgesprächen zu zerstreuen. Die größte Befürchtung der Eltern sei jedoch gewesen, dass der Hund die Kinder vom Lernen abhalten könnte. Dabei ist das Gegenteil der Fall, der Hund ist der beste Motivationsfaktor.

Aktionstag „Kollege Hund“

Wohin mit dem Hund, wenn Herrchen oder Frauchen in die Arbeit müssen? Einfach mitnehmen, wäre die Idealösung, nicht überall ist das möglich, mancherorts wird es gar nicht versucht. Der Deutsche Tierschutzbund möchte mehr Verständnis für Hunde am Arbeitsplatz schaffen und ruft deshalb an diesem Donnerstag zum zehnten Mal zum Aktionstag "Kollege Hund" auf. Die Tierschützer wollen dabei zeigen, wie gut sich Hund und Beruf vereinbaren lassen. Dadurch, so hoffen sie, würden mehr Menschen Hunde aus Tierheimen bei sich aufnehmen. Außerdem müssten Berufstätige, die bereits einen Hund besitzen, diesen dann nicht länger allein zu Hause lassen.

Ob ein Hund an den Arbeitsplatz mitgebracht werden darf, entscheidet in der Regel der Chef des Unternehmens. Allerdings sollte dieser auch auf die Kollegen Rücksicht nehmen, beispielsweise wenn jemand Angst vor Hunden oder eine Allergie hat. "Alle sollten es mittragen", sagte Lea Schmitz, Pressereferentin beim Deutschen Tierschutzbund, der SZ. Einen Rechtsanspruch darauf, den Hund immer mitbringen zu dürfen, könnten Arbeitnehmer daraus aber nicht ableiten.

Besondere Vorschriften für den Hund am Arbeitsplatz gibt es nicht. Manche Unternehmen untersagten Hunden möglicherweise den Zutritt zur Kantine, so Schmitz. Empfehlenswert für Hundebesitzer nennt sie auch in diesem Zusammenhang den Abschluss einer Tierhalter-Haftpflichtversicherung.

Am besten geeignet sind Schmitz zufolge Büros, "weil der Hund hier seinen Platz haben kann". Generell günstig seien Arbeitsplätze mit weniger Publikumsverkehr, andernfalls könne zu viel Betrieb für den Hund Stress bedeuten. Dass Hunde im Gegenzug Stress beim Menschen abbauen, hat 2012 eine Studie an der Virginia Commonwealth University nachgewiesen: Bei Mitarbeitern mit Hund sank das Stresslevel im Laufe des Tages deutlich. Auch unter den Mitarbeitern gab es demnach überwiegend positive Resonanz. Laut einer Online-Umfrage des Portals Statista im Auftrag des Berufsnetzwerks Xing lehnen 53 Prozent der Arbeitgeber ein Haustier am Arbeitsplatz nicht explizit ab. 28 Prozent der Arbeitnehmer fordern, dass Haustiere am Arbeitsplatz generell erlaubt sein sollten. Der Bundesverband Bürohund e.V. sieht in Bürohunden eine Chance, die Zahl arbeitsbedingter psychischer Belastungen wie Burnout zu senken. baz

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