Gröbenzell:Permanente Flucht und ein Rätsel

TIG

Ein bisschen James Bond, ein bisschen Roaring Twenties.

(Foto: Günther Reger)

Das Theater in Gröbenzell bringt den Hitchcock-Film "39 Stufen" auf die Bühne. Die Inszenierung von Johannes Schindlbeck kann sich mit der Vorlage messen, auch dank des Bühnenbildes und der Leistung der Schauspieler

Von Edith Schmied, Gröbenzell

Alfred Hitchcock auf der Bühne - geht das überhaupt? The Master of Suspense, der Schöpfer des geheimnisvollen, hintergründigen und immer wieder schaurig gespenstigen Filmes, der mit allen erdenklichen Regietricks arbeitet. Muss da bei einem Vergleich das Theater mit seinen eher eingeschränkten Mitteln nicht auf der Strecke bleiben? Es hieße Äpfel mit Birnen zu vergleichen, und dieser Versuchung sollte der Zuschauer möglichst nicht erliegen. Die Bühnenfassung von "Die 39 Stufen" des Theaters in Gröbenzell (TiG) ist nicht schlechter als Hitchcocks Film von 1935, aber anders. Am besten fährt der Zuschauer, der sich auf die Inszenierung von Johannes Schindlbeck ohne Vorbehalte einzulassen. Mit einfachen Mitteln und einer ganzen Reihe von witzigen Regieeinfällen hält er die doch etwas verwirrende und gelegentlich zäh dahinfließende Handlung einigermaßen in Schwung. Wenn auch mancher Szene das Kürzen nicht geschadet hätte. Geschickt bezieht der 47-jährige die räumlichen Möglichkeiten wie Treppenaufgang und Empore in die Inszenierung ein.

Nicht weniger eindrucksvoll ist die Leistung der Schauspieler. Josef Mittermayer als der unschuldige Held Richard Hannay - "very british" wie er im Galopp auf dem imaginären Shetlandpony seinen Verfolgern zu entkommen sucht. Seine Aufmachung erinnert an Nick Knatterton, den Meisterdetektiv aus der gleichnamigen Comicserie der Fünfzigerjahre in der "Quick". Jutta Hatzold zeigt sich recht vielseitig mal als Spionin, Femme fatal oder verhuschtes Zimmermädchen. Die slapstickartigen Einlagen erfordern von den Darstellern ohnehin körperliche Wendigkeit und Fitness. Pegamund Häusler und Barbara Chlumsky schlüpfen bisweilen komödiantisch überdreht geradezu nahtlos in zahlreiche verschiedene Rollen. Nur eines von vielen Beispielen. Häusler ist als mürrischer Fischer ebenso hinreißend wie Chlumsky als Provinzpolitiker. Die einzelnen Szenen gewinnen durch die sorgfältig ausgewählte Musik und das gekonnte Klavierspiel von Sabrina Cherubini - im perfekten Charlestonkostüm - an Intensität. Mitunter hat man das Gefühl in einem alten Stummfilm zu sitzen.

Der gewaltige, aufwendig von Stefanie Nühlen genähte Samtvorhang in Blutrot ist ein gelungener Einstieg in das Stück und die Zeit der "Roaring Twenties". Eine Zeit des Varietés und der großen Magier. "Mister Memory", das Gedächtniswunder tritt auf den Plan. Er spielt eine entscheidende Rolle in dem Stück und wird am Ende das Rätsel der 39 Stufen lösen. Das tut sich im Übrigen schon für den Besucher auf, der vom Eingang des Bürgerhauses auf den Stufen Nummer 20 bis 39 emporsteigt.

Der Plot erinnert in vielen Bereichen an die James-Bond-Filme. Auch hier spielt die Handlung in England, der Held ist quasi permanent auf der Flucht. Allerdings kommt Johannes Schindlbeck im Gegensatz zu den kostspieligen Filmen ohne aufwendiges Equipment aus. Ein Ragtime des Pianisten Scott Joplin ersetzt locker die rasante Verfolgungsjagd mit dem Super-Austin-Martin von 007, gespickt mit allerlei technischen Finessen. Die Fantasie der Zuschauer ist da gefragt. Die minimalistische Bühnenausstattung besteht aus ein paar alten Koffern aus den Dreißigerjahren und einer Leiter. Der vielfach eingesetzte Vorhang, das eine oder andere Kinderspielzeug, ein paar Kopfbedeckungen, das ist alles was das Ensemble braucht.

Der Hitchcock Film und das Theaterstück "Die 39 Stufen" basieren auf einem Roman von John Buchan aus dem Jahre 1915. Es geht wieder einmal um die Weltherrschaft, die ein mysteriöser Professor anstrebt. Der kauderwelscht von "Herrenrasse" und ätzt gegen "undeutsche Hirnscheiße". Die spontane, staatstragende Wahlrede des flüchtenden Helden ist wohl als Seitenhieb auf Politikergewäsch zu verstehen. Das ambivalente Verhältnis der Engländer zu den Schotten äußert sich in der Abneigung gegen die allgegenwärtigen Schafe. Selbstredend dürfen die obligatorische Liebesgeschichte und die daraus resultierenden Komplikationen nicht fehlen. Am Ende geht es dem Helden Richard Hannay ähnlich wie James Bond. Mission erfüllt, Welt gerettet, aber die Liebe? Nicht ohne jede Hoffnung oder zumindest ausbaufähig.

"Die 39 Stufen", Bürgerhaus Gröbenzell, großer Saal. Weitere Termine: 21., 26., 27., 28. Februar, 4., 5., 6., 11., 12., 13. März. Beginn freitags und samstags um 20 Uhr, sonntags 17 Uhr.

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