Gröbenzell:Paraderolle gefunden

Lerchenberg

Der gebürtige Dachauer Michael Lerchenberg beherrscht alle Facetten des Bairischen und kann sich in die Figuren von Ludwig Thoma gut einfühlen.

(Foto: Günther Reger)

Lerchenberg liest im Stockwerk aus den Filserbriefen

Von Karl-Wilhelm Götte, Gröbenzell

Der Filser Jozef aus Mingharting, wahrscheinlich irgendwo aus dem Dachauer Hinterland, ist um 1908 ein königlich-bayerischer Abgeordneter. Der Filser fährt nach München zum Regieren mit dem Zug erster Klasse, "weil i im Barlament bin", wie er sagt. Der Bauer hält sich selbst für grandios wichtig, ist aber ein Hinterbänkler, der nichts zu sagen hat. "Ich bin froh, dass ich keine Rede nicht halten brauch, aber das Maul", schreibt er seiner Frau Mari, der "königlichen Abgeordnetensgattin". Die muss zu Hause das Vieh versorgen und aufs Gesinde aufpassen. Die Filser-Figur und der fiktive Filser-Briefwechsel gehört zu den humorvollsten Texten, die der bayerische Mundartdichter Ludwig Thoma (1867-1921) verfasst hat. Michael Lerchenberg, 63, der im Gröbenzeller Stockwerk die Briefe liest, ist der geniale Interpret dieser Texte. Beherrscht der Schauspieler, ein gebürtiger Dachauer, doch alle Facetten des Bairischen und kann sich in jede Figur einfühlen. Unterstützt wird er mit typischer Wirtshausmusik vom "Niederbayerischen Musikantenstammtisch".

Thoma lebte in einer Zeit, in der die verlogene bürgerliche Doppelmoral sicherlich ihren Höhepunkt hatte. Thoma schrieb die Filserbriefe in bayerischer Lautschrift. Er nahm dabei immer wieder die katholische Zentrumspartei aufs Korn, "die Vorläuferpartei der CSU", so Lerchenberg, die damals das bayerische Parlament dominierte. Die Führungsfiguren der Partei bestanden aus katholischen Priestern, Prälaten und Religionslehrern. Der Filser Jozef fiel als Bauer ziemlich aus dem Rahmen. Doch ihm gefiel der parlamentarische Beruf. "Der ist aufreibend", schreibt Filser seinem Spezi und Posthalter Korbinian Bichler, "aber schöner als daheim, wo auf einem immer die Alte aufpasst." "Die Alte" von Filser ist Mari. Immer wenn Lerchenberg die hohe aufgeregte Stimme von Mari imitiert, amüsieren sich die 90 Besucher im Stockwerk besonders prächtig. Sie hat herausbekommen, dass ihr Jozef extra 400 Mark für seine aufopferungsvolle Tätigkeit im Landtag erhält und mahnt ihn nachdrücklich: "Verputz das Geld nicht."

Er verputzt das Geld natürlich mit dem Posthalter, der ihn in München besucht. Filser fällt auf eine angebliche Baronessin herein, wird um seinen Geldbeutel erleichtert und schließlich aus dem Lokal geschmissen. Später schreibt sie ihm von ihrer "entschwundenen Mädchenblüte", eine prachtvolle Thoma-Formulierung, und will 800 Mark erpressen. Filser erscheint im Traum der Heilige Josef, der ihm sagt, er müsse nichts zahlen, weil er in der Zentrumspartei ist. Am nächsten Tag tritt Filser sofort in den Verein gegen Unsittlichkeit ein. Bekommt Filser einen Brief vom heimischen Pfarrer ("Du Saubär") fällt Lerchenberg in den Pfarrerton, den man von ihm als Prälat der Fernsehreihe "Der Bulle von Tölz" kennt. Für Mari ist Filser der "Gschwollschädel in der Stadt", der dort den "Hanswursten" mache und nicht mitbekomme, dass die Kuh Edelweiß kalbt. Lerchenberg, der demnächst ein Buch über Thoma veröffentlicht, hat seine Paraderolle gefunden. Alle Figuren aus seinem Munde bescheren einen äußerst amüsanten Abend.

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