Flüchtlinge:Landrat setzt Gröbenzell ein Ultimatum

Flüchtlinge: Offenheit und Toleranz sollen die Buttons ausdrücken, die in Gröbenzell einst verteilt wurden. Doch die Gemeinde tut sich schwer, diese Willkommenskultur aufrecht zu erhalten.

Offenheit und Toleranz sollen die Buttons ausdrücken, die in Gröbenzell einst verteilt wurden. Doch die Gemeinde tut sich schwer, diese Willkommenskultur aufrecht zu erhalten.

(Foto: Carmen Voxbrunner)

Macht die Gemeinde bis zum 15. Februar keine Fortschritte bei der Unterbringung von Flüchtlingen, lässt er auf Privatgrundstücken Massenquartiere errichten. Karmasin und Gemeinderat einigen sich bei Sondersitzung nicht

Von Gerhard Eisenkolb, Gröbenzell

Zweieinhalb Stunden lang hat sich am Dienstagabend der Gemeinderat von Gröbenzell vergeblich bemüht, in einer Sondersitzung mit Landrat Thomas Karmasin (CSU) eine Lösung dafür zu finden, wie in den kommenden Wochen weitere 150 bis 170 Flüchtlinge in der Gemeinde untergebracht werden können. Da es nicht zur erhofften Einigung kam, setzte der Landrat der Gemeinde ein Ultimatum. Er kündigte an, noch bis zum 15. Februar zu warten. Wird bis dahin kein "nennenswerter Fortschritt" erzielt, will er selbst tätig werden, sich also über die Gemeinde hinwegsetzen und auf Privatgrundstücken Quartiere für eine größere Zahl von Asylbewerbern bauen lassen.

Als "nennenswert" bezeichnete der Landrat Unterkünfte für weitere 40 Flüchtlinge. Zurzeit leben in Gröbenzell 102 Asylbewerber. Damit ist die Gemeinde mit etwa 170 Betten im Rückstand, um die mit dem Landratsamt vereinbarte Quote zu erfüllen. Wiederholt wies der Landrat darauf hin, solche Schwierigkeiten wie in Gröbenzell mit keiner anderen der 23 Landkreiskommunen zu haben. Das führte er auf den "Gröbenzeller Weg" zurück, Flüchtlinge in kleinen Wohneinheiten unterzubringen, was die Integration im Ort erleichtert. Dies geht zu Lasten anderer Kommunen, was Karmasin angesichts der anhaltenden Flüchtlingskrise nicht mehr länger tolerieren will. Würde Gröbenzell nämlich seine Quote erfüllen, hätten zwei Schulturnhallen weniger beschlagnahmt werden müssen. Es sei nicht länger hinnehmbar, dass Gröbenzell seine Quote nur zu 40 Prozent erfüllt. Hingewiesen auf seine Kritik am Gröbenzeller Weg in überregionalen Medien, sagte Karmasin: "Der Gröbenzeller Weg ist wunderbar", um zu ergänzen, "dann hätten wir 2015 nur 400 000 Flüchtlinge in Deutschland". Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel sei vom Gröbenzeller Weg nicht überzeugt, schließlich nehme sie mehr als 400 000 Flüchtlinge auf. Das Verhalten der Gemeinde verglich der Landkreischef mit jemandem, der acht Personen zu transportieren hat. Der könnte das entweder mit einem VW-Bus tun oder mit zwei Porsche. Gröbenzell habe sich für die Luxusvariante Porsche entschieden.

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"Ich bin demotiviert, sagt Cordula Braun (UWG), "das bin ich auch", erwidert Landrat Thomas Karmasin.

(Foto: Johannes Simon)

Diskutiert wurde auch über eine Liste von unbebauten Grundstücken und Mietobjekten, die die Gemeinde angeboten, das Landratsamt aber abgelehnt hatte. Bürgermeister Martin Schäfer (UWG) schlug am Dienstag wiederholt vor, den Bau von Containern oder Wohnungen selbst in die Hand zu nehmen, wenn der Landrat konkrete Preiszusagen mache. Karmasin wiederum berief sich darauf, dass bei den bisherigen Angeboten der Gemeinde die Wirtschaftlichkeit nicht gegeben sei. Bürgermeister Schäfer beteuerte, die Gemeinde könne die Quote erfüllen - und sie werde das auch tun.

Da sich nachträglich viele entscheidende Details nicht mehr klären ließen, wurde diese Form der Vergangenheitsbewältigung verworfen. Aber auch der Versuch, die noch bestehenden Optionen einzeln durchzugehen und sich darauf zu einigen, zu welchen Bedingungen wo wie viele Flüchtlinge einquartiert werden können, scheiterte spätestens regelmäßig dann, wenn es um die ungeklärte Kostenfrage ging. Immerhin erfuhren auch die rund hundert Zuhörer im Sitzungssaal, dass es die Regierung abgelehnt habe, auf dem Züblin-Gelände der Gemeinde nur Wohncontainer für 50 Menschen zu finanzieren, wenn dort Baurecht für die doppelte Anzahl besteht. Und es besteht Aussicht auf Einigung zur Unterbringung von weiteren 16 bis 17 Flüchtlingen in einem gemeindlichen Anwesen in der Poststraße. Zudem wird nochmals geprüft, ob nicht doch noch die bestehende Wohncontaineranlage in der Olchinger Straße erweitert werden kann. Weshalb sich Schäfer und Karmasin optimistisch zeigten, die Aufgabe noch lösen zu können. Karmasin ließ sich letztlich nicht erweichen, auch nicht von Appellen von Asylhelfern zu Beginn der Sitzung, am von der Bevölkerung gut angenommenen Gröbenzeller Weg kleiner Quartiere festzuhalten. Der Mehraufwand lohne sich. Lilo Nitz, Leiterin des Asylhelferkreises, fragte den Landrat, warum der Weg der Gemeinde ein "Holzweg" sei.

Zitate zur Situation

"Italien zahlt der Mafia jeden Tag 36 Euro für einen Flüchtling."

Landrat Thomas Karmasin

"Eine Flüchtlingsunterkunft ist nie wirtschaftlich, weil sie keine Einnahmen generiert."

Gemeinderat Markus Rainer (Grüne)

"An ihren Unterkünften werdet ihr sie erkennen."

Landrat Thomas Karmasin

"Ich bin unzufrieden und demotiviert", sagte Gemeinderätin Cordula Braun (UWG) am Sitzungsende. Sie hielt Karmasin vor, "wir wollen etwas Handfestes haben und sie glitschen davon wie ein Fisch". Dann solle der Landrat doch sein "Privat-Ghetto" schaffen. So gibt es bereits Planungen für eine größere Wohncontainersiedlung im Gewerbegebiet, die der Gemeinderat ablehnt. Solche Alternativen konkretisierte der Landrat nicht, obwohl er damit den Druck auf die Gemeinde erhöht.

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