Gröbenzell:Kultlokal "Die Hexe" vor der Schließung

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Der Eigentümer der ehemaligen Gröbenzeller Bahnhofsgaststätte liebäugelt mit dem Verkauf. Bereits in den Neunzigerjahren hat eine Initiative junger Bürger den Abriss des historischen Gebäudes verhindert

Von Gerhard Eisenkolb, Gröbenzell

Das Bahnhofslokal "Die Hexe" in der Kirchenstraße in Gröbenzell wird höchstwahrscheinlich noch in diesem Monat geschlossen. Sollte das geschehen, wird als Datum der Montag, 15. Februar, genannt. Das verpachtete Lokal gehört den beiden Brüdern Martin und Michael Schäfer. Martin Schäfer ist seit zwei Jahren Bürgermeister der Gemeinde. Er hat sich seither aber aus allen Geschäften der Familienunternehmen zurückgezogen. Offen ist, was nach der Schließung aus dem 1901 errichteten Gebäude wird.

Michael Schäfer erklärte auf SZ-Anfrage, das Lokal werde wohl geschlossen, das sei der Stand, aber es sei auch noch alles offen. "Es sind Kaufangebote und Pächteranfragen da", sagte der Gröbenzeller Unternehmer. Finde sich ein Interessent, dann werde das Lokal verpachtet. Laut Michael Schäfer ist der Erwerb der Hexe von ihm und seinem Bruder nie als "Geschäft" oder geschäftliches Engagement betrachtet worden. Ihnen sei es um das Gröbenzeller "Kultlokal" gegangen, das er und sei Bruder in ihrer Jugend selbst gerne besucht hätten. Inzwischen hätten sie das Gasthaus bereits über einen Zeitraum von acht Jahren gerettet, nur sei das inzwischen mit "zu viel Arbeit" verbunden. Gerüchte über eine mögliche Schließung des Traditionslokals kursieren schon seit längerer Zeit in der Gemeinde.

Seit 115 Jahren steht das Gebäude der ehemaligen Bahnhofswirtschaft in der Kirchenstraße. (Foto: Günther Reger)

Schon einmal stand die Hexe vor dem Aus. Das war in den Neunzigerjahren. Damals hatte die von Karin Klöpper und Lilli Kammerl gegründete Initiative junger Bürger "Die Hexe muss bleiben" den Abriss des Traditions- und Musiklokals verhindert. Die Initiative der beiden Musikerinnen wurde im Sommer 1993 ins Leben gerufen, als bekannt geworden war, dass die ehemalige Bahnhofsgaststätte verkauft und abgerissen werden sollte. Der Einsatz der beiden Gröbenzellerinnen - es gab unter anderem Aktionen wie eine Demonstration, ein Benefizkonzert und eine Sonderbürgerversammlung - führte dank der Unterstützung von Kommunalpolitikern zu einer Kompromisslösung. Laut Klöpper vereinbarte die Gemeinde damals mit der Eigentümerin, dass das Grundstück geteilt und der große Saal der ehemaligen Bahnhofsgaststätte abgerissen werden durfte, hier entstanden neue Wohnungen. Das historische, das Ortsbild prägende Gaststättengebäude selbst blieb erhalten.

Neben vielen Jugendlichen, die Geld für den Erhalt ihres Treffpunkts und Musiklokals spendeten, unterstützten laut Klöpper auch der damalige Bürgermeister und Gemeinderäte das Anliegen der Bürgerinitiative. Das Engagement der beiden Gröbenzellerinnen für den Erhalt der ehemaligen Bahnhofsgaststätte war 1996 mit dem Bürgerpreis der Sparkasse belohnt worden. Vergeben wurde der Preis damals für den Erhalt auch von solchen von Baudenkmälern, die nicht denkmalgeschützt sind, als Zeugnissen der Vergangenheit. Im Mai 1995 war die Hexe gerettet, als laut Klöpper der damalige Pächter die Gaststätte erwarb.

Von der SZ auf die nun erneut im Raum stehende Schließung angesprochen, erklärte Karin Klöpper überrascht: "Ich bin jetzt ganz baff." Sie sagte, nach dem Erfolg ihrer Initiative hätte sie nie mit dieser Möglichkeit gerechnet. Mit der Hexe verbindet Klöpper einen Treff für junge Gröbenzeller in dem Musikgruppen auftraten sowie das Flair des alten Gemäuers. Die besondere Stimmung, die das beliebte Musiklokal auszeichnete, sei in einem Neubau nicht zu erleben.

Wie wichtig vor zwanzig Jahren der Erhalt des Lokals für Jugendliche und junge Erwachsene in der Gemeinde war, belegen Hunderte von Einträgen in zwei Gästebücher, die 1993 in dem Lokal auflagen und die für Klöpper ein Beleg für dessen Stellwert sind. "Gröbenzell ohne Hexe ist wie Linus ohne Schmusedecke", "Die Hexe ist mein Wohnzimmer", "Bitte, bitte lasst die Hexe, wir brauchen sie" oder "Marmorstein und Eisen bricht, aber unsere Hexe nicht", schrieben damals die Gaststättenbesucher.

Albert Donhauser, der ehrenamtliche Leiter des Torfmuseums und stellvertretende Vorsitzenden der Gröbenhüter, des Vereins für Heimatkunde und Heimatpflege in Gröbenzell, hält die ehemalige Bahnhofsgaststätte für die Gemeinde so wichtig wie die inzwischen unter Denkmalschutz stehende Alte Schule an der Rathausstraße. Würde das Lokal, das sich in keinem tollen Zustand befindet, abgerissen, wäre das ein großer Verlust, da die junge Gemeinde ja kaum noch über alte Gebäude verfüge, sagte Donhauser.

Auch SPD-Fraktionssprecher Peter Falk hofft, dass die von den Eigentümern ins Auge gefasst Schließung keine weitere Konsequenzen nach sich zieht. Schließlich präge die ehemalige Bahnhofsgaststätte das Ortsbild mit. Nun erweist es sich laut Falk als Fehler, dass die Gemeinde in den Neunzigerjahren nicht, wie von ihm damals vorgeschlagen, das Lokal samt Saal erworben habe. Der Abriss des alten Saales sein ein "Verbrechen am Ortsbild" gewesen. Der Parkplatz des Lokals wäre groß genug gewesen, um dort einen Kindergarten zu errichten.

Den Zustand der neben der Hexe gelegenen alten Apotheke, die seit Jahren leer steht und wohl durch einen Neubau ersetzt werden soll, bezeichnet Falk als "problematisch". Für vorbildlich hält der SPD-Gemeinderat dagegen den Erhalt der Gaststätte "Gröbenzeller Hof" an der Olchinger Straße durch eine griechische Familie. Diese habe das ehemalige Ausflugslokal der Münchner vorbildlich renoviert und erhalten. Zudem betreibe die Familie dort auch ein griechisches Lokal.

© SZ vom 05.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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