Flüchtlinge:Kritik an Karmasins Asylpolitik

Der Bürgermeister und die Gemeinderäte von Gröbenzell werfen der Kreisbehörde vor, kein Interesse an Vorschlägen für eine dezentrale Unterbringung von Flüchtlingen zu haben

Von Peter Bierl, Gröbenzell

Vertreter aller Fraktionen im Gröbenzeller Gemeinderat haben die Asylpolitik von Landrat Thomas Karmasin (CSU) am Donnerstag scharf kritisiert, der Massenunterkünfte anstelle dezentraler Unterbringung favorisiere. Die Kreisbehörde habe an konkreten Vorschlägen aus Gröbenzell wenig Interesse gezeigt und reagiere nicht sehr professionell, hieß es. Nicht einmal die CSU verteidigte ihren Kreisvorsitzenden, im Gegenteil. Der Fraktionsvorsitzende Thomas Breitenfellner kritisierte die Kommunikation der Kreisbehörde als "mangelhaft". Zweiter Bürgermeister Martin Runge (Grüne) warf Karmasin vor, mit Zahlen "hin- und herzujonglieren".

Über 70 Bürger waren zur Sitzung gekommen, aufgeschreckt, weil der Landrat das Rathaus und das Züblingelände für das Aufstellen von Zelten in Betracht zieht. Gleich zu Beginn forderte eine Bürgerin den Gemeinderat auf, gegen Karmasins Unterstellung zu protestieren, zwei Drittel der Asylbewerber suchten keinen Schutz vor Verfolgung, sondern wollten bloß Geld abkassieren. Lilo Mitz, die über 200 freiwillige Helfern koordiniert, plädierte für dezentrale Einrichtungen, wo persönliche Kontakte möglich seien. Dieser "Gröbenzeller Weg" wurde von allen Fraktionen verteidigt und der Bürgermeister beauftragt, in diesem Sinn mit dem Landrat zu verhandeln.

Runge berichtete von immer neuen Immobilien, die der Kreisbehörde genannt worden seien. Auf Initiative der Gemeinde sei es gelungen, die Unterkunft in der Jägerstraße, wo zwölf Menschen leben, zu verlängern, das Landratsamt habe dann wochenlang gebraucht, um die Sache zu regeln. Über das Haus in der Poststraße verhandle man seit Monaten, berichtete er, sekundiert von Breitenfellner. "Mich ärgert, dass wir seit Frühjahr hingehalten werden", rügte der CSU-Fraktionsvorsitzende. Dass das Landratsamt dort nur zwei Wohnungen akzeptiere und vorher eine Renovierung verlange, sei nicht nachvollziehbar. Immerhin sei das Haus bis vor kurzem von Menschen bewohnt worden, die Miete bezahlten.

Flüchtlinge: Zwischen den Fraktionen umstritten: Während SPD und Grüne sich das Rathaus als Quartier für Flüchtlinge vorstellen können, ist die CSU strikt dagegen.

Zwischen den Fraktionen umstritten: Während SPD und Grüne sich das Rathaus als Quartier für Flüchtlinge vorstellen können, ist die CSU strikt dagegen.

(Foto: Carmen Voxbrunner)

Dritter Bürgermeister Axel von Walter (SPD) erinnerte an das Gemeindegrundstück an der Zweigstraße, auf dem die Kreisbehörde bereits eine Containeranlage geplant hatte, aber jetzt kein Interesse mehr zeige. Runge sagte, die Gemeinde habe dem Landrat vorgeschlagen, Häuser in Holzständerbauweise auf gemeindlichen Grundstücken zu bauen, diese könnten später von der Kommune als Sozialwohnungen übernommen werden. "Da kommt nix", schilderte der Bürgermeister-Stellvertreter die Resonanz.

Das Landratsamt favorisiere Massenunterkünfte, weil diese technisch leichter zu verwalten seien, bilanzierte Breitenfellner. "Aber wir denken an die Menschen, die unterzubringen sind, und an die Anwohner." Der Gemeinderat will keine Unterbringung in Zelten oder Traglufthallen, die Unterbringung im Container sei wesentlich teurer als in Häusern, die hergerichtet werden müssen, warf Peter Falk (SPD) ein. "Die Linie muss sein, dezentral vor Massenunterkünften, feste Bleibe vor Zeltstädten", formulierte Falk. Der Bürgermeister kritisierte Überlegungen, Flüchtlinge etwa in die Hallen der FFB-Schau zu stecken. Im Winter wäre es darin eiskalt und zugig.

Differenzen gibt es im Gemeinderat in Bezug auf die Einquartierung im Rathaus, aus dem die Verwaltung in den nächsten Tagen auszieht. Die CSU ist kategorisch dagegen, während Grüne und SPD davor warnten sich festzulegen. In Notfällen oder im Winter könnte man sich nicht dagegen sperren. Runge betonte, es wäre ja möglich, bloß Teile des Rathauses zu nutzen, etwa die Seitenflügel oder den großen Sitzungssaal für Deutschkurse.

Er berichtete, dass Mitarbeiter der Kreisbehörde schon Anfang August die Pläne des Rathauses bekommen hätten, in den folgenden Tagen und Wochen aber mehrfach wieder Pläne von der Kommune angefordert hätten. Bürgermeister Martin Schäfer (UWG) erzählte von einer Begehung von Hallen am Montag, als die Mitarbeiter des Landrates nach jedem Detail wie etwa Rauchklappen fragten, sich das Rathaus aber nicht einmal angeschaut hätten.

Planspiel Kreistag

Landrat Thomas Karmasin weist die Vorwürfe in Sachen Asyl zurück.

(Foto: Günther Reger)

Angezweifelt wurden auch die Zahlen, mit denen Landrat Karmasin operiert. Zwar gehen alle in Gröbenzell davon aus, dass die Zahl der Flüchtlinge weiter zunehmen wird, sind aber zuversichtlich, eine dezentrale Unterbringung organisieren zu können. Nach Angaben von Schäfer muss der Landkreis derzeit 2847 Asylbewerber aufnehmen. Der Bürgermeister verwies auf die Turnhalle in Puchheim, die auf knapp 200 Menschen ausgelegt und derzeit mit 70 Flüchtlingen belegt ist. Anfang Oktober wird in Puchheim eine Unterkunft für 170 Menschen fertig sein.

Sollten bis Jahresende tatsächlich 3000 Asylbewerber in den Landkreis kommen, entspreche das einer Zuwanderung von 1,5 Prozent, rechnete Markus Rainer (Grüne) vor. Aus demografischen Gründen sei Zuwanderung ein Vorteil, wer sonst solle in Zukunft die Renten finanzieren, angesichts niedriger Geburtenraten. Man könne stolz sein, in einem Land zu leben, das so attraktiv für viele Menschen sei. Das sei doch besser als Ungarn, meinte Rainer.

Renovierungsbedürftiges Gebäude

Landrat Thomas Karmasin und Martin Schuster, Leiter der Ausländerbehörde, haben die Vorwürfe aus Gröbenzell in Sachen Asyl am Freitag zurückgewiesen. "Gröbenzell bietet nur Sachen an, die nicht geeignet sind, oder wo nichts vorangeht", sagte der Landrat. Er nannte ein Waldgrundstück sowie das Haus in der Poststraße. Das Gebäude sei renovierungsbedürftig und die Gemeinde als Eigentümer habe 14 Euro Miete pro Quadratmeter verlangt, was "relativ stattlich" sei. Das Waldgrundstück habe die Kommune als Standort für eine Traglufthalle vorgeschlagen, nachdem die Kreisbehörde dafür mehrere andere Flächen in Gröbenzell ausgesucht hatte, die die Gemeinde wiederum nicht wollte, erklärte Schuster. "Bei der Besichtigung stellte sich heraus, dass das ein Urwald ist, der erst gerodet werden muss." Darum sei das Landratsamt nun auf das Züblin-Gelände gekommen. Karmasin will dort Zelte aufstellen und zudem das Rathaus belegen. Den Vorwurf des Bürgermeisters, die Kreisbehörde habe das Rathaus noch nicht mal besichtigt, lässt Schuster nicht gelten. Man brauche zuerst die prinzipielle Zustimmung der Gemeinde für die Belegung sowie Daten und den Mietpreis. "Einen Besichtigungstermin können wir dann kurzfristig machen", sagte Schuster. Eine Zustimmung bekam der Landrat vom Gröbenzeller Gemeinderat am Donnerstag weder für das eine noch für das andere Objekt. Eine Zeltstadt lehnte das Gremium in der Sitzung einstimmig ab. Einen Beschluss über das Rathaus fasste der Gemeinderat nicht, der in dieser Frage gespalten ist. Bürgermeister Martin Schäfer (UWG) will erst weitere Informationen von der Kreisbehörde und Peter Falk (SPD) schlug vor, Karmasin zur nächsten Sitzung einzuladen. Auch den Vorwurf, mit Zahlen zu jonglieren, wies der Landrat zurück. Insgesamt seien derzeit etwa 1300 Flüchtlinge im Kreis untergebracht plus 800 Menschen im Erstaufnahmelager auf dem Brucker Fliegerhorst. Bis Dezember werde der Landkreis dazu einen Anteil von 4,7 Prozent an 36 000 Asylbewerbern übernehmen müssen, die Oberbayern wohl zugewiesen werden. Das wären weitere etwa 1700 Menschen. Karmasin drohte Gröbenzell am Freitag, Gebäude und Flächen zu beschlagnahmen, sollte die Gemeinde keinen Platz für eine Massenunterkunft zur Verfügung stellen.

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