Gröbenzell:Fesselnd jeder einzelne Ton

Gröbenzell: Pianis DENNIS SCHEEMANN - Gröbenzeller Konzertreihe, Rudolf-Steiner-Schule

Chopin-Etüden als Zugabe: Dinis Scheemann bei seinem Auftritt in der Steiner-Schule Gröbenzell.

(Foto: Johannes Simon)

Dinis Schemanns Klavierrécital bei Gröbenzeller Konzertreihe

Von Klaus Mohr , Gröbenzell

Eine Premiere und Altbewährtes zugleich gab es beim Konzert der Gröbenzeller Konzertreihe am Samstag in der Rudolf-Steiner-Schule: Mit Dinis Schemann war die eine Hälfte des Schemann-Klavierduos in einem Solorécital zu hören. Ob es die "bessere Hälfte" des Pianisten-Ehepaares war, lässt sich angesichts der fehlenden Vergleichsmöglichkeit nicht entscheiden, doch war das Konzert in jedem Fall alles andere als eine halbe Sache. Auf dem Programm standen Werke von Ludwig van Beethoven und Franz Schubert, die an der Schwelle zum 19. Jahrhundert und in dessen ersten Jahrzehnten in Wien komponiert wurden.

Den Schluss- und vielleicht Höhepunkt des Konzerts bildete Beethovens Klaviersonate in f-Moll op. 57, nachträglich vom Verleger mit dem Titel "Appassionata" versehen. Dieses Werk aus der mittleren Schaffensperiode des Komponisten stand bei ihm selbst in hohem Ansehen. Es erfordert im Urteil des Beethoven-Schülers Carl Czerny, dass "dieselben geistigen und physischen Kräfte gegenüber früheren Werken hier in doppeltem Grade in Anspruch genommen werden müssen, um das großartige Tongemälde würdig und mit voller Wirkung zu entfalten."

Mit hoher Konzentration nahm sich Dinis Schemann dieser Sonate an und demonstrierte insbesondere im Hinblick auf klug disponierte musikalische Entwicklungen ein sehr intelligentes Klavierspiel. Die mitunter schroffen Gegensätze arbeitete er differenziert heraus, was auch für die Gewichtung der einzelnen Stimmen galt: Schemann gab dem Primat der Melodie breiten Raum und ordnete andere Stimmen klar unter. Damit entstand ein Klang, der keine Distanz zwischen Pianist und Werk erkennen ließ, sondern diesen als Akteur mitten ins Geschehen nahm. Diese Unmittelbarkeit des Spiels, die sich letztlich auf jeden einzelnen Ton bezog, fesselte das Publikum in höchstem Maß. Verglichen mit anderen Interpretationen der Appassionata lebte die Wiedergabe durch Dinis Schemann von einer beachtlichen Eigenständigkeit, indem sie oft andere Facetten ausleuchtete. Dennoch verselbständigte sich die Interpretation nicht, sondern verblieb ganz in der Faktur des Werks.

Franz Schuberts vier Impromptus op. 90 überzeugten insbesondere dadurch, dass jedes Stück seinen ganz eigenen Charakter entfaltete. Das zweite Impromptu in Es-Dur erlebte man hier so, als ob es den Titel "Klangrausch" tragen würde. Die sich wie eine absolut ebenmäßige Klanglinie herabwindende Triolenfolge legte die Stütztöne in eindrucksvoller Weise frei. Dadurch kam eine große Geste auf, die aber keinerlei Pathos hatte. Das nächste Stück in Ges-Dur mutete wie eine Barkarole an, bei der die durchgehende Mittelstimme beruhigend wogte, aber so ebenmäßig-zurückhaltend gespielt wurde, dass sie das Ohr des Zuhörers ganz auf die wunderbar singende Oberstimme lenkte. In deren vital fokussierter Kantabilität fand sich letztlich der Schlüssel zur sensiblen Eindringlichkeit des Klavierspiels von Dinis Schemann, wie sie sich auch im vierten Impromptu in As-Dur noch einmal zeigte.

Der Abend wurde mit Beethovens Sonate in c-Moll op. 10 Nr. 1 eröffnet, einem Werk, das in Schuberts Geburtsjahr 1797 komponiert worden war. Hier zeigten sich Merkmale der späteren Interpretationen in ähnlichen Ansätzen. Am Ende wurde Dinis Schemann wohl gerade aufgrund der Plastizität des Musikerlebnisses vom Publikum stürmisch gefeiert. Er bedankte sich dafür mit zwei gegensätzlichen Chopin-Etüden als Zugaben.

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