Gröbenzell:Auf den Spuren schwäbischer Siedler

Süddeutsche Auswanderer gründeten vor 326 Jahren Pilisvöresvár. Deren Einfluss prägt die ungarische Partnerstadt von Gröbenzell noch heute

Von Gerhard Eisenkolb, Gröbenzell

Touristen verlaufen sich nicht viele in die Gröbenzeller Partnerstadt Pilisvöresvár. Die fahren gleich noch 18 Kilometer weiter bis zur ungarischen Hauptstadt Budapest. Dabei lohnt es sich durchaus, in der in einem weiten, idyllischen Hochtal des Pilisi-Gebirges gelegenen Kleinstadt halt zu machen. In dem Ort hatten früher Budapester ein Ferienhaus, es gibt also auch eine lokale touristische Tradition. Seit die ehemalige Bergarbeiterstadt aber immer mehr zu einem Budapester Vorort wurde, liegen die Ferienhäuser einige Kilometer weiter entfernt in dem bewaldeten Mittelgebirgszug, der ein beliebtes Wander- und Ausflugsgebiet ist.

Viele der Touristen, die Wereschwar, das ist der deutsche Name der Kleinstadt, ansteuern, kommen nämlich wegen dessen deutscher Wurzeln. Die ersten Siedler in Pilisvöresvár waren nämlich vor 326 Jahren Donauschwaben, Bayern und auch Elsässer. Und deren Bauwerke und deren Kultur prägen noch immer die Stadt. Zu finden sind aber auch fünf kleinere Baggerseen, ein Relikt des Braunkohlebergwerks, mit einem Badestrand am "Zigeunersee". Wegen der deutschen Auswanderer ist hier noch ein "Rotburger Brauhaus" zu finden, das selbst gebrautes "bayerisches" Bier ausschenkt, oder ein Gasthaus mit dem Namen "Gilde Bierstube". Das stattlich Rathaus war um 1700 noch als Postkutschenstation erbaut worden. Dann war es fast 200 Jahre lang ein Gasthaus, bis 1895 die Gemeindeverwaltung hier einzog. Die süddeutsch barocke katholische Pfarrkirche erbaute 1703 der im Ort ansässige Baumeister Johann Danckmayr. Der Hauptaltar aus Marmor stand bis 1945 in der königlichen Burg in Budapest. Und das in der Stadtmitte in einem alten Bauernhaus untergebrachte Heimatmuseum dokumentiert das einfache bäuerliche Leben der Donauschwaben und Auswanderer in ihrer neuen Heimat. Die Ausstellungstücke, vor allem Möbel, Gebrauchsgegenstände und Trachten, stammen vornehmlich aus dem 19. und vom Beginn des 20. Jahrhunderts.

Obwohl die rund 14 000 Einwohner zählende Stadt in Ungarn immer noch der Ort mit dem größten deutschstämmigen Bevölkerungsanteil ist und deren Einfluss unübersehbar ist, wäre es falsch, Pilisvöresvár nur auf diesen Aspekt zu reduzieren. Den eigentlichen Reiz macht für Ludwig Nadasi gerade die Verschmelzung des Ungarischen mit dem Deutschen aus. In der Kleinstadt haben sich über Jahrhunderte zwei Kulturen gemischt. Nur sind die Deutschstämmigen im Gegensatz zu früher nicht mehr in der Mehrheit. Die früher typischen einstöckigen Häuser mit einem Giebel zur Straßenseite und Zimmern im hinteren Bereich, die nur über eine Terrasse zu erreichen sind, enthalten ungarische und deutsche Stilelemente.

Bei Nadasi weckt ein Aufenthalt in Pilisvöresvár vor allem eines: Heimatgefühle. Schließlich wurde er ganz in der Nähe in Budapest geboren, er hat eine deutschstämmige Mutter und einen ungarischen Vater. Der 67 Jahre alte Rentner lebt zwar seit 50 Jahren in Deutschland, besucht aber oft und regelmäßig seine frühere Heimat. An Pilisvöresvár liebt der Vorsitzende des deutsch-ungarischen Vereins von Gröbenzell das Ursprüngliche. Hier keltern noch viele ihren Wein selbst, dessen Trauben an den Hänge des Pilis-Gebirges reifen. Hier schlachten im Winter viele noch selbst ein Schwein und verwursten einen Teil davon nach Hausrezepten. Und es werden nach "schwobischen" Rezepten noch Nudelgerichte wie der Grenadiermarsch gekocht. Das ist eine Mischung aus Bundnudeln, gekochten Kartoffeln, gerösteten Zwiebeln und Gewürzen, vor allem Paprika darf nicht fehlen. Also deftige, fleischlose Hausmannskost . Natürlich gibt es auch ungarische Gerichte wie ein kräftiges Gulasch.

Wer die Stadt auf die gleiche Art erleben will, die Ludwig Nadasi so schätzt, also die Gespräche und die typische traditionelle Hausmannskost, ist auf eine Privateinladung angewiesen. Da in Pilisvöresvár immer noch viele deutsch sprechen, stehen die Chancen, mit den Bewohnern in Kontakt zu kommen, gar nicht so schlecht. Die Partnerschaft mit Gröbenzell kam nur zustande, weil ein Gröbenzeller vor 25 Jahren in der ungarischen Stadt eine Autopanne hatte und sehr gastfreundlich aufgenommen worden war.

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