Gröbenzell:Architektur zum Wohlfühlen

Passivhaus Gröbenzell

Die neue Kinderkrippe in der Freilandstraße verbindet die Gartenstadtidee mit anspruchsvoller Architektur und ist ein zertifiziertes Passivhaus.

(Foto: Günther Reger)

Die neue Kinderkrippe in der Freilandstraße in Gröbenzell wird als Passivhaus zertifiziert. Planer Gernot Vallentin löst die Aufgabe vorbildlich, auf einem langen schmalen Grundstück in einem Wohnviertel ein großes Gebäude zu errichten

Von Gerhard Eisenkolb, Gröbenzell

Die Gröbenzeller legen besonders viel Wert auf ein gutes Lebensgefühl und das Wohnumfeld in ihrer grünen Gemeinde, die trotz des aktuellen Baubooms immer noch einen stattlichen Altbestand an großen Bäumen aufweist. Geht es darum, sich in der unmittelbaren Nachbarschaft wohlzufühlen, leistet die erst im Dezember eröffnete, von der Gemeinde errichtete viergruppige Kinderkrippe in der Freilandstraße hierzu einen außergewöhnlichen Beitrag. Zum sich Wohlfühlen gehören in einer Gartenstadt neben dem Grün nämlich auch die passenden Gebäude. Vorbildlich ist sicher nicht nur die Passivhausbauweise der Krippe, sondern auch deren gelungene Architektur mit der das Gebäude prägenden Verschalung aus hellem Lärchenholz samt der Gartenplanung und dem Erhalt alter Bäume.

Die Leistung des Architekten Gernot Vallentin ist wegen des Zuschnitts des schlauchartigen Grundstücks umso bemerkenswerter. Für Vallentin, der sich damit schmückt, ein zertifizierter Passivhausplaner zu sein, ist sein etwa 15 Meter breites und 40 Meter langes Bauwerk mehr als ein geometrischer Kubus mit Wänden. Er bezeichnet den eigenwilligen Komplex mit vor- und zurücktretende Bauelemente als "skulpturisch". Damit ist das Gebäude nicht nur Haus und auch noch keine Skulptur, eben ein Zwischending. Zudem hat die Eigenschaft, ein Energiesparhaus zu sein, nur wenig mit der architektonischen, skulpturalen Gestaltung zu tun. So liegt der Jahresenergiebedarf je Quadratmeter Nutzfläche zwar unter fünfzehn Kilowattstunden, aber die mit Lärchenholz verschalte Fassade leistet hierzu keinen Beitrag. Unter energetischen Gesichtspunkten bringt die Außenhülle außer der wohltuenden Anmutung keine Vorteile, allerdings wird das der Hitze, Kälte und dem Regen ausgesetzte Holz sich mit der Zeit verändern und eine ansprechende Patina erhalten. Wie bei einem Chalet in den Bergen ist die Holzverkleidung also ein Zeichen der Wohnlichkeit.

Dem Architekten bedeutet das in der Kita verbaute Holz jedoch noch mehr. Innen und außen ist für ihn das Holz das alles verbindende Element. Dieses Material taucht neben den Stahlbetontragwerk sogar in den hochdämmenden Außenbauteilen auf, die in Holzständerbauweise errichtet wurden. Zudem ist es ein nachhaltiger Rohstoff, langlebig und zieht nur geringe Wartungskosten nach sich. Die rhythmisierte, lebendige Holzfassade - die unbehandelten Bretter sind unterschiedlich breit - ist also eines von vielen raffiniert eingesetzten Gestaltungsmitteln und eines der Leitmotive.

Mit ein paar weiteren geschickten Kniffen wird erreicht, dass der relativ große Gebäudekubus auf dem extrem schmalen, aber dafür umso längeren Baugrundstück eine ansprechend Wirkung erhält. Deshalb stößt er in dem Wohnquartier nicht als Fremdkörper auf, sondern fügt sich harmonisch in die Umgebung ein. Das Haus hat kaum rechte Winkel. Die extrem langen Seitenwände werden optisch geschickt verkürzt. Und zwar durch spielerische auskragende Elemente wie leicht zurück- und vortretende Wände, farbig gestaltete Erker, massive Umrahmungen der je nach der Funktion der Räume mal größeren, mal kleineren Fenster sowie Treppenabgänge vom ersten Stock in den Garten.

Es gibt nur wenige Bauvorhaben in Gröbenzell, über die die Gemeinde mit den Nachbarn so intensiv diskutierte und stritt wie über die Kita, die an einer Stelle entstand, an der zuvor etwa dreißig Jahre lang ein weniger ansehnliches Kindergartenprovisorium stand. Dem Konzept des Nachfolgebaus haben diese Auseinandersetzungen nicht geschadet. Ganz im Gegenteil. Weil Anwohner beispielsweise befürchteten, dass nach dem Bezug der Krippe die enge Freilandstraße von deren Mitarbeitern sowie den an- und wegfahrenden Eltern zugeparkt würde, wurde das Haus soweit zurückgesetzt, dass zur Straße hin ein großzügiger, einladender Platz entstand, der zur Enge der Freilandstraße kontrastiert und zum Atmen einlädt.

Zudem verfügt schon dieser Parkplatz mit einem kleinen Holzkubus für Tonnen, mit einem fast identischen Holzhaus für Fahrräder und mit noch kleinen Bäumen und wandartigen Hecken an den Randzonen trotz der Öffnung zur Straße hin über gestalterische Elemente, die ihm den Charakter eines eigenen Innenraums verleihen. Dieses Konzept von Außenräumen in Fortsetzung der Innenräume wird auch bei der Gartengestaltung aufgegriffen. Vor allem an der Südseite, wo mehrere Spielbereiche entstanden. Ein echtes Gartenstadtbauwerk ist die Kita dort, wo noch ein alter großer Apfelbaum und zwei stattliche Birken erhalten blieben.

Trotz des ungewöhnlichen Grundrisses wirken auch die Innenräume erstaunlich großzügig. Die extrem langen Gänge weiten sich an Erkern aus und sind deshalb weder klein noch eng, sondern lassen sich als Spielbereiche nutzen. Tief gelegene Guckfenster für Kinder in den Türen sind verspielte Details, die daran erinnern, dass hier die Kleinen im Mittelpunkt stehen. Fußbodenholzleisten, Holztüren und Türrahmen sind aus dem gleichen Material, nämlich mehrfach verleimten Multiplex-Holzplatten hergestellt und daher an der Schnittseite helldunkel gestreift. Was wieder an den Rhythmus der Holzfassade anspielt.

Allerdings hat gute Architektur auch ihren Preis. So belaufen sich die Gesamtbaukosten für das kommunale Gebäude mit einer Nutzfläche von insgesamt 700 Quadratmetern auf 3,9 Millionen Euro. Das ist ein stattlicher Preis für eine Krippe mit vier Gruppen. Der Gemeinde Gröbenzell sind die Kleinsten also viel Geld wert.

Die wenige Wärme, die dem Gebäude zugeführt werden muss, wird mit einer Grundwasserwärmepumpe gewonnen. Eigentlich heizen ja auch die Bewohner mit ihrer Körperwärme mit. Eine Lüftungsanlage soll in der kalten Jahreszeit Wärmeverluste durch das Öffnen von Fenstern verhindern. Im Sommer lässt sich die Wärme nur draußen halten, wenn die Jalousien an den großen Fenstern der Süd- und Westseite rechtzeitig geschlossen werden. Kürzlich wurde an der Kindertagesstätte ein Plakette angebracht, die das Gebäude als zertifizierte Passivhaus ausweist. Zweiter Bürgermeister Martin Runge (Grüne), der sich früher dafür einsetzte, dass Gröbenzeller Bauherren, die Energiesparhäuser bauen mit mehr Baurecht belohnt werden, zeigte sich über die Plakette besonders erfreut. Immerhin setzt die Krippe auch Maßstäbe für das neue Rathaus, die hoffen lassen.

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