Gröbenzell:Absage an Binnengrenzen

Katharina Schulze

Wie die Grünen die innere Sicherheit stärken wollen, erklären Katharina Schulze (links) und Beate Walter-Rosenheimer in Gröbenzell.

(Foto: Johannes Simon)

Katharina Schulze, Chefin der Grünen-Fraktion im Landtag, spricht sich für ungehindertes Reisen innerhalb der EU aus

Von Ariane Lindenbach, Gröbenzell

Routinepasskontrollen an der Grenze zwischen Deutschland und Österreich für die innere Sicherheit? "Binnengrenzen wie vor der EU gibt es mit uns Grünen nicht", erklärt Katharina Schulze mit von Inbrunst geröteten Backen. Gerade hat die Landtagspolitikerin und Sprecherin für Inneres und Strategien gegen Rechtsextremismus der Grünen bei ihrem Vortrag "Die Sicherheit frei machen" in Gröbenzell erläutert, wieso das grenzenlose Reisen innerhalb der Europäischen Union ein so wichtiges Symbol für die Staatengemeinschaft und ihre Bewohner ist. Weil eben jeder, der sich innerhalb des europäischen Raumes bewegt, diese grenzenlose Freiheit und dieses Gefühl der Zusammengehörigkeit erlebe.

An der Antwort auf die von einem jungen, nach eigenen Angaben mit der AfD sympathisierenden Zuhörer gestellte Frage nach Kontrollen an den deutschen Grenzen zeigt sich exemplarisch, wie Schulze und die Grünen die Sicherheit in Deutschland verbessern wollen. "Wir wollen mit den Mitteln des Rechtsstaats für Sicherheit sorgen", bestehende Gesetze sollten konsequent angewandt werden, statt neue zu schaffen, die vermeintlich Sicherheit schaffen, aber tatsächlich die Freiheit der Bürger beschneiden würden, erklärt Schulze vor den etwa zwei Dutzend Zuhörern, die fast alle selbst bei den Grünen sind.

"Wir wollen keine Massenüberwachung, wir wollen keine Vorratsdatenspeicherung", unterstreicht die 30 Jahre alte Fraktionsvorsitzende. Sie ist mit Beate Walter-Rosenheimer, der Grünen-Bundestagsabgeordneten aus Germering, an diesem Montag nach Gröbenzell gekommen.

Im dortigen Freizeitheim legt Schulze nun am Beispiel des Attentäters von Berlin dar, was sie damit meint. Nämlich, dass der Täter den Behörden in mehreren Bundesländern schon im Vorfeld bekannt war, es die rechtliche Möglichkeit gegeben hätte, ihn länger festzunehmen oder gar abzuschieben, aber nichts dergleichen geschehen sei. Stattdessen reagierten manche Politiker, vor allem der Union, nun mit der Forderung nach schärferen Gesetzen, zum Beispiel bei Abschiebungen von Ausländern. Dass solche Rufe zwar bei manchen Wählern gut ankämen, aber im Grunde nicht viel brächten, belegt Schulze mithilfe von aktuellen Daten der bayerischen Polizei: Demnach sind acht der 16 als Gefährder eingestuften Personen deutsche Staatsbürger; eine Verschärfung der Abschiebepraxis würde bei ihnen überhaupt nicht greifen. Dennoch habe die CSU hier die entsprechenden Gesetze verschärft, und tue nun so, als habe sie damit Bayern ein gutes Stück sicherer gemacht.

Insgesamt geht Katharina Schulze in ihrem klar gegliederten Vortrag auf drei große Herausforderungen der bayerischen Polizei ein: Islamistischer Terrorismus, generelle Radikalisierungstendenzen der Gesellschaft und Cyberkriminalität. "Die rechte Szene war in Bayern schon immer gut vernetzt." Die Landtagspolitikerin verweist darauf, dass die Hälfte der zehn NSU-Morde in Bayern begangen wurde und führt das auf ein starkes Netzwerk zurück. Eine weitere Zahl: Laut Polizei leben derzeit rund 3000 Reichsbürger in Bayern.

Solchem gesellschaftlichen Abdriften will die Grüne vor allem mit Präventionsarbeit begegnen. "Die Innen- und Sicherheitspolitik für uns Grüne beginnt nicht erst bei der Polizei." Sondern mit entsprechenden Angeboten zur Demokratiebildung oder Deradikalisierung in Schulen, Kindertagesstätten sowie bei anderen Anlaufstellen. Ferner müssten Justiz und Sicherheitsbehörden mit ausreichenden Mitteln ausgestattet und Gesetze an heutige Erfordernisse angepasst werden. "Terrorismus, Cyberkriminalität, die machen nicht an Ländergrenzen Halt", eine europäische Innen- und Sicherheitspolitik sei schon allein deshalb unvermeidlich. Mit Blick auf die Situation in Deutschland erklärt sie, dass die föderale Struktur der Polizei ebenfalls neu geordnet werden müsse.

Die in der Einladung angekündigte Diskussion mit Schulze und Walter-Rosenheimer bleibt mit wenigen Fragen aus der Zuhörerschaft etwas mau. Ein Mann will wissen, wieso die Grünen die CSU wegen ihrer Flüchtlingspolitik nicht stärker attackiere. Schließlich schaffe sie mit der restriktiven Handhabe, etwa bei der Arbeitserlaubnis, bei den Asylbewerbern, genau den Frust, der zur Radikalisierung führen könne und die Menschen in den Islamismus treibe.

Das würden die Grünen schon auf allen Ebenen versuchen, antwortet die Gefragte. Aber sie würden oft wenig Gehör finden, da sie als kleine Oppositionspartei für die Medien nicht von Interessen sei. Aber: "Wir sind inzwischen engste Verbündete der IHK. Die sagen auch: Mensch, was ist mit der CSU los."

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