Grafrath:Von Worten umschmeichelt

Der Lichtkünstler Georg Trenz spricht zum einjährigen Bestehen des Kunsthauses Bella Martha über seine Arbeit, die Anfänge und die Geschichten, die sich hinter seinen Installationen verbergen. Mit seinen Projektionen schafft er seit 20 Jahren traumhafte Parallelwelten

Von Julia Bergmann, Grafrath

"Am Anfang waren es nichts anderes als Kopfgeburten", sagt der mehrfach preisgekrönte Lichtkünstler Georg Trenz über seine frühen grafischen Arbeiten. "Sie hatten die Aufgabe, das Wort als Bild zu zeigen." Der Projektor wirft ein schlichtes Schwarz-weiß-Motiv an die Wand. "Gefühl" liest das Gehirn, um bald festzustellen, dass das Gefühl, das manchmal so verschwommen und vage scheint, bei Trenz zwei Ausrufezeichen in der Wortmitte trägt. Trenz spricht zum einjährigen Bestehen der Reihe "Jour Fixe" im Kunsthaus Bella Martha über seine Arbeit, die Anfänge und über die Geschichten, die sich hinter seinen Installationen verbergen. Seit rund 20 Jahren arbeitet der Künstler mit Licht, Raum und Sprache, seit vielen Jahren schafft er gemeinsam mit seinem Kollegen Detlef Hartung Illusionen aus Licht und Schatten, aus Raum und Wort. Nicht nur die Brucker Kulturnacht ist Schauplatz für die flüchtigen Buchstabenteppiche der beiden Künstler. Auch die Loreley, die Stadtmauer in Jerusalem, das Kaiser-Wilhelm-Denkmal am Deutschen Eck in Koblenz und das Festival Center in Adelaide in Australien durften sich bereits in Trenz'sche Schrift hüllen und sich von Worten in gigantischen Dimensionen umschmeicheln lassen.

Lichtinstallation Georg Trenz, Ave Maria, Klosterkirche Fürstenfeldbruck

Georg Trenz bezieht die Wände einer Kirche in die Lichtinstallation mit ein.

(Foto: Detlev Hartung und Georg Trenz)

Begonnen hat alles ganz klein. Genauer gesagt mit grafischen Werken auf etwa 20 mal 30 Zentimetern. Dann 1994, Trenz hatte gerade für seine Diplomarbeit an der Akademie der Bildenden Künste in München den Debütantenpreis erhalten, kam der "Riesenschreck". Es gab kein Preisgeld, sondern man bekam einen kleinen Katalog und eine Ausstellung in der Akademie finanziert. "Ich hatte lauter A-4-Arbeiten und sollte in diesem Raum mit was weiß ich wie vielen Quadratmetern ausstellen." Was tun? Grafisch zumindest sollte es bleiben. Und schließlich stand die Idee mit der Projektion im Raum. Trenz projizierte Buchstaben und Symbole auf die Gobelins, die die Wände der Akademie schmückten. Die Folge: ein riesen Aufschrei. "Die Kanzlerin war aufgebracht, die Gobelins waren kurz zuvor für eine Million restauriert worden", erinnert sich der Künstler. Dieser Trenz verbrenne die wertvollen Kunstwerke mit seinen Dias, so die Befürchtung. "Noch heute geht das Gerücht, die Kanzlerin der Akademie könne, wenn sie den Gobelin betrachte, das E noch immer erkennen", sagt Trenz und lächelt versonnen.

Lichtinstallation Georg Trenz Parkgeschehen Allee

Ohne kitschig zu sein, schafft der Lichtkünstler Georg Trenz eine Traumwelt. Hier wirft er Projektionen auf die Bäume und Büsche in einem Park.

(Foto: Georg Trenz und Detlef Hartung)

Es folgten weitere Projekte, Spiele mit Wortreihen, Semantik und Raum, Installationen mit bis zu 15 Diaprojektoren, die die Buchstaben schräg durch den Raum auf Wände, Fenster und Besucher warfen. "Durch die Bewegung der Besucher entstanden ständig neue Strukturen", erzählt Trenz. Die Schrift beginnt zu tanzen, als würde der Windhauch jeder Bewegung sie ein kleines Stück weit mittragen. Für Trenz eine aufregende Beobachtung. Einmal, erinnert er sich, habe ein Pärchen bei einer Vernissage, fasziniert vom Reigen der Buchstaben, begonnen, vor einer seiner Installationen einen Tango aufs Parkett zu legen. Immer wieder hielten die Installationen für Trenz Überraschungen bereit. Das eine Mal etwa, als er seine Projektoren Richtung Fenster richtete und nach einem Tag bemerkte, das irgendjemand seine Dias zerschnitten hatte. Am Tag darauf das selbe Spiel. Trenz war ratlos - zunächst. Bis ihm irgendwann ein Licht aufging. Kein böswilliger Wortprojektions-Gegner hatte sich an seinen Dias vergriffen, nein, die Sonne, die nachmittags am Fenster vorbeizog, hat ihre Laufbahn als Linie in die kleinen Bilder gebrannt. "Jede vorbeiziehende Wolke war als kleine Unterbrechung dieser Linie zu erkennen", erzählt er.

Lichtinstallation Georg Trenz Spielraum

Der Künstler inszeniert auch Häuserfassaden neu.

(Foto: Georg Trenz)

Wo Trenz projiziert, begeistert er. Weil man sich in seiner Kunst wie in einer surrealen Parallelwelt treiben lassen kann, weil das, was man sieht, konkret scheint und doch Illusion ist, sich von der Ferne als scharfer Umriss zeigt und beim Nähertreten in Luft auflöst. Ohne kitschig zu sein, schafft Trenz eine Traumwelt, in der die Dinge, die man wahrnimmt nicht da sind, die sich, will man sie fassen, der suchenden Hand entziehen.

Obwohl die Projektionen der beiden Künstler Hartung und Trenz gigantisch wirken, werden sie technisch, wo möglich, simpel gehalten. Auf dem Land, weit entfernt von dem nie endenden Leuchten der Stadt, reiche etwa schon ein einziger 150 Watt-Projektor aus, um großformatige Projektionen zu erschaffen. Doch auch wenn die Technik simpel gehalten wird, die Arbeiten sind hochkomplex, werden millimetergenau gesetzt, die Gedanken dahinter auf vielen Ebenen reflektiert. Worte werden in arabischer und hebräischer Schrift übereinandergelagert, Filmvorsätze sorgen für bewegte Texte, organische Formen werden mit Inhalten kombiniert, wie vor 19 Jahren in der Galerie Carol Johnssen zum Thema "Liebesgeschichten". Ein Raum, kaum größer als eine Besenkammer stand Trenz zur Verfügung - und draußen vor dem Fenster ein alter Baum. Der Gedanke an Ovids Metamorphosen, an die unglückliche Liebesgeschichte von Daphne und Apoll, erschien ihm vor seinem inneren Auge. Daphne lässt sich darin vor der unerwünschten Liebe des Apoll fliehend in einen Baum verwandeln. Trenz fertigt Skizzen an, die der Form der Äste folgen, kreiert Dias, die durch das Fenster hindurch einzelne Textpassagen Ovids auf das Geäst fließen lassen. Und die zwei Lagen Glas werfen das Licht zurück in den Raum, malen die organischen Strukturen ins Innere. Eines von Trenz jüngsten Projekten, eine Installation im Lindenhofpark in Lindau, spielt wieder mit der Struktur von Bäumen. "Vor 20 Jahren hatte ich schon einmal ein Baum-Projekt, also wusste ich ungefähr wie es geht. Nur nicht in diesen Dimensionen", sagt Trenz, der Meister des Lichts, in aller Bescheidenheit.

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