SZ-Serie:Torpedo im Boot des Märchenkönigs

Jürgen Horbach erforscht die Geschichte der Flößerei und Dampfschifffahrt. Er kennt das Schicksal der für Ludwig II. gebauten "Tristan". SZ-Serie "An der Amper - Menschen am Fluss", Teil 5

Von Peter Bierl, Grafrath

Die große Zeit der Schifffahrt auf der Amper, vielleicht die zweite nach der Bronzezeit, beginnt im 18. Jahrhundert und endet mit dem Zweiten Weltkrieg. Heute paddeln vor allem Freizeitkapitäne mit Schlauchbooten auf dem Gewässer. Einst verkehrten Dampfschiffe wie die "Mooskuh" und die "Tristan" zwischen Grafrath und Stegen, in der Nacht wurden Langbaumflöße flussabwärts bugsiert. Erforscht hat diese Epoche Jürgen Horbach. Er stammt aus Gladbeck, früher eine reine Bergarbeiterstadt im Ruhrpott. Schon als Kind interessierte er sich für alles was schwimmt und fliegt. Als kleiner Junge bastelte er mit dem älteren Bruder an Schiffsmodellen und wollte Pilot werden. Eine Rot-Grün-Blindheit verwehrte ihm den Eintritt in die Luftwaffe, er landete bei den Panzergrenadieren. Als Vertriebsleiter einer Firma, die Baby- und Kindernahrung herstellt und verkauft, kamen er und seine Frau nach München. Sie wohnten in Puchheim und Fürstenfeldbruck, bis sie 1992 nach Kottgeisering zogen.

"Wir wollten Richtung Ammersee, weil wir uns für Wassersport interessierten", sagt Horbach. Das Faltboot mit Segel, mit dem sie lange auf dem Rhein geschippert waren, wird am See zu Wasser gelassen. Horbach schließt sich einem Segelklub an, interessiert sich für die Geschichte der Schifffahrt auf dem Ammersee und auf der Amper und hält bei Klubabenden erste Vorträge. Er engagiert sich beim Förderverein Südbayerisches Schifffahrtsmuseum, der viele Jahre lang vergeblich versucht hatte, ein solches Haus am Starnberger See einzurichten, und am Ammersee einen zweiten Anlauf nahm.

Auch hier zerschlugen sich die Hoffnungen, weil die Kommunalpolitiker kein übermäßiges Engagement zeigten, wie Horbach erzählt. Der Verein, in dem Horbach Vorstandsmitglied war, löste sich auf, eine bildschöne Dampfbarkasse mit Jugendstilfenstern und Original-Maschine ging zurück an die Schiffsbauerfamilie Feßler am Chiemsee, den Rest der Sammlung übernahm das Internationale Deutsche Schifffahrtsmuseum in Hamburg. Aber Horbach hatte sein Thema gefunden, das er seitdem beim Historischen Verein Fürstenfeldbruck weiter verfolgt.

Er berichtet davon, wie man seit dem 18. Jahrhundert Stämme von Bäumen, die in den Kloster- und späteren Staatswäldern bei Dießen und Wildenroth als Bauholz gefällt und zu Flößen verbunden wurden, transportiert wurden. Sie waren bis zu 18 Meter lang und vier Meter breit. Auf dem Ammersee segelt die Besatzung, in der Amper wird mit Stangen gestakt oder mit Ochsengespannen am Ufer getreidelt. Von der Menge her wichtiger war die Trift, kleineres Scheitholz zum Verbrennen oder für die Papiermühlen in Olching und Dachau, sagt Horbach. Die Scheite schwammen bei Hochwasser oder Schneeschmelze vom Gebirge in der Ammer bis zum See, wo sie an der Mündung der alten Ammer durch einen Rechen abgeleitet und durch einen Stichkanal in eine Bucht, die "Grüabla", abgeleitet wurden.

Kurfürst Maximilian II. genehmigte 1766 die Trift auf der Ammer, dem Ammersee und der Amper. Anfangs wurden die Scheite auf Schiffen nach Stegen transportiert. Seit 1774 bauten Fischer in der Bucht bei Dießen große Holzrahmen, in die die Scheite gesteckt wurden, und verbanden sie zu Flößen. Diese großen Holzschären waren 170 bis 180 Meter lang, hatten zwei Masten für Segel und etliche Ruder. 60 bis 70 Mann Besatzung waren notwendig, um die Ungetüme bei Wind und Wellen bis Stegen zu manövrieren. Dort wurden die Flöße in zwei Tagen auseinander genommen und die Scheite in die Amper geworfen.

Diese Trift wurde um 1859 aufgegeben, die Langholzflöße hielten sich bis 1930 zum Ärger der Anwohner. Die Holzscheite beschädigten das Ufer oder verhakten sich und lösten Überschwemmungen aus. Oft fuhren Arbeiter in Booten hinterher, um die Scheite wieder loszumachen. Außerdem wurden Scheite geklaut. Horbach schätzt den Verlust auf etwa zehn Prozent der Gesamtmenge. Die Langholzflöße wiederum waren ein Problem für die Müller sowie die ersten Wasserkraftwerke

Amper 5

SZ Grafik

Die Flößer betätigten die Schleusen selbständig und verschafften sich Wasser, das den Stromerzeugern fehlte. Im Dezember 1920 war Fürstenfeldbruck deswegen "längere Zeit ohne Licht und Kraft", heißt es in einem zeitgenössischen Bericht. Schließlich lösten Eisenbahn und Lastauto die Flöße ab, die seit 1880 ohnehin nur noch in der Nacht verkehren durften, um den Dampfschiffen nicht in die Quere zu geraten.

1873 eröffnete an der Bahnlinie München-Lindau die Station Grafrath. Erstmals strömten Sommerfrischler in größerer Zahl aus München an den Ammersee. Zuerst gab es eine Stellwagen-Verbindung nach Stegen, die aber nur für ein paar Leute mit Gepäck ausreichte. 1879 baute die Firma Maffei ein Schiff, das mit Pferdegespannen an die Amper gezogen wurde. Die "Marie Therese", benannt nach der bayerischen Königin, pendelte ab dem 10. Mai 1880 drei Mal am Tag zwischen Grafrath und Stegen. Die "Resl" oder wegen ihres Tutens auch "Mooskuh" genannt, war ein Dampfer mit hohem Kamin und Sonnensegel für das Achterdeck der ersten Klasse. Das Schiff konnte nicht direkt nach Herrsching fahren, weil im See eine Bodenschwelle kurz vor dem Ausfluss der Amper liegt. Der Dampfer fuhr bis zu der Stelle, wo heute die Autobahnbrücke über die Amper führt. Von dort ging es in einen Stichkanal bis Stegen in ein Wendebecken, heute ist das ein großer Parkplatz. Dort konnten die Passagiere in den Ammerseedampfer umsteigen.

Die Kapazität reichte bald nicht mehr, zwei Kähne mit Steuerleuten wurden angehängt. Seit 1887 war die "Tristan", die als Dampfer für Ludwig II. am Starnberger See gebaut worden war, als Schlepper für einen Kahn im Einsatz. Dann wurden die Aufbauten abmontiert und die königliche Yacht zum Arbeitskahn degradiert. 1945 wurde die "Tristan", beladen mit einem italienischen Einmanntorpedo, von der legendenumwobenen U-Boot-Versuchsstation in Grafrath vor den anrückenden Amerikaner im See versenkt und sechs Jahre später samt der vermeintlichen Wunderwaffe wieder gehoben und eingeschmolzen.

Hinzu kamen nach 1900 die Boote Motor I und Motor II, so genannt wegen ihrer Benzinmotoren. Die Mooskuh wurde 1925 verkauft und fuhr auf dem Ammersee noch als Privatyacht. An ihre Stelle traten zwei Dampfer, die den Betrieb bis zum Kriegsausbruch 1939 aufrechterhielten. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde kurz diskutiert, den Betrieb wieder aufzunehmen, bevor beide Schiffe an den Bayerischen Lloyd in Regensburg verkauft wurden, wie Horbach herausgefunden hat. Die Schifffahrt war unrentabel geworden. Urlauber reisten schneller mit der Ammersee-Bahn von Augsburg an oder über Pasing nach Herrsching, zwei Linien die nach 1900 eingerichtet wurden.

Ein kurzer Einsatz war dem Dampfboot "Olching" beschieden, das von 1884 an das obere und das untere Papierwerk in Olching miteinander verband. 1921 wurde das obere Werk geschlossen und das Boot an den Walchensee verkauft.

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