Grafrath:Nie leise

Stolperstein

Simone Schmid bei der Verlegung des "Stolpersteins".

(Foto: Günther Reger)

Simone Schmid ist politisch und kulturell engagiert

Von Ariane Lindenbach, Grafrath

"Ich bin ja gar nicht mehr so aktiv." Die erste Anfrage bei Simone Schmid, ob man sie als "Aktivseniorin" vorstellen könne, winkt sie ab. Doch es dauert nicht lange, die Grafratherin, Jahrgang 1941, zu überreden. Schließlich taucht sie immer wieder im Hintergrund auf, etwa wenn der Jexhof Ausstellungen macht oder der Kulturverein Sankt Rasso wie im vergangenen Jahr zur szenischen Lesung einlädt. Sitzt man mit ihr im "Dampfschiff", der Wirtschaft an der Amper in ihrem Heimatort, wird sie immer wieder von Gästen gegrüßt. Und wenn es um Simone Schmids geliebtes Grafrath geht, zum Beispiel als der Klosterwirt abgerissen wurde, "da werde ich sehr aktiv, wenn es hier um was geht", sagt die 76-Jährige so energisch, dass keiner daran zu zweifeln wagt.

Die Stelle an der Amper, wo Simone Schmid aufwuchs, ist nicht weit entfernt vom Dampfschiff. Nur noch ein kleines Stück flussaufwärts oder die Straße weiter Richtung Kottgeisering, "da, wo die Amper aus dem Moos rauskommt", beschreibt sie, dort sei sie aufgewachsen, das habe sie geprägt. "Ich habe ja Amperwasser im Blut", lächelt sie, während sie ihre Brille mit den blau getönten Gläsern zurechtrückt.

Die Verbundenheit mit der Amper und dem Ort ist der 76-Jährigen sicherlich genauso wichtig wie ihr Einsatz gegen rechtes Gedankengut. Beides ist auch Antrieb für sie zu schreiben. Mitten im Zweiten Weltkrieg geboren, ist es der Grafratherin besonders wichtig, gegen jede Art von rechten Tendenzen zu kämpfen. "Wir haben uns wirklich intensiv damit befasst, von Jugend an, der Willy (ihr Mann, d. Red.) und ich", erklärt sie. Naheliegend, dass die beiden den SPD-Ortsverein mitbegründen - und 1999 wieder austreten wegen der Beteiligung am Jugoslawien-Krieg.

Schmids beharrliches Streben gegen Rechts bleibt nicht ohne Wirkung: Jahrelang recherchierte sie das Schicksal eines Ukrainers, der 1942 als Zwangsarbeiter 16-jährig nach Grafrath kam und später in das Konzentrationslager Flossenbürg verschleppt wurde. Sie nahm Kontakt zu seinen Nachfahren auf, zur Gemeinde Grafrath, zum Künstler Gunter Demnig, der die Stolpersteine verlegt. Im Mai 2015 wurde ein solcher Gedenkstein als dritter im Landkreis und als erster in Grafrath direkt vor dem Eingang zum Rathaus verlegt.

Die häufige Beteiligung an Ausstellungen im Jexhof kommt daher, weil die 76-Jährige schon immer gerne gelesen, geschrieben, recherchiert hat. Ihre erste Schau war 2008 "Frauen schreiben Geschichten vom Land". Da habe sie Museumsleiter Reinhard Jakob wohl dazu gebeten, weil sie 1990 den Gedichtband "kreuz und gwehr" veröffentlichte. In der Folge half sie "immer wenn Ausstellungen waren": sie recherchiert, hilft aus mit Selbstgeschriebenem oder alten Fotos oder sie bespricht eine Audiodatei. Die jüngste Schau, "Kleider machen Leute" läuft noch bis 5. November. Da Simone Schmids Mutter Hobbyschneiderin war, passte das hervorragend.

Auch bei Lesungen wirkt die Grafratherin mit. 2004 hatte sie ihre erste, als in Bruck im Stadtmuseum die Ausstellung "Fürstenfeldbruck literarisch" lief. Ein guter Freund - der mit ihr in Wildenroth aufgewachsene, inzwischen verstorbene Journalist Horst Tomayer - motivierte sie zum Mitmachen. Inzwischen hat sie im Advent am Jexhof schon mehrmals gelesen. Und 2016 beim "Bairischen Panoptikum" in Marthashofen mitgewirkt. Oder beim Akkordeonorchester Ampertal. "Das habe ich jetzt alles abgelegt, weil mir das zu anstrengend geworden ist, auch weil mich diese Stolperstein-Geschichte wahnsinnig viel Kraft gekostet hat", sagt sie. Zudem braucht sie auch noch etwas Zeit für die Familie mit drei Töchtern, vier Enkeln und einer Urenkelin. Da trifft es sich gut, dass Schwiegersohn und Enkel Trainer der Fursty Razorbacks sind. Und dass Simone Schmid mit ihrem Willy "liebend gerne auf die Lände geht", um sich die Spiele der Football-Mannschaft anzuschauen. Und wenn da gerade Not am Manne ist, springt die 76-Jährige auch gerne mal ein, um zum Beispiel an der Kasse auszuhelfen. "Auch dort bin ich daheim, bei dieser großen Sportfamilie sind Empathie und Integration keine leeren Wörter. Die leben und schaffen das seit Jahren."

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