Grafrath:Kabale und Hiebe

Lesezeit: 3 min

In Grafrath soll das Gewerbegebiet erweitert werden - hinein ins Landschaftsschutzgebiet. Es gibt Befürworter und Gegner. Doch die Auseinandersetzung hat die sachliche Ebene längst verlassen.

Von Heike A. Batzer, Grafrath

Ein kleiner Pfad führt direkt über die mit hohen Hecken bepflanzte Grundstücksgrenze hinaus ins Grüne. Dort steht ein Traktor mit Anhänger. Von diesem Anhänger aus kann man über das leicht ansteigende Gelände blicken, auf dem derzeit kleine Maispflanzen wachsen. Weiter hinten Richtung Wald sind rot-weiße Absperrbänder zu sehen. Sie sollen die Grenzen jener 14 000 Quadratmeter Fläche aufzeigen, die in der Gemeinde Grafrath heftigen Streit ausgelöst haben. Auf dieser Fläche soll das angrenzende Gewerbegebiet Wahlfeld erweitert werden. Aber: Diese Fläche gehört ebenso zu einem Landschaftsschutzgebiet wie zu einem in den Achtzigerjahren genehmigten Flächennutzungsplan. Eine Überschneidung, die mindestens kurios zu nennen ist.

Fast 900 Bürger in Grafrath haben mit ihrer Unterschrift bekundet, dass sie das Landschaftsschutzgebiet nicht opfern wollen und daher einen Bürgerentscheid wünschen. Eine Mehrheit der Fraktionen aus CSU/BV, SPD und Frauenliste im Gemeinderat möchte das Gewerbegebiet indes vergrößern, um vor allem der erweiterungswilligen Firma Cabero, einem Produzenten von Wärmetauschern für Kälte- und Klimatechnik, entgegen zu kommen. Auf dessen Firmenareal luden die Befürworter am Sonntag zu einem Informationstag ein. Von dort aus konnte man die umstrittene Fläche in Augenschein nehmen. "Unvoreingenommen eine Meinung bilden" sollten sich die Grafrather bei diesem Termin, hieß es in dem Einladungsschreiben, das die drei Fraktionen an jeden wahlberechtigten Bürger per Post geschickt hatten. Doch es geht nicht nur um Fakten, es geht auch um Emotionen.

Ein überdimensionales Plakat mit den Köpfen von zehn Mitarbeitern der Firma Cabero - darunter Firmenchef Laurentino Cabero selbst - hängt im Hof des Firmengeländes, darunter die appellative Textzeile: "Stimmen Sie für unsere Arbeitsplätze in Grafrath, geben Sie der Erweiterung für das Gewerbegebiet eine Chance!" Auch am Grafrather Kreisverkehr an der B 471 wurde das Plakat angebracht, daneben ein weiteres in ähnlicher Größe aus der Ideenkiste der Grafrather CSU. Es ordnet dem von der Gemeinde eingebrachten Ratsbegehren Begriffe wie "Arbeitsplätze, Steuereinnahmen, Zukunft, Gemeinwohl, Soziales" zu und dem Bürgerbegehren Schlagworte wie "Eigeninteressen, Streit, Fehlinformationen, Klientelpolitik, Populismus".

Bürgermeister Markus Kennerknecht (parteifrei) will sich auf Anfrage nicht dazu äußern. Das lässt vermuten, dass er den Stil der Auseinandersetzung nicht teilt. Gerald Kurz, Fraktionsvorsitzender der CSU, verteidigt den Entwurf, nennt die verbalen Hiebe gegen den politischen Gegner "sachlich" und "ironisch". Er würde niemand persönlich beleidigen. Dann teilt er aus: Die Anwohner des Gewerbegebiets hätten sich als Besucher der Gemeinderatssitzungen "aufgeführt wie eine Pegida-Truppe". Gemeint sind die Gewerbetreibenden aus dem Wahlfeld, die das Aktionsbündnis Grafrath bilden und keine Erweiterung möchten.

Vorigen Sonntag bauten auch diese einen Infostand auf, direkt vor zweien ihrer Betriebe, die unmittelbar an der Zufahrt zu Cabero liegen, und hielten ihre eigenen Flugblätter bereit. Dort parkten sie auch einige ihrer Fahrzeuge. Schon gab es Kritik daran vom politischen Gegner, obwohl auch große Autos problemlos durchfahren konnten. Man verstrickt sich in Kleinscharmützeln. Doch wie schon beim Thema Klosterwirt, zu dem es zwei Bürgerentscheide gegeben hatte, gibt es zwei nahezu unversöhnliche Lager. Das Thema Klosterwirt endete bekanntlich mit dem größten anzunehmenden Unfall: dem Abriss.

Noch sind es zwei Wochen bis zum Bürgerentscheid am 10. Juli. Laurentino Cabero, dessen Firma seit 16 Jahren in Grafrath sitzt, sagt, er würde gerne bleiben. Er brauche die Erweiterung für Verwaltungssitz und Laborgebäude: "Hier ist nie eine Produktionsstätte geplant." Die künftige Zufahrt zum Erweiterungsgebiet würde über sein Grundstück führen, das dann einen neuen Zuschnitt bekäme. Bürgermeister Kennerknecht würde den Gewerbesteuerzahler Cabero "gerne hier behalten". Das Aktionsbündnis betont: Man sei nicht gegen weiteres Kleingewerbe, wohl aber "gegen Gewerbe am falschen Platz". Bekommt das Ratsbegehren eine Mehrheit, dann will Kennerknecht beim Landratsamt beantragen, 14 000 Quadratmeter aus dem Landschaftsschutzgebiet rauszunehmen (zunächst waren es 26 000 Quadratmeter gewesen). Wenn das Bürgerbegehren siege, werde der Antrag zurückgezogen. Das klingt bei der CSU anders. Ein Bürgerbegehren unterliegt einer einjährigen Bindungsfrist. Danach werde er einen neuen Versuch für die Erweiterung starten, kündigt Fraktionschef Kurz an: "Für die gewerbliche Entwicklung wird das benötigt."

© SZ vom 28.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: