Grafrath:Befreite Formen

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Brigitte Cabell schafft Steinskulpturen, die so natürlich wirken, als hätten sie nur darauf gewartet, endlich freigelegt zu werden. Am Wochenende präsentiert die Künstlerin ihre Werke bei einem Tag der offenen Tür

Von Florian J. Haamann, Grafrath

Die Künstlerin Brigitte Cabell schafft keine Skulpturen, sie befreit längst bestehende Formen aus ihrer steinernen Hülle. Denn ihre Werke wirken vollkommen selbstverständlich und natürlich, nicht erdacht, geplant und ausgeführt. Egal ob es sich dabei um Tiere, Menschen oder abstrakte Figuren handelt. Cabell bearbeitet die Steine nicht bis zur Perfektion, sondern nur so weit, bis sie das Gefühl hat, die richtige Form aus dem Material herausgeholt zu haben. Zu sehen sind ihre zahlreichen Skulpturen im Garten ihres Grafrather Hauses. An diesem Wochenende öffnet sie die Tore ihres Gartens zu einer Werkschau für die Öffentlichkeit.

"Wenn ich mit einem Stein arbeiten kann, dann bin ich glücklich", erzählt Cabell. Und diese Freude sieht man ihr bei jedem Wort an, mit dem sie von ihrer Arbeit erzählt. Wenn sie vor ihren Skulpturen steht und über sie spricht, streicht sie über alle Kerben und Wölbungen, ganz so, als berühre sie gerade etwas Lebendiges. Und man glaubt ihr, wenn sie sagt, dass es der Stein sei, der ihr vorgibt, was sie aus ihm machen soll. Quasi als Dienstleistern für etwas, das über Millionen von Jahren verborgen war und nun in Erscheinung treten möchte. Dabei geht es ihr nicht um Perfektion - obwohl ihre Skulpturen handwerklich hervorragend sind - sondern darum, etwas zu schaffen, was die Seele des Betrachters anspricht. "Und ich habe das Gefühl, dass ich das auch immer wieder schaffe", so die Künstlerin.

Serpentin aus Simbabwe ist das Lieblingsgestein von Brigitte Cabell. (Foto: Johannes Simon)

Dass Cabell bei der Bildhauerei gelandet ist, verwundert kaum, wenn man ihre Lebensgeschichte betrachtet: Geboren in Deutschland ist sie mit ihrer Familie früh nach Florenz gezogen. Dort, im Schatten von Michelangelo und Donatello, ist sie aufgewachsen, die großen Meisterwerke der Renaissance stets in sich aufsaugend. "Ich bin bis heute der Meinung, dass die Renaissance-Kunst der Gipfel aller Kunst ist", sagt Cabell. Angefangen hat sie dann allerdings nicht als Bildhauerin, sondern mit der Malerei. Mit knapp 17 Jahren hatte sie ihre erste Ausstellung in Florenz. "Ich hatte damals einen Freund in der Schule und wir haben sehr viel zusammen gemalt. Das hat uns gegenseitig beflügelt."

Nach ihren ersten künstlerischen Arbeiten hat Cabell angefangen zu studieren, erst einige Semester Germanistik und Physik, dann Medizin. "Ich habe damals auch mit dem Gedanken gespielt, auf die Kunstakademie zu gehen, aber mein Vater wollte, dass ich etwas anderes mache. Also bin ich Medizinerin geworden - was ich dann auch mit Leidenschaft war." Mehrere Jahrzehnte war Cabell dann Kardiologin und Oberärztin an einer Klinik. Nebenbei hat sie die Kunst allerdings nie aufgegeben. Vor etwa 15 Jahren hat sie die Arbeit mit Steinen für sich entdeckt und eine Bildhauerausbildung absolviert, unter anderem bei Werner Richter.

Auch Cabells Panther, der stolz in den Himmel blickt, besteht aus Serpentin. (Foto: Johannes Simon)

Ihr Lieblingsstein ist Serpentinit, auch Serpentin genannt, aus Simbabwe. "Diese Steine sind bis zu drei Milliarden Jahre alt, ein richtiges Urgestein", so Cabell. Sie bearbeitet stets nur Teile des Steins, mal mehr, mal weniger. Aber immer bleibt ein Teil der ursprünglichen Fläche erhalten, so dass der Betrachter genau nachvollziehen kann, wie die Arbeit der Künstlerin das Material geformt hat. Aus hellen, rauen Stellen werden glatte, dunkle Flächen, es treten Maserungen, Adern, Einschlüsse zum Vorschein. Neben Serpentin arbeitet die Grafratherin viel mit Marmor, vor allem aus Carrara und Untersberg bei Salzburg. In beiden Steinbrüchen arbeitet sie auch regelmäßig vor Ort.

Allerdings arbeitet Cabell nicht nur als Bildhauerin. Ab und an malt sie auch, jedoch kommt sie auch dabei meist nicht ohne Stein aus. Denn in vielen ihrer Gemälde finden sich Steinfragmente, die bei ihren Skulpturen abfallen. Dabei entstehen unter anderem eindrückliche Gebirgslandschaften. Auch diese Arbeiten werden bei ihrem "Haus der offenen Tür" zu sehen sein.

"Haus der offenen Tür" mit Steinskulpturen und Bildern von Brigitte Cabell, Samstag, 17. September, und Sonntag, 18. September, jeweils von 11 bis 18 Uhr, Rassosiedlung 21 in Grafrath.

© SZ vom 15.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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