Gesundheit:Besser essen

Das Richtige zu sich zu nehmen, ist trotz Überangebots nicht so einfach. Im Landkreis hat sich nun ein Ernährungsrat gegründet. Er wirbt für eine höhere Wertschätzung von Nahrungsmitteln und für eine Versorgung aus der Region für die Region

Von Heike A. Batzer

Fastfood und Coffee-to-go, vorgekochte Fertiggerichte mit zu viel Salz und zu viel Zucker, ungesunde Transfette, schädliche Zusatzstoffe - die Liste der Fehlentwicklungen im Ernährungswesen ist lang. Doch wie kann man sich in Zeiten, die immer schnelllebiger werden und immer mehr industriell verarbeitete und schnell zu konsumierende Lebensmittelprodukte anbieten, trotzdem gesund und mit Genuss ernähren? Den Versuch, Lebensmittelherstellung und Lebensmittelkonsum nachhaltiger, ressourcenschonender und gesünder zu gestalten, unternimmt nun der Ernährungsrat Fürstenfeldbruck, der sich jüngst gegründet hat.

Baden-Württembergs Landwirte zur Ernte

Der neue Ernährungsrat setzt auf regionale Erzeugung und regionalen Verbrauch, etwa beim Gemüse.

(Foto: Sebastian Gollnow/dpa)

Mehr als 70 Interessierte waren im großen Sitzungssaal des Landratsamtes zusammengekommen. Ein Gründungsausschuss, bestehend aus Richard Bartels (Slowfood), Rita Multerer (Brucker Land), Gudrun Hanuschke-Ende (Bund Naturschutz), Gisela Schaelow (Fachzentrum Ernährung/Gemeinschaftsverpflegung im Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten), Michaela Bock (Agenda 21), Andreas Knoll (Kreisverband für Gartenbau und Landespflege), Thomas Börkey-Biermann (Biogroßhandel "Ökoring"), Lisana Hartl (Münchner Kindl Senf), dem Landwirt Sebastian Best und dem Umwelt- und Energiereferenten des Kreistags, Max Keil, hatte bereits die nötigen Vorarbeiten geleistet und sich etwa bei anderen Ernährungsbeiräten umgehört. Solche gibt es bislang vor allem in großen Städten wie Köln oder Berlin, die Idee entstand bereits vor 30 Jahren in den USA. Der Kreis Fürstenfeldbruck ist nun deutschlandweit der erste Landkreis, der eine solche Einrichtung hat. Der Ernährungsrat soll ein Bündnis sein zwischen allen, die an der Entstehung der Nahrungsmittel, an deren Verarbeitung und Vermarktung bis hin zu deren Konsum beteiligt sind, ergänzt um Vertreter aus Politik und Verwaltung. Er soll die einzelnen Akteure besser miteinander vernetzen und eine lokale Ernährungsstrategie für den Landkreis erarbeiten.

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Mit Brot soll besser umgegangen werden.

(Foto: imago/allOver-MEV)

Damit "möchten wir die Lebensmittelversorgung wieder stärker zurück in die Region bringen und die Wertschöpfungskette regionalisieren", erläutert Richard Bartels von der Organisation Slowfood. Derzeit würden in der Lebensmittelbranche "ganz wenige Akteure bestimmen, was bei den meisten auf den Tisch kommt", sagt Bartels und fügt an: "Dabei brauchen wir gar keine Kartoffeln aus Zypern!" Der Bauer in Zypern würde daran ohnehin nichts verdienen, weil die Gewinne "ein mächtiger Zwischenhandel abschöpft". Und im Landkreis Fürstenfeldbruck "werden so viele Kartoffeln produziert, dass sie wahrscheinlich für ganz Bayern reichen" würden. Auch Bio-Kartoffeln kämen häufig "aus aller Herren Länder", ergänzt Marianne Heidner, die stellvertretende Leiterin des Fürstenfeldbrucker Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF). Deshalb gehe "regional vor bio". Der Landkreis Fürstenfeldbruck sei durch das Netzwerk "Unser Land", das als "Brucker Land" entstanden ist, bereits berühmt geworden. Thomas Börkey-Biermann vom Mammendorfer Biogroßhandel "Ökoring" betont indes den Bio-Aspekt, steht aber auch hinter der Idee von Lebensmitteln "aus der Region für die Region". Dieser Grundgedanke sei seit einiger Zeit verstärkt in der Gesellschaft angekommen, sagt Börkey-Biermann der SZ: "Wir haben alle eine Verantwortung für diesen Planeten."

Slowfood Deutschland in Herrmannsdorf

Mit Fleisch aus dem Umkreis soll die Wertschöpfungskette regionalisiert werden.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Maßnahmen zur Ernährungsbildung hat das AELF schon länger im Programm, etwa Coachings zur Schul- und Kitaverpflegung oder Ernährungsberatung für Familien mit Kindern bis zu drei Jahren. Solche Ernährungsbildung müsse zum Ziel haben, "den einzelnen zu befähigen, gesundheitsfördernde und nachhaltige Entscheidungen zu treffen", sagt Heidner und fordert: "Wir müssen auch die hohe Kunst des Alltagskochens in die nächste Generation hinüberretten."

Richard Bartels

"Wir brauchen keine Kartoffeln aus Zypern. Im Landkreis werden so viele produziert, dass sie wahrscheinlich für ganz Bayern reichen."

Ein Ernährungsrat, der sich quasi als Bündnis von Bürgern versteht, kann dabei jetzt Hilfestellung geben. "Wir wollen als Beratergremium Gehör finden", formuliert Bartels. Der Ernährungsrat will sich deshalb auch in der Ernährungsbildung einbringen und das Bewusstsein für eine genussvolle, gesunde Ernährung und eine neue Esskultur fördern. Dazu wurde eine eigene Arbeitsgruppe gegründet. Weitere Arbeitsgruppen widmen sich den Themen ökologisch nachhaltige und faire Erzeugung/Vermarktung, zukunftsfähige und umweltgerechte Planung sowie dem Bereich Ernährungshandwerk/Gastronomie und Gemeinschaftsverpflegung. Einige Gastronomen aus dem Landkreis waren ebenfalls zur Gründungsversammlung gekommen. Auch auf diesem Sektor sei es nicht so einfach, Betriebe zu finden, "die gewissen Kriterien genügen", sagt Bartels. Und auch in Gemeinschaftseinrichtungen wie Kitas, Krankenhäusern, Pflegeheimen werde der Anspruch an das, "was wir als gutes Essen bezeichnen würden", in vielen Fällen nicht eingehalten. Allerdings sei es für einen Caterer auch schwierig, für 3,40 Euro ein Drei-Gänge-Mittagessen bereit zu stellen, räumt Bartels ein: "Jeder, der eine Haushaltskasse verwaltet, weiß, wie schwer oder gar unmöglich das ist."

Bei der Einrichtung von Mensen in Kindertagesstätten und an Schulen, von Großküchen in Krankenhäusern oder bei der Ausweisung neuer Standorte für das lokale Ernährungsgewerbe sind die Städte und Gemeinden unmittelbar in das Thema Ernährung eingebunden. In manchen Orten wie in Puchheim gründeten sich bereits Initiativen wie die "essbare Stadt", die öffentliche Flächen für den Anbau von Salat und Kräutern, Obst und Gemüse zur Verfügung stellen, das dann von allen geerntet werden darf. Auch in Eichenau und Olching gibt es mittlerweile entsprechende Ideen, die Produktion von Grundnahrungsmitteln auf diese Weise wieder selbst in die Hand zu nehmen.

Bei alledem hofft der Ernährungsrat auf personelle und finanzielle Unterstützung aus der Politik, um die Arbeit koordinieren und als ständige Einrichtung fortführen zu können. Man habe bisweilen das Gefühl, da sei noch mehr Gestaltungsspielraum möglich, so Bartels. Immerhin, einige Politiker wie der Germeringer Grünen-Landtagsabgeordnete Sepp Dürr, Gröbenzells Bürgermeister Martin Schäfer (UWG) und die Kreisräte Max Keil (ÖDP), Johann Stürzer und Hubert Ficker (beide CSU) hatten sich zum Gründungsabend eingefunden. Eine feste Struktur hat sich das neue Gremium noch nicht gegeben, Ende März trifft sich der Gründungsausschuss wieder und will mit den Ergebnissen aus den ersten Arbeitsgruppen die weitere Vorgehensweise festgelegen, sagt Michaela Bock vom Agenda-21-Büro des Landkreises. Beim Vorhaben, das Thema Ernährung nachhaltiger zu gestalten, ist Richard Bartels besonders wichtig, auch Landwirtschaft und Lebensmittelhandwerk einzubeziehen. Denn "ohne Lebensmittelhandwerk, ohne die Metzger und Bäcker entsteht nicht das, was wir mit Genuss zu uns nehmen können".

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