Geschichte:Freunde vor und nach dem Olympia-Attentat

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Professor Manfred Lämmer referiert im Landratsamt. Er war selbst mit dem bei dem Attentat getöteten Ringer-Trainer Mosche Weinberg befreundet. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Historiker Manfred Lämmer referiert in Fürstenfeldbruck über die Sportbeziehungen zwischen Israel und Deutschland

Von Ingrid Hügenell, Fürstenfeldbruck

An dieses Spiel erinnert sich in Deutschland kaum jemand. Doch in Israel ist es Kult, wie der Sporthistoriker Manfred Lämmer weiß: Das 6:0 der "Fohlenelf", der Bundesliga-Mannschaft von Borussia Mönchengladbach 1970 in Israel gegen die israelische Nationalmannschaft. 30 000 Zuschauer sahen das Match in Tel Aviv, die Begeisterung war groß, obwohl nicht einmal 30 Jahre nach dem Ende der Nazi-Diktatur die Erinnerung an die Shoah überaus präsent und die Deutschen allgemein sehr unbeliebt waren. Doch das mitreißende Fußballspiel begeisterte die Zuschauer.

So erzählte es Lämmer bei einem Vortrag in Fürstenfeldbruck, bei dem es um die Sportbeziehungen zwischen Deutschland und Israel vor und nach dem Attentat auf die israelische Mannschaft bei den Olympischen Spielen 1972 in München ging. Zwei Mannschaftsmitglieder wurden noch in München ermordet, neun als Geiseln genommen. Der dilettantische wie verhängnisvolle Befreiungsversuch der Geiseln fand auf dem Fliegerhorst Fürstenfeldbruck statt. Alle neun Geiseln wurden von den palästinensischen Terroristen erschossen. Auch ein deutscher Polizist starb, ebenso fünf der Attentäter. Seit langem ist geplant, dort einen Erinnerungsort einzurichten. Lämmer referierte im Zuge der Vorbereitungen dafür. Sein Fazit: Die Beziehungen waren vor und nach dem Anschlag intensiv. "Die Ereignisse trafen alle wie ein Schlag", sagte Lämmer. "Die Betroffenen rückten danach noch näher zusammen."

Er selbst sei ein persönlicher Freund des bei dem Attentat getöteten Ringer-Trainers Mosche Weinberg und habe auch alle anderen getöteten Sportler und Trainer gekannt, erzählte er. Denn Lämmer hatte 1963 zu der ersten deutschen Sportlergruppe gehört, die nach dem Ende der Nazi-Diktatur nach Israel eingeladen worden war. Als Israel-Beauftragter der Kölner Sporthochschule kümmerte er sich viele Jahre um die Sportbeziehungen der beiden Länder und reiste immer wieder nach Israel, wo er häufig bei Weinberg übernachtete. Nach der ersten offiziellen Reise 1963 entstand eine Partnerschaft, "noch vor der Aufnahme diplomatischer Beziehungen", wie Lämmer sagte. So nahmen beispielsweise 1966 die Basketballer des USC Heidelberg an einem Turnier in Israel teil, 1967 spielte erstmals eine israelische Damenmannschaft in Deutschland. Seit 1968 gab es Lämmer zufolge zudem eine enge Zusammenarbeit der Behindertensportverbände.

Eine besondere Rolle spielte der Fußball. Schon 1954 seien die zehn besten israelischen Fußballtrainer nach Köln zum Trainerlehrgang geschickt worden. Seit dem Ende Sechzigerjahre habe es eine "Welle von gegenseitigen Fußballbesuchen gegeben". Das Freundschaftsspiel 1970 blieb nicht der einzige Besuch der Fohlenelf aus Mönchengladbach in Israel, wie Lämmer berichtete: Zehn Mal seien die Borussen in den Folgejahren wieder gekommen, der 1. FC Köln folgte. Für Israel seien die Beziehungen zu Deutschland wichtig gewesen, weil der junge Staat isoliert war: "Israel hing zwischen allen Stühlen", sagt Lämmer. Weder an Asienspielen noch an europäischen Veranstaltungen durften israelische Sportler teilnehmen.

Auch in anderen Sportarten unterstützten deutsche Vereine und Funktionäre die Israelis. Bei vielen Trainingslagern und Sportwettkämpfen in den Jahren 1970 und '71 seien zahlreiche Freundschaften entstanden, die bis heute fortdauerten, sagte Lämmer.

An den engen Beziehungen habe auch das Attentat nicht geändert, sagte Lämmer. Schon 14 Tage danach habe es wieder einen Besuch deutscher Sportler im "Wingate Institute for Physical Education and Sport" in Netanja gegeben. Die Sporthochschule Köln, an der Lämmer tätig war, hatte eine Partnerschaft mit diesem Institut. Lämmer berichtet von einem sehr herzlichen Empfang. Zwei Monate später erfolgte der Gegenbesuch in Köln.

Bei der Maccabiah, dem größten jüdischen Sportfest der Welt, waren 1973 zahlreiche jüdische Sportler aus Deutschland dabei. Der jüdische Sportverband, in dem Sportler aus inzwischen 65 Ländern organisiert sind, ist 1921 gegründet worden, erster Präsident war der Deutsche Heinrich Kuhn. Vertreter des Sportvereins Maccabi München waren ebenso unter den Zuhörern bei Lämmers Vortrag wie Angehörige des israelischen Generalkonsulats in München. Der Austausch junger Sportler und die Zusammenarbeit seien ausgeweitet worden, auch im Breitensport. Lämmer zufolge gingen aus den sportlichen Begegnungen auch Städtepartnerschaften hervor.

© SZ vom 30.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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