Geschäftsaufgabe:Der Glanz vergangener Tage

Ein hölzerner Thomas von Aquin, ein Schaukelpferd aus dem 19. Jahrhundert und viele weitere Antiquitäten suchen neue Besitzer: Nach mehr als 40 Jahren schließen Larissa und Alexander Suslow ihren Laden an der Schöngeisinger Straße

Von Julia Bergmann, Fürstenfeldbruck

Aus massivem Kastanienholz geschnitzt steht Thomas von Aquin fast lebensgroß in Larissa Suslows Laden. Sein Fuß ruht auf einem garstig dreinblickenden Teufelskopf. "Der liegt mir im Magen", sagt die Antiquitätenhändlerin und tätschelt den antiken Kirchenmann im Vorbeigehen. Warum? Anders als erwartet, spricht Suslow jetzt nicht von einer kaum vorhandenen Nachfrage nach gigantischen Holz-Philosophen, sondern entgegnet trocken: "Na, weil der so schwer ist." Eine Kostprobe des ihr eigenen, bisweilen ins Absurde schwankenden Humors. Thomas von Aquin, geformt aus massivem Holz, bringt immerhin ganze 80 Kilogramm auf die Waage. Inmitten all ihrer Schätze wirkt Suslow, wenn sie von der bevorstehenden Geschäftsaufgabe spricht, schon etwas wehmütig. Nach mehr als 36 Jahren am Standort an der Schöngeisinger Straße schließt sie den Laden Ende Mai für immer. "Aus Altersgründen", sagt sie. Ihr Mann, mit dem sie das Geschäft gemeinsam betreibt, ist jetzt 70 Jahre alt, sie 74.

Was mit Aquin passiert, wenn ihn vor dem 30. Mai niemand kauft? "Naja", räumt Suslow ein, "Im Internet verkaufe ich weiter". 2003 hat das Paar auf Anraten eines Bekannten einen Ebay-Shop namens "Antikesusi" eröffnet. Über den Shop haben die Suslows ihre Antiquitäten bereits bis weit über die Landkreisgrenzen hinaus verkauft. Einen komplett eingerichteten antiken Kaufladen ins Allgäu etwa oder ein paar edle Jugendstil-Sonnenschirme mit versilberten Griffen nach Moskau. "Trotzdem", sagt Alexander Suslow, "reich wird man damit nicht". "Höchstens an Erfahrung", ergänzt seine Frau lächelnd. Und das Geschäft mit den Antiquitäten ist der Erfahrung der Eheleute zufolge mit der Zeit auch immer schwieriger geworden. "Die Leute fahren lieber zu den großen Ketten oder bestellen im Internet, wenn sie sich einrichten", sagt Alexander Suslow.

Antiquitäten Suslow

Er ist gelernter Einzelhandelskaufmann, sie Kontoristin: Alexander und Larissa Suslow haben erst als "Spätberufene" zu ihrer aktuellen Tätigkeit gefunden und 1977 den ersten Laden eröffnet. An der Schöngeisinger Straße schwelgen sie zumindest noch bis Ende Mai inmitten ihrer Schätze.

(Foto: Günther Reger)

Noch steht Thomas von Aquin also in der Schöngeisinger Straße und wacht über den Ladenteil, den Larissa Suslow und ihr Mann vor etwa sieben Jahren zugemietet haben, um ihre Verkaufsfläche zu erweitern. Von Aquin blickt über den Raum, angefüllt mit Ölgemälden, antiken Möbeln, Porzellan, Tafelsilber und allerhand Raritäten, die vom Glanz längst vergangener Tage erzählen. Direkt neben ihm steht ein dunkles Schaukelpferd aus der Zeit um 1860, gegenüber auf einem Regal eine Miniaturaussteuertruhe. Ganz vorne an der Tür wartet ein ebenso anmutiger wie gigantischer Windhund aus dunklem Holz auf Kunden. Vollgepackt mit Antikem ist auch der gleich nebenan liegende Hauptteil des Ladens. Dort steht Alexander Suslow hinter der mit kunstvoll gearbeitetem Schmuck vergangener Jahrhunderte gefüllten Verkaufstheke und berät eine Kundin.

Sowohl Larissa als auch Alexander Suslow haben zunächst andere Berufe ausgeübt. Er ist gelernter Einzelhandelskaufmann, sie Kontoristin. Die Leidenschaft für den Antiquitätenhandel kam erst mit der Zeit. Angefangen hatte es mit dem Verkauf von alten Stücken vom Dachboden der Eltern. Später wurde daraus ein über 15 Jahre hinweg betriebener Antiquitätenstand auf der Auer Dult und der "Heim und Handwerk". Die Suslows gingenregelmäßig auf Tour, um auf Märkten und Messen ihre Waren zu verkaufen. "Von 52 Wochenenden waren wir früher an 50 unterwegs", sagt Alexander Suslow. "Denn von nichts kommt ja bekanntlich nichts", findet er. 1977 eröffnete das Ehepaar seinen ersten Laden in Fürstenfeldbruck. Nach mehreren Umzügen fanden sie 1982 ihren Standort an der Schöngeisinger Straße.

Alexander Suslow

"Von 52 Wochenenden waren wir früher an 50 auf Märkten und Messen unterwegs. Denn von nichts kommt ja bekanntlich nichts."

Mit den Jahren haben die beiden, wie sie sagen, ein gutes Gespür dafür entwickelt, welche Gegenstände wertvoll sind und welche nicht. Das Alter allein mache nicht den Wert eines Gegenstands aus, sagt Larissa Suslow. Viele Kunden bringen etwa Vererbtes in den Laden, in der Hoffnung, dass der Verkauf der ihnen vermachten Stücke noch Geld einbringt. Erwartungen, die nicht immer in Erfüllung gehen.

Immer wieder gibt es aber auch einzigartige Stücke, die dem Paar auch noch viele Jahre nach dem Verkauf in Erinnerung geblieben sind. Die schwere eiserne Truhe etwa, die einer ihrer Kunden auf dem Dachboden gefunden und ihnen angeboten hatte. "Eine Kriegskasse, datiert auf 1597", so Alexander Suslow. Ein seltenes Stück, dessen Schloss mit 13 Riegeln nur durch einen ganz besonderen Schlüssel zu öffnen war. Nachdem Alexander Suslow das Stück freigelegt hatte, kam als Teil der prächtigen Verzierung auch das Münchner Stadtwappen zum Vorschein. Wie sich herausstellen sollte, war die Truhe gut erhalten, vergleichsweise aufwendig gearbeitet und dementsprechend wertvoll.

Erinnerungen wie diese gibt es viele. In den vergangenen Jahrzehnten haben sich einige angesammelt. "Wir könnten ein Buch schreiben", sagt Larissa Suslow. Wobei das letzte Kapitel, dem Onlineshop gedankt, sicher noch auf sich warten lässt.

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