Germering:Zwei kritische Stunden

Germering: Hendrik Grallert (links) unterhält sich in der Germeringer Stadthalle mit Frank Schäffler.

Hendrik Grallert (links) unterhält sich in der Germeringer Stadthalle mit Frank Schäffler.

(Foto: Carmen Voxbrunner)

FDP-Kreisverband lädt den Parteirebellen Frank Schäffler ein

Von Karl-Wilhelm Götte, Germering

Wer Frank Schäffler, den ehemaligen FDP-Bundestagsabgeordnete und Parteirebellen, fragt, wie es mit Europa weitergehe, darf keine einfache Antwort erwarten. So erging es in Germering auch Hendrik Grallert, Vorsitzender des FDP-Kreisverbandes, als er den Euro-Kritiker nach der Vision eines Europas der Bürger fragte. Schäffler gab in den folgenden zwei Stunden seine Antwort darauf, und sie enthielt massive Kritik.

Schäffler beklagte bei der FDP-Versammlung die ständigen Rechtsverstöße, die Europa begehe, er übte Kritik an den "Notenbankklempnern" der Europäischen Zentralbank (EZB) und an den Bestrebungen, das Bargeld abzuschaffen. Schäffler hatte einst einen FDP-Mitgliederentscheid gegen den Euro-Rettungsschirm oder "dauerhaften Schuldenschirm", wie er ihn nennt, initiiert und knapp verloren. Seine oder eine Vision von Europa konnte der FDP-Politiker den 25 Besuchern in der Germeringer Stadthalle jedoch nicht vermitteln.

Schäffler legte durchaus fundiert dar, was seiner Meinung nach alles falsch läuft in Europa. Das Schengen- und das Dublin-Abkommen würden nicht mehr gelten, genauso wenig der Fiskalpakt. "Der Euro funktioniert nur bei schönem Wetter." Griechenland habe innerhalb des Euro keine Chance: "Hätte man Griechenland 2010 aus dem Euro gelassen, stünde das Land heute besser da."

Den Fiskalpakt, der auch eine jährliche Haushaltsverschuldung von maximal drei Prozent vorsehe, interessiere niemanden mehr. Der Rettungsschirm belohne zudem falsches Verhalten der Staaten und der Banken. Wer den Euro nicht stabil halte, Schengen und Dublin nicht durchsetze, müsse aus der EU ausgeschlossen werden können. "Es muss auch Ausschlussmöglichkeiten geben", forderte Schäffler.

Um die Krisenländer Spanien, Portugal, aber auch Italien und Frankreich sei es wirtschaftlich schlecht bestellt. Alle hätten das Niveau vor der Finanzkrise 2008 noch nicht wieder erreicht. Auch die Niedrigzinspolitik, die die EZB deshalb verfolge, lasse in Südeuropa die Konjunktur nicht anspringen. Schäffler rechnete damit, dass die EZB ihr monatliches Kaufprogramm von Staatsanleihen in Höhe von 60 Milliarden Euro verlagere und den Banken in Südeuropa demnächst die faulen Kredite abkaufe, weil dies ein Hemmschuh für die Kreditvergabe der dortigen Banken an Unternehmen darstelle. "Es wird ein immer größeres Rad gedreht.

Der 47 Jahre alte Politiker und Gründer des "Liberalen Aufbruchs" rechnet aufgrund der weiter fortdauernden Niedrigzinspolitik mit einer "Vermögensinflation". Besonders Aktien und Immobilien würden im Wert steigen, was den Vermögenden zugute komme. Es werde ein "Scheinwohlstand" suggeriert, der auf Schulden und Krediten basiere, aber auf "tönernen Füßen steht".

Wäre das Zinsniveau so wie in den Achtzigerjahren, "wäre es zappenduster in Europa". Schäffler nachdrücklich: "Die Vermögensinflation wird zu einer Sprengkraft in der Gesellschaft werden." Er rechnete damit, dass auch Hedge-Fonds - in der "Heuschrecken"-Form - eine Welle von Unternehmensübernahmen betreiben und diese dann aussaugen würden.

Schäffler, der zwei Wahlperioden dem Bundestag angehörte, misstraut der Einlagensicherung der Banken, die jedem Einleger 100 000 Euro bei einem Bankencrash zusichere und zu einem einzigen Einlagensicherungsfonds umgestaltet werden solle. Damit wolle man einen "Bankrun" der Sparer verhindern. Schäffler: "Das ist ein Schönwetterrecht, das wird dem Praxistest nicht überstehen." Schaffe man das Bargeld ab, müssten die Banken keine Mindestreserve mehr vorhalten und die Verschuldung könne auf ein viel höheres Niveau gehoben werden.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: