Germering:Zornige Frau voller Humor

Patrizia Moresco

"Ich bin in einem Alter, da muss ich mich vor meinem Geschmack nicht mehr fürchten," sagt Patrizia Moresco und zieht das Publikum so auf ihre Seite.

(Foto: Günther Reger)

Patrizia Moresco kritisiert in Germering Männer, Schönheitsoperationen und Rückschritte in der Emanzipation

Von Karl-Wilhelm Götte, Germering

Diese Dynamik war beeindruckend. "Hallo Germering", rief Patrizia Moresco und stürmte auf die Bühne der Stadthalle. Auch das Kostüm war exzeptionell. Moresco erschien in einem roten Hosenanzug mit Streifen, aufs Dekolté hatte sie ein Tigermuster angebracht, genauso hinten eine Rockhälfte aus gleichem Stoff. "Ich bin in einem Alter, da muss ich mich vor meinem Geschmack nicht mehr fürchten", führte sich Moresco ein und erntete ihre ersten Lacher aus dem von Ü50-Frauen dominiertem Publikum. Vorne lustiger Clown, hinten die angriffslustige Kämpferin? Ja, zwischen diesen Polen bewegte sich die Kabarettistin zwei Stunden lang in ihrem Programm "Bissfest" mit beeindruckender Energie.

Ihre ersten bissigen Attacken gingen gegen das Fernsehen. "Gelobt sei, was blöd macht", so Moresco. Bei "Next Top Trottel" und vor allem dem Bachelor hätten sich "50 Jahre Emanzipation in Luft ausgelöst". Von den jungen Frauen, die dort mitmachen, ist die 58-jährige Moresco enttäuscht. "Die verkaufen sich wie dumm, als ob nichts stattgefunden hat", bedauerte sie im Gespräch mit der SZ. Auch die Frauen, die sich sogenannten Schönheitsoperationen unterziehen, bekommen umgehend ihr Fett weg. Die Italienerin, die einst in Eching am Ammersee wohnte und jetzt in Berlin beheimatet ist, spazierte eine Minute lang mit scheinbar aufgespritzten Schlauchbootlippen über die Bühne. Die Besucher amüsierten sich prächtig über das mimische und schauspielerische Talent der Künstlerin, die sich wie eine "Gummiente" fühlte. Grandios auch die Ilse Aigner-Parodie. Moresco engagiert sich für die "Pinkstinks", eine Kampagne gegen Produkte, Werbung und Vermarktungsstrategien, die Mädchen und Frauen in ein fragwürdiges Licht setzen.

Dann streifte sich Morecsco ein pinkfarbenes Schweinekostüm über und legte sich für das schlecht behandelte Schwein ins Zeug. "Schweinehack ist billiger als Katzenfutter", feuerte sie eine Breitseite gegen den Konsum von Billigfleisch. "Wenn ihr morgen Früh aufsteht und mich auf ein Brötchen legt", singt sie in ihrem Schweinesong vor der Pause. Danach geht die Frauenpower weiter, auch mit Attacken gegen die Männerwelt. Männer betrachtete Moresco eher als "Fehlkonstruktion". Leider ohne Konsequenzen. "Wären wir Weiber ein Auto, gäbe es eine Rückholaktion", hatte sie vor allem die Frauenlacher im vollen Amadeussaal wieder auf ihrer Seite. "Männer mögen es spontan zu sein", meinte Moresco dann, "man muss ihnen nur sagen, was sie tun sollen." Sie selbst sei immerhin 19 Jahre verheiratet gewesen. "So viel kriegste für Doppelmord", feixte sie zum Vergnügen der Zuschauer.

Auch die Burka schreibt sie den Männern zu. "Die muss ein Mann erfunden haben, keine Frau würde so viel bügeln wollen." Sie fordert alle Besucher im fortgeschrittenen Alter zum Dolce Vita auf. "Die kurze Zeit vor dem Tod heißt Leben", rief Moresco eindringlich allen Anwesenden zu. Die Zugabe erfolgte als alte Frau im Pelzmantel. Auf dem Rücken stand "Motorradclub Alte Säcke". Moresco zog einen provokanten Vergleich: "Vier Rentner sind ein Mensch." Als Seniorin stellte sie sich auf einen Ausflug im Motorrad-Beiwagen ein, allerdings mit Heizkissen. Auch für die Zukunft hat sie keine guten Nachrichten für die Alten: "Dann kommt bald die Seniorenklappe."

Moresco stammt aus einer italienischen Künstlerfamilie, die kurz nach dem zweiten Weltkrieg nach Deutschland kam. Sie arbeitet in ihrem Programm allerdings nicht nur Männerdefizite heraus. Die weibliche Selbstkritik auch nicht außen vor, intime Themen inbegriffen. Peinlich oder grob wirkt das nicht, weil die Künstlerin sich beeindruckend authentisch präsentiert. Der Zorn - kollektiver weiblicher Zorn? - der sich hier angesichts der herrschenden Missstände und immer noch vorhandenen Ungleichheit der Geschlechter mit einiger Wucht entlädt, ist eben berechtigt. Der weibliche Zorn wird aber selten so kreativ und amüsant ausgedrückt wie an diesem Abend. Großer Applaus der Besucher - hoch verdient.

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