Germering:Wahnsinn unter Wasser

Das Boot

Kaum Hoffnung mehr: Benedikt Zimmermann (links) und Hardy Krüger junior in dem Schauspiel "Das Boot" in der Stadthalle Germering.

(Foto: Günther Reger)

Hardy Krüger junior in "Das Boot": Das Schauspiel nach Lothar-Günther Buchheims Buch lebt von derber Männersprache - und Enge.

Von Erich C. Setzwein, Germering

Frauen kommen in diesem Theaterstück nicht vor. Zumindest nicht als Personen, sondern nur in ihre Rollen als Geliebte, als Prostituierte, als Ehefrau und werdende Mutter. Es ist ein Männerstück, das das Agon-Theater aus München auf die Bühne im Orlandosaal der Germeringer Stadthalle bringt. Ein Schauspiel nur mit Männern besetzt, ein Stück über Männer im Krieg, die eines eint: Sie sind jung und doch zu früh gealtert, und sie sind eingesperrt im "Boot".

Emotionslose Zahlen

Von 40 000 U-Bootfahrern kehrten 30 000 nicht zurück, lautet der Epilog im Weltbestseller "Das Boot" des 2007 gestorbenen Schriftstellers und Kunstsammlers Lothar-Günther Buchheim. Das sind auch die letzten Worte, die Leutnant Werner (Marco Michel) an die Zuschauer in Germering richtet, bevor Kriegslärm das Stück beendet. Warum sagt dieser Leutnant Werner, der als Kriegsberichter wie Buchheim seinerzeit das Leben in einem U-Boot für die Propaganda schildern soll, das? Weil mit den emotionslos vorgetragenen Zahlen über die ungezählten Opfer der deutschen Angriffe auf den Meeren und die toten-U-Bootleute das Ausmaß und die Sinnlosigkeit des Krieges verdeutlicht werden.

Drei Monate auf "Feindfahrt"

Es werden viele Zahlen genannt in den 135 Minuten, die das Schauspiel in der Fassung von Kjetil Bang-Hansen unter der Regie von Johannes Pfeifer braucht, um drei Monate "Feindfahrt" zu beschreiben. Es ist eine technische Männersprache, die da gesprochen wird, präzise Anweisungen für das Tauchen und Auftauchen, Befehle von Offizieren, die von den verschiedenen Positionen im Boot wiederholt oder bestätigt werden.

Es ist die Sprache des Leitenden Ingenieurs (Benedikt Zimmermann), der die technische Verantwortung hat. Zimmermann zeigt den "LI" als einen Techniker, der alle Manöver unter Wasser im Schlaf beherrscht, selber aber keinen findet, weil er nach zwölf Feindfahrten und der Sorge um seine Frau durchzudrehen beginnt.

Dreckig und derb

Die andere Sprache, die prahlerische, derbe, zotige, frauenverachtende, die Buchheim nicht nur schrieb, sondern auch selber gerne von sich gab, die ist der Slang der Seeleute. Da ist Konstantin Gerlach als Funker und Sanitäter Frenssen in seinem Element. So dreckig seine Ausdrücke auch sind, sie verdecken die pure Furcht, die diese Männer in ihrer Röhre haben, wenn die in 200 Meter Tiefe die Wasserbomben explodieren hören und der Druck die Nieten platzen und die Flansche reißen lässt. Dann sind sie dem Tode nahe, das Geschrei bei jeder Explosion ist nicht mehr das von Kriegern, sondern von angsterfüllten 20-Jährigen.

All diese Stimmungslagen muss "der Alte" kennen und seine Leute im Griff haben. Hardy Krüger junior steckt in der dunkelblauen Marineuniform mit den goldenen Streifen des Kapitänleutnants am Ärmel und dem Reichsadler mit Hakenkreuz auf der Brust. Am Anfang, als sein Boot ausläuft, sitzt seine weiße Offiziersmütze noch schneidig verwegen auf seinem Kopf und verschattet etwas sein rasiertes Gesicht. Krüger versucht erst gar nicht, eine Figur wie die des einmaligen, abgebrühten Prochnow aus Petersens Kinofassung zu geben, sondern zeigt dem Publikum einen Zyniker, dessen Idealvorstellung vom Soldatentum von der Realität des Krieges zerstört wurde.

Befehl und Gehorsam

Im Buch ist der "Alte" gerade einmal 30 Jahre alt, Krügers jugendlicher Kaleu muss im Kampf Härte zeigen und unter Wasser Befehl und Gehorsam durchsetzen. Das ist in beiden Fällen sehr dramatisch, wenn er etwa den Torpedoabschuss befiehlt oder seinen Maschinisten mit vorgehaltener Pistole als ultima Ratio zur Räson bringt.

Spannungen in der Enge

Wenn es keine Hauptrolle ist, so ist der Schauplatz doch entscheidend. Der Bühnenbildnerin Pamela Schmidt ist es gelungen, den Schauspielern die drückende Enge des U-Bootes zu bauen. Eine Enge, in der sich Spannungen aufbauen und entladen können, ein Raum, in dem sich eigentlich niemand freiwillig aufhalten möchte. Vor allem nicht, wenn die Turmluke zugeht, das Wasser über dem Boot zusammenschlägt und sich der Wahnsinn zu entfesseln beginnt.

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