Germering:SPD-Ortsverein in der Krise

SPD Fähnchen auf dem Volksfest in Puchheim, 2013

Die alte Arbeiter-SPD ist tot, neue Zielgruppe, die sich mit der Partei identifizieren, sind schwer zu finden.

(Foto: Johannes Simon)

Zur Jahresversammlung in der Germeringer Stadthalle finden sich nur 23 Mitglieder ein. Auch ein Jahr nach dem Debakel bei der Kommunalwahl bleibt offen, wie sich der Ortsverein in Zukunft profilieren will

Von Karl-Wilhelm Götte, Germering

Es ist die erste SPD-Jahresversammlung der Germeringer SPD, zu der der neue Ortsvorsitzende Klaus-Peter Müller eingeladen hat. 23 Mitglieder sind gekommen, darunter viele bekannte Gesichter aus dem Vorstand, dem Stadtrat oder ehemalige Führungspersonen, wie Alt-OB Peter Braun. "Es stehen keine Wahlen an", meint Müller und findet den überschaubar kleinen Kreis, der sich in der Stadthalle versammelt, nicht weiter beunruhigend. Dass die Germeringer SPD-Basis nur schwer zu mobilisieren ist, weiß Müller. "Wir - Vorstand und Stadtratsfraktion - sind weitgehend unter uns", berichtete er von den zwei Stammtischen, die er seit seiner Wahl im September 2014 anberaumt hatte. Der Vorsitzende wünschte sich für die Zukunft mehr politische Debatten in der Germeringer SPD.

Die sind seit dem Wahldebakel der SPD bei den Kommunalwahlen vor einem Jahr auch dringend nötig. Bisher hatten Müller und seine Vorstandsgenossen dafür wenig Zeit, mussten sie doch um viel Organisatorisches kümmern. Das Weihnachtsplakat musste neu gestaltet und aufgehängt werden. Eine neue Geburtstagsgrußkarte wurde entworfen und die Internetseite auf Vordermann gebracht.

Bei der Jahresversammlung beschäftigte sich der Ortsverein eine halbe Stunde lang mit Delegiertenwahlen. Wie die "engere Vernetzung mit den Mitgliedern", die sich Müller erhofft, erreicht werden kann, ist eher offen. Dabei ist die Ausgangslage gar nicht so schlecht, hat doch die SPD in Germering immer noch etwa 130 Mitglieder. Doch vor allem der Nachwuchs fehlt. Die Verjüngung im Vorstand und im Stadtrat, die 2008 erfolgte, hat sich in Luft ausgelöst. Schuld ist jedoch nicht die SPD, sondern, dass junge Politiker aus beruflichen Gründen öfter umziehen müssen.

So sitzen im Stadtrat nur noch altbewährte Genossinnen und Genossen. "Für die Jungen ist es vielversprechender in der CSU Karriere zu machen", beschreibt Müller die missliche Lage der SPD, die sich einem mit 71 Prozent gewählten Oberbürgermeister und einer CSU-Fraktion im Stadtrat mit absoluter Mehrheit konfrontiert sieht. Bankkaufmann Müller, der erst 2013 der SPD beitrat, ist mit 58 Jahren weit über das Nachwuchsalter hinaus. "Ich betrachte mich als Lehrling in Sachen Parteiarbeit", beteuert er trotzdem. Er habe einige Ideen, wie er die SPD voranbringen will, aber es sei alles nicht so einfach. So lag der Versammlung ein Antrag von Harald Müller vor, der sich gegen die drohende Patentvergabe für Brokkoli an den US-Konzern Monsanto aussprach. Der Antrag wurde diskutiert, aber nicht verabschiedet, weil er der Versammlung zu ungenau formuliert war. "Der müsste jetzt auch noch durch alle Gremien der Partei, bis er beim SPD-Bundesvorstand landet", beklagte Klaus-Peter Müller. Er würde den direkten Weg per E-Mail an den Bundesvorstand vorziehen, aber das ist nicht möglich.

Der Germeringer SPD-Chef weiß um die mangelnde Profilierung seiner eigenen Partei im Schatten der dominierenden CSU. "Der beliebte OB, der keine gravierenden Fehler macht und die CSU bieten wenig Angriffsfläche", bekennt Müller. Zu wenig dringt aber auch nach außen, was die SPD im Stadtrat will oder leistet. Zum Beispiel die langjährige engagierte Arbeit von Eike Höppner, die das Referat Kindergärten und -krippen, Horte und Schulsozialarbeit betreut. Das ist sicherlich eines der arbeitsaufwendigsten Referate im Stadtrat und durch die Ausweitung des Kinderkrippenangebots in Germering auf demnächst 420 Plätze, was einer Versorgung der unter Dreijährigen von 42 Prozent entspricht, ständig im aktuellen Focus. Gerade gibt es in der Stadt wieder fünf Baustellen, an denen Kindereinrichtungen entstehen. Zwischenlösungen für die Kleinen gibt es momentan in Container-Einrichtungen. "Was wir bauen ist gewaltig", berichtet Höppner der Parteiversammlung.

Der Ausbau der Kinderkrippen, für die CSU vor Jahren noch "DDR-Teufelszeug", wird jedoch nicht mit der SPD identifiziert, weil sie auch im Stadtrat einhellig beschlossen werden. So geht es in fast allen Bereichen. "Sehr viele Themen werden im Stadtrat im breiten Konsens entschieden", sagt Müller. "Für die SPD gibt es kaum etwas, womit sie sich profilieren kann." Vielleicht doch. "Schaffung von bezahlbaren Wohnraum wäre ein Thema", meint Müller. Bisher hat sich die SPD jedoch für eine "sensible Nachverdichtung" ausgesprochen und sich eher für die Beibehaltung von Grünflächen stark gemacht. "Wie schaffen wir den Spagat?", fragt Müller. Ob die SPD schon ihr Tief erreicht hat? "Da will ich keine Prognose wagen", meint der Ortsvorsitzende. "Vielleicht gelingt die Profilierung der Partei bei der Ortsmitteplanung und Bebauung vor der Stadthalle", sagt Müller. Am Engagement des Vorsitzenden solle es nicht liegen. Eines müsse jedoch der SPD laut Müller, bei der Zielgruppenpolitik klar sein: "Die alte Arbeiter-SPD gibt es nicht mehr." Die Partei müsse sich und das sei die Schwierigkeit, Zielgruppen und Wählerschichten suchen, denen sie ein anderes Politikangebot mache und sich inhaltlich von der CSU unterscheide.

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