Germering:"Sie müssten bei Null wieder anfangen"

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Wer allzu lange pausiert, tut sich schwer mit der weiteren beruflichen Laufbahn. Das ist die Botschaft, die Unternehmer rückkehrwilligen Frauen bei einer Podiumsdiskussion mitgeben. Ihre Empfehlung: Auf jeden Fall sollten sich die Frauen gut vorbereiten

Von Heike A. Batzer, Germering

Es gleicht einem Spagat. Kinder erziehen und einen Beruf ausüben. Viele Frauen machen das lieber nacheinander, erst den Beruf, dann kommen Kinder und dann nach einiger Zeit wieder der Beruf. Doch dann kommt das böse Erwachen: Die Frauen sind häufig nicht mehr auf der Höhe der Zeit. Walter Müller, Vorstandsvorsitzender der VR-Bank Fürstenfeldbruck, macht deutlich, was er von einer längeren Berufsunterbrechung hält: "Sie müssten bei Null wieder anfangen", sagt er einer Frau, die sich nach 13 Jahren Pause nach ihren Chancen für einen Wiedereinstieg erkundigt.

Das klingt nicht gut und doch stellt sich die berufliche Perspektive für Frauen, die wegen Kindererziehung oder der Pflege von Angehörigen aus ihren Jobs ausgestiegen sind, vielfach genau so dar. Was für eine vorübergehende Zeitspanne geplant war, dauert häufig länger und macht ganze Lebenspläne zunichte. Gefragt wurde Müller von einer Frau, die im Controlling eines Kreditinstituts tätig war, bevor sie eben jene 13 Jahre pausierte. Gefragt wurde er bei einer Podiumsdiskussion anlässlich der 1. Börse zum beruflichen Wiedereinstieg für Frauen in Germering. Unternehmensvertreter sollten bei der Diskussion aufzeigen, was sie sich von Berufsrückkehrerinnen erwarten. Wer "heutzutage zwei, drei Jahre aus einem qualifizierten Beruf raus ist", sagt Müller ohne Umschweife, an demjenigen sei die Zeit vorbei gegangen.

Was Unternehmer von Frauen bei der Rückkehr in den Beruf erwarten, konnten Besucherinnen der ersten Gemeringer Börse für Wiedereinsteigerinnen erfahren. (Foto: Christian Endt)

Auch wenn sich viele Unternehmen Berufsrückkehrerinnen gegenüber aufgeschlossen zeigen, offenbart Müllers Aussage das grundsätzliche Problem: Allzu langes Fortbleiben vom Arbeitsplatz bringt die Frauen um sämtliche Chancen. Auf dem mit fünf Frauen und dem Bankenchef quasi als Quotenmann besetzen Podium war man sich einig, dass es für die Frauen notwendig sei, den Wiedereinstieg "gut vorzubereiten, Kontakt zum Arbeitgeber zu halten, gelegentlich auszuhelfen und sich mit der fachlichen Weiterentwicklung im Beruf zu beschäftigen", wie Müller die Anforderungen zusammenfasst. Die Münchner Unternehmensberaterin Simone Dappert bestätigt das. Sie hält eine "gewisse Flexibilität" für notwendig, deshalb sollten Mütter, die zurück in den Beruf möchten, sich zuvor ein privates Netzwerk schaffen, dann aber die Flexibilität, die sie selbst zeigten, auch von ihrem Arbeitgeber einfordern. Als Beispiel führt sie ein nicht näher benanntes Unternehmen an, dass in einer Abteilung nur Teilzeitkräfte eingestellt hat und. Dort hat man sich dann zur Regel gemacht, nach 18 Uhr keine Meetings mehr stattfinden zu lassen. Denn: "Die berufliche Planung muss in der Familie beginnen", sagt Dappert.

Dort freilich haben sich die Frauen jahrelang ganz andere Erfahrungen angeeignet, die auch im Berufsalltag von Nutzen sein können. Da sie in unterschiedlichen Rollen aktiv seien, könnten sie unterschiedliche Perspektiven einbringen, sagt Dappert. Familienfrauen hätten über einen gewissen Zeitraum "eine kleine Firma" geleitet, sagt Walter Müller in Anlehnung an einen bekannten TV-Werbespot. "Das können viele Bewerber nicht vorweisen."

Dabei sei die Familienfreundlichkeit der Unternehmen "purer Egoismus", sagt Müller auch, denn vor allem ginge es darum, "gut ausgebildete Kolleginnen zu halten". Auch die VR-Bank Fürstenfeldbruck versuche daher, "passgenaue Arbeitszeiten anzubieten", was sich freilich gerade bei Arbeitsplätzen mit Kundenkontakt bisweilen als schwierig erweise. Bei der Sparkasse in Germering könnten junge Mütter beispielsweise von einem Pilotprojekt mit Samstagsöffnung profitieren, erläutert die Germeringer Filialdirektorin Karina Brauer-Mack. Dafür habe man alle Mütter gefragt, ob sie bereit wären, am Samstag fünf Stunden zu arbeiten. Fünf oder sechs Mütter hätten gesagt, sie würden das machen.

Barbara Magg vom Landratsamt, die Unternehmensberaterin Simone Dappert, Sandra Pabst von der Firma GeBE Elektronik und Feinwerktechnik, Karina Brauer-Mack von der Sparkasse Germering, Maike Wendt von der Stadt Germering und Walter Müller, Vorstandschef der VR-Bank (v. li.). (Foto: Günther Reger)

In der Abteilung Wirtschaftsförderung im Landratsamt Fürstenfeldbruck versucht man vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels Firmen für das Thema Berufsrückkehrerinnen zu sensibilisieren. Vor zwei Jahren hätten sich 33 Prozent der Firmen als vom Fachkräftemangel betroffen gezeigt, nun seien es schon 55 Prozent, sagt Wirtschaftsförderin Barbara Magg. Eine Mütterbefragung, die das Landratsamt vor zwei Jahren im Landkreis durchgeführt hatte, hatte ein großes Potenzial an Arbeitskräften aufgetan. Aus den 2400 Fragebögen, die zurückgeschickt worden seien, äußerten Magg zufolge allein so viele Mütter den Wunsch, mehr zu arbeiten, dass dadurch etwa 100 Vollzeitstellen zusammenkämen. Weitere 130 Vollzeitstellen würden sich ergeben, wenn auch jene Mütter eingestellt würden, die noch nicht wieder arbeiteten, dies aber gerne wollten.

Maike Wendt, Leiterin der Personalstelle der Stadt Germering, bestätigt, dass Arbeitgeber daran interessiert seien, dass Mitarbeiter nach der Geburt eines Kindes wieder an den Arbeitsplatz zurück kämen: "Die gut ausgebildeten Mitarbeiter sind unser Kapital." Deshalb sei es auch wichtig, möglichst früh zu wissen, "ob die Mitarbeiterin hinterher weiterarbeiten will".

Das Kontakthalten zur Firma funktioniert bisweilen auch ohne persönliche Präsenz. Ohne Homeoffice hätte sie es damals nicht geschafft, bekundet Barbara Magg, die nach der Geburt ihres Sohnes nur sechs Monate pausiert hatte. Allerdings liefen Mütter dann auch Gefahr, "laufend zu arbeiten, weil sie tausend Prozent geben wollen", warnt Magg. Simone Dappert indes warnt vor dem Rückzug ins Homeoffice: "Die Mütter wollen gerne in den Beruf zurück, weil sie raus und nicht mehr zu Hause sein wollen." Sie empfiehlt, nicht ausschließlich auf das Arbeiten von zu Hause aus zu setzen, denn die Präsenz am Arbeitsplatz wirke sich auch auf die berufliche Entwicklung aus.

Könnten denn die technischen Errungenschaften Frauen bei der Arbeit helfen?, will die Unternehmensberaterin Silke Mekat, die auf familienbewusste Personalpolitik spezialisiert ist und die Diskussion in Germering moderiert, schließlich noch von der Gesprächsrunde wissen. Ja, sagt Sandra Pabst, Geschäftsführerin der Germeringer Firma GeBE Elektronik und Feinwerktechnik. Smartphones könne man überall mitnehmen, das erleichtere vieles. Solche Technologien würden helfen, unabhängiger von der Präsenz im Unternehmen zu sein. Aber: "Man muss dabei auch Grenzen setzen." Die Mutter zweier Kinder im Jugendalter hat ihre Doppelrolle indes "schon als sehr stressig" erlebt. Weil sie aber um den "Kraftakt" wisse, sagt Pabst, habe sie bei diesem Thema mehr Verständnis für ihre Mitarbeiter.

© SZ vom 15.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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